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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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burth in Ihrer Kammer geblieben, und als Sie wieder zu Tische kommen ein Küssen auff dem Leibe gehabt; daß er vorgegeben haben solle, sie habe ein Fieber, und sein Eheweib dem Pfarrer geantwortet, das Fieber wäre vergangen, weil Sie die Tochter erschrocken, davon wisse er nichts, denn er wäre weggeritten gewesen und sey selten zu Hause. Ingleichen wisse er nichts davon, daß er etliche Tage vorher, als das Kind gefunden worden, auf dem Schlag vor dem Gärtgen gestiegen, und über die Mauer hinein gesehen haben solle, geschweige denn, daß er solches darumb gethan, umb zu sehen, ob man den Ort, wo es läge, auch mercken möchte. Er wäre zwar des Abends als die P. Landgerichte auff sein Gut gekommen, zu Hause gewesen, er habe sich aber schon desselben Tages vorhero vorgenommen gehabt, nach M. zureiten: wäre aber die Nacht noch da geblieben, des folgenden Tages hätte er sich mit dem frühesten dahin gemacht, und sey also nicht deßwegen flüchtig worden, weil die Gerichte das Kind gefunden. Negat, daß er die Tochter Annen von den Schreiber Emanueln auff das Pferd setzen und wegführen lassen. Negat, daß er zur Köchin geschickt, und Ihr sagen lassen, Sie solte sprechen, sie hätte das Kind mit dem Vogelspießgen gesucht: viel weniger daß er solcher, daß Sie sich wegmachen solte, zureden und Ihr ein Stücke Geld deßhalb bieten lassen. Auff die Frage: Ob er nicht die Mordthat verhüten können, wenn er Seiner Tochter scharff zugeredet, oder Sie allenfalls durch verständige Weiber besichtigen lassen? hat er geantwortet: Er wisse von keinen Mord: Er habe der Tochter scharff genung zugeredet, habe aber von derselben wegen der Schwängerung nichts heraußbringen können. Die Besichtigung wäre zwar nicht vorgenommen worden, er habe aber doch deren Urin Herrn D. L. zu Weissenfelß gebracht, und denselben dißfalls consulirt, welcher Ihn denn gesagt, es wäre eine blosse Verstopffung und keine Frucht verhanden, habe Ihm auch darbey unterschiedene dergleichen Exempla erzehlet. Er habe auch einen Doctor in Altenburg zu Rathe genommen, der habe ebenfals gesagt, daß man aus dem Urin nicht sehen könne, daß eine Schwängerung geschehen.

Der Mutter.

§. XXI. Gleichwie nun ein jeder verständiger Leser, aus dieser des Vaters Antwort gar leichtlich abnehmen kan, daß gar geringe Indicia wieder Ihn verhanden gewesen, und also dessen Defension keiner grossen Mühe gebraucht habe; Also wäre es zu wünschen gewesen, daß man von dessen Eheweibe und der Tochter Anna dergleichen hätte sagen können. Der Mutter Frau Marien Ihre Aussage ad Articulos gienge dahin.

Sie sey von Annaberg 43. Jahr. Die Tochter Anna hätte Ihre Schwängerung Ihr nicht bey Zeiten eröffnet. Sie hätte zwar freylich gesehen, daß die Tochter einen hohen Leib gehabt: Sie habe aber nicht gemeinet, daß es so beschaffen wäre, die Tochter habe es auch nicht gestanden. Sie habe gewust, das die Tochter sonst eine Beschwerung gehabt, und habe gemeinet, der hohe Leib komme davon her, und sey frey-

