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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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bey der Hand in die Stube gezogen worden, welcher auch, als es zum Jawort kommen, der Veronicae selbiges mit diesen Worten: nun so sage ja, in dem Mund gegeben; hat hierauff Conradus nach etlicher mit der Veronica gepflogenen Conversation sie mit Darbiethung ein paar Ohren-Ringe vor 60. Thlr. um den Beyschlaff sollicitiret, auch dergestalt mit Thätigkeit in sie gedrungen, daß sie sich ferner seiner mit allen Kräfften erwehren, und endlich laut ruffen müssen, worauff Veronica einen solchen Wiederwillen gegen Conradum bekommen, daß sie die Ehe nicht vollstrecken, sondern von Conrado geschieden seyn will;

Ob nun wohl sponsalia de praesenti (dafür wir die zwischen Conrado und Veronica vorgegangene allen Ansehen und Umständen nach, absonderlich aber nach der Beylage sub D. halten) ohne grosse und erhebliche Ursache nicht zu rescindiren, und anfänglich der von Veronica praetendirte dissensus ihr wenig zu statten kommen mag, in Betrachtung doch nicht mehr als metus reverentialis heraus kommen würde, sie auch durch die nachfolgende familiaire Conversation ihr gegebenes Jawort ratihabiret, und da sie nunmehro sich nicht scheuet, vermuthlich wieder ihrer Anverwandten Willen ihren Wiederwillen gegen Conradum so nachdrücklich zu bezeugen, sie vielmehr solches würde bey der Verlobung gethan, und die ihrer Mutter und Anverwandten schuldige Verehrung nicht attendiret haben, wenn sie damahlen, so ernstlich dissentiret hätte, auch wenn solches damahls geschehen, die nunmehr gefolgte Unordnung nachgeblieben wäre; hiernächst was pro Veronica angeführet wird, daß die Zumuthung des Beyschlaffs, so ihr von Conrado geschehen, denen insidiis vitae und morbo contagioso oder insigni deformitati, als causis justis repudii gleich zu achten, wo nicht vorzuziehen, in Rechten nicht gegründet, sondern, wenn gleich insidiae pudicitiae, contagium animi, & deformitas mentis höher in consideration zu nehmen wäre, als itzt bemeldte Ursachen; dennoch dabey zu erwegen, daß diese vitiositas animi durch Erkäntniß und Bereuung leichtlich zu ändern, auch pudicitia ohne Einwilligung des andern Theils nicht so leicht als das Leben benommen werden mag, und ferner des Conradi Vorgeben; daß Braut und Bräutigam post celebrata sponsalia schon Ehe-Leute vor GOtt wären, obschon die copulatio sacerdotalis (die diß fals adiaphora wäre) noch nicht geschehen, nicht nur abstrahendo a Legibus Ecclesiasticis nicht gäntzlich an und vor sich selbst ungegründet ist, sondern auch zum wenigsten diese Würckung nach hergebrachten Rechten hat, daß die aus solchen post sponsalia publica ante benedictionem facerdotalem geschehenen Beyschlaff erzeugte Kinder pro legitimis zu achten; bey dieser Bewandniß aber ein dergleichen concubitus quoad effectus juris externi & Politici pro scortatione aut stupro nicht ausgegeben werden kan, vielweniger einer Braut propter attentationem actio injuriarum zu verstatten ist;

bey der Hand in die Stube gezogen worden, welcher auch, als es zum Jawort kommen, der Veronicae selbiges mit diesen Worten: nun so sage ja, in dem Mund gegeben; hat hierauff Conradus nach etlicher mit der Veronica gepflogenen Conversation sie mit Darbiethung ein paar Ohren-Ringe vor 60. Thlr. um den Beyschlaff sollicitiret, auch dergestalt mit Thätigkeit in sie gedrungen, daß sie sich ferner seiner mit allen Kräfften erwehren, und endlich laut ruffen müssen, worauff Veronica einen solchen Wiederwillen gegen Conradum bekommen, daß sie die Ehe nicht vollstrecken, sondern von Conrado geschieden seyn will;

Ob nun wohl sponsalia de praesenti (dafür wir die zwischen Conrado und Veronica vorgegangene allen Ansehen und Umständen nach, absonderlich aber nach der Beylage sub D. halten) ohne grosse und erhebliche Ursache nicht zu rescindiren, und anfänglich der von Veronica