burth in Ihrer Kammer geblieben, und als Sie wieder zu Tische kommen ein Küssen auff dem Leibe gehabt; daß er vorgegeben haben solle, sie habe ein Fieber, und sein Eheweib dem Pfarrer geantwortet, das Fieber wäre vergangen, weil Sie die Tochter erschrocken, davon wisse er nichts, denn er wäre weggeritten gewesen und sey selten zu Hause. Ingleichen wisse er nichts davon, daß er etliche Tage vorher, als das Kind gefunden worden, auf dem Schlag vor dem Gärtgen gestiegen, und über die Mauer hinein gesehen haben solle, geschweige denn, daß er solches darumb gethan, umb zu sehen, ob man den Ort, wo es läge, auch mercken möchte. Er wäre zwar des Abends als die P. Landgerichte auff sein Gut gekommen, zu Hause gewesen, er habe sich aber schon desselben Tages vorhero vorgenommen gehabt, nach M. zureiten: wäre aber die Nacht noch da geblieben, des folgenden Tages hätte er sich mit dem frühesten dahin gemacht, und sey also nicht deßwegen flüchtig worden, weil die Gerichte das Kind gefunden. Negat, daß er die Tochter Annen von den Schreiber Emanueln auff das Pferd setzen und wegführen lassen. Negat, daß er zur Köchin geschickt, und Ihr sagen lassen, Sie solte sprechen, sie hätte das Kind mit dem Vogelspießgen gesucht: viel weniger daß er solcher, daß Sie sich wegmachen solte, zureden und Ihr ein Stücke Geld deßhalb bieten lassen. Auff die Frage: Ob er nicht die Mordthat verhüten können, wenn er Seiner Tochter scharff zugeredet, oder Sie allenfalls durch verständige Weiber besichtigen lassen? hat er geantwortet: Er wisse von keinen Mord: Er habe der Tochter scharff genung zugeredet, habe aber von derselben wegen der Schwängerung nichts heraußbringen können. Die Besichtigung wäre zwar nicht vorgenommen worden, er habe aber doch deren Urin Herrn D. L. zu Weissenfelß gebracht, und denselben dißfalls consulirt, welcher Ihn denn gesagt, es wäre eine blosse Verstopffung und keine Frucht verhanden, habe Ihm auch darbey unterschiedene dergleichen Exempla erzehlet. Er habe auch einen Doctor in Altenburg zu Rathe genommen, der habe ebenfals gesagt, daß man aus dem Urin nicht sehen könne, daß eine Schwängerung geschehen.

Der Mutter.

§. XXI. Gleichwie nun ein jeder verständiger Leser, aus dieser des Vaters Antwort gar leichtlich abnehmen kan, daß gar geringe Indicia wieder Ihn verhanden gewesen, und also dessen Defension keiner grossen Mühe gebraucht habe; Also wäre es zu wünschen gewesen, daß man von dessen Eheweibe und der Tochter Anna dergleichen hätte sagen können. Der Mutter Frau Marien Ihre Aussage ad Articulos gienge dahin.

Sie sey von Annaberg 43. Jahr. Die Tochter Anna hätte Ihre Schwängerung Ihr nicht bey Zeiten eröffnet. Sie hätte zwar freylich gesehen, daß die Tochter einen hohen Leib gehabt: Sie habe aber nicht gemeinet, daß es so beschaffen wäre, die Tochter habe es auch nicht gestanden. Sie habe gewust, das die Tochter sonst eine Beschwerung gehabt, und habe gemeinet, der hohe Leib komme davon her, und sey frey-

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burth in Ihrer Kammer geblieben, und als                      Sie wieder zu Tische kommen ein Küssen auff dem Leibe gehabt; daß er vorgegeben                      haben solle, sie habe ein Fieber, und sein Eheweib dem Pfarrer geantwortet, das                      Fieber wäre vergangen, weil Sie die Tochter erschrocken, davon wisse er nichts,                      denn er wäre weggeritten gewesen und sey selten zu Hause. Ingleichen wisse er                      nichts davon, daß er etliche Tage vorher, als das Kind gefunden worden, auf dem                      Schlag vor dem Gärtgen gestiegen, und über die Mauer hinein gesehen haben solle,                      geschweige denn, daß er solches darumb gethan, umb zu sehen, ob man den Ort, wo                      es läge, auch mercken möchte. Er wäre zwar des Abends als die P. Landgerichte                      auff sein Gut gekommen, zu Hause gewesen, er habe sich aber schon desselben                      Tages vorhero vorgenommen gehabt, nach M. zureiten: wäre aber die Nacht noch da                      geblieben, des folgenden Tages hätte er sich mit dem frühesten dahin gemacht,                      und sey also nicht deßwegen flüchtig worden, weil die Gerichte das Kind                      gefunden. Negat, daß er die Tochter Annen von den Schreiber Emanueln auff das                      Pferd setzen und wegführen lassen. Negat, daß er zur Köchin geschickt, und Ihr                      sagen lassen, Sie solte sprechen, sie hätte das Kind mit dem Vogelspießgen                      gesucht: viel weniger daß er solcher, daß Sie sich wegmachen solte, zureden und                      Ihr ein Stücke Geld deßhalb bieten lassen. Auff die Frage: Ob er nicht die                      Mordthat verhüten können, wenn er Seiner Tochter scharff zugeredet, oder Sie                      allenfalls durch verständige Weiber besichtigen lassen? hat er geantwortet: Er                      wisse von keinen Mord: Er habe der Tochter scharff genung zugeredet, habe aber                      von derselben wegen der Schwängerung nichts heraußbringen können. Die                      Besichtigung wäre zwar nicht vorgenommen worden, er habe aber doch deren Urin                      Herrn D. L. zu Weissenfelß gebracht, und denselben dißfalls consulirt, welcher                      Ihn denn gesagt, es wäre eine blosse Verstopffung und keine Frucht verhanden,                      habe Ihm auch darbey unterschiedene dergleichen Exempla erzehlet. Er habe auch                      einen Doctor in Altenburg zu Rathe genommen, der habe ebenfals gesagt, daß man                      aus dem Urin nicht sehen könne, daß eine Schwängerung geschehen.</p>
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        <p>§. XXI. Gleichwie nun ein jeder verständiger Leser, aus dieser des Vaters Antwort                      gar leichtlich abnehmen kan, daß gar geringe Indicia wieder Ihn verhanden                      gewesen, und also dessen Defension keiner grossen Mühe gebraucht habe; Also wäre                      es zu wünschen gewesen, daß man von dessen Eheweibe und der Tochter Anna                      dergleichen hätte sagen können. Der Mutter Frau Marien Ihre Aussage ad Articulos                      gienge dahin.</p>
        <p>Sie sey von Annaberg 43. Jahr. Die Tochter Anna hätte Ihre Schwängerung Ihr nicht                      bey Zeiten eröffnet. Sie hätte zwar freylich gesehen, daß die Tochter einen                      hohen Leib gehabt: Sie habe aber nicht gemeinet, daß es so beschaffen wäre, die                      Tochter habe es auch nicht gestanden. Sie habe gewust, das die Tochter sonst                      eine Beschwerung gehabt, und habe gemeinet, der hohe Leib komme davon her, und                      sey frey-
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[38/0054] burth in Ihrer Kammer geblieben, und als Sie wieder zu Tische kommen ein Küssen auff dem Leibe gehabt; daß er vorgegeben haben solle, sie habe ein Fieber, und sein Eheweib dem Pfarrer geantwortet, das Fieber wäre vergangen, weil Sie die Tochter erschrocken, davon wisse er nichts, denn er wäre weggeritten gewesen und sey selten zu Hause. Ingleichen wisse er nichts davon, daß er etliche Tage vorher, als das Kind gefunden worden, auf dem Schlag vor dem Gärtgen gestiegen, und über die Mauer hinein gesehen haben solle, geschweige denn, daß er solches darumb gethan, umb zu sehen, ob man den Ort, wo es läge, auch mercken möchte. Er wäre zwar des Abends als die P. Landgerichte auff sein Gut gekommen, zu Hause gewesen, er habe sich aber schon desselben Tages vorhero vorgenommen gehabt, nach M. zureiten: wäre aber die Nacht noch da geblieben, des folgenden Tages hätte er sich mit dem frühesten dahin gemacht, und sey also nicht deßwegen flüchtig worden, weil die Gerichte das Kind gefunden. Negat, daß er die Tochter Annen von den Schreiber Emanueln auff das Pferd setzen und wegführen lassen. Negat, daß er zur Köchin geschickt, und Ihr sagen lassen, Sie solte sprechen, sie hätte das Kind mit dem Vogelspießgen gesucht: viel weniger daß er solcher, daß Sie sich wegmachen solte, zureden und Ihr ein Stücke Geld deßhalb bieten lassen. Auff die Frage: Ob er nicht die Mordthat verhüten können, wenn er Seiner Tochter scharff zugeredet, oder Sie allenfalls durch verständige Weiber besichtigen lassen? hat er geantwortet: Er wisse von keinen Mord: Er habe der Tochter scharff genung zugeredet, habe aber von derselben wegen der Schwängerung nichts heraußbringen können. Die Besichtigung wäre zwar nicht vorgenommen worden, er habe aber doch deren Urin Herrn D. L. zu Weissenfelß gebracht, und denselben dißfalls consulirt, welcher Ihn denn gesagt, es wäre eine blosse Verstopffung und keine Frucht verhanden, habe Ihm auch darbey unterschiedene dergleichen Exempla erzehlet. Er habe auch einen Doctor in Altenburg zu Rathe genommen, der habe ebenfals gesagt, daß man aus dem Urin nicht sehen könne, daß eine Schwängerung geschehen. §. XXI. Gleichwie nun ein jeder verständiger Leser, aus dieser des Vaters Antwort gar leichtlich abnehmen kan, daß gar geringe Indicia wieder Ihn verhanden gewesen, und also dessen Defension keiner grossen Mühe gebraucht habe; Also wäre es zu wünschen gewesen, daß man von dessen Eheweibe und der Tochter Anna dergleichen hätte sagen können. Der Mutter Frau Marien Ihre Aussage ad Articulos gienge dahin. Sie sey von Annaberg 43. Jahr. Die Tochter Anna hätte Ihre Schwängerung Ihr nicht bey Zeiten eröffnet. Sie hätte zwar freylich gesehen, daß die Tochter einen hohen Leib gehabt: Sie habe aber nicht gemeinet, daß es so beschaffen wäre, die Tochter habe es auch nicht gestanden. Sie habe gewust, das die Tochter sonst eine Beschwerung gehabt, und habe gemeinet, der hohe Leib komme davon her, und sey frey-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/54>, abgerufen am 25.04.2024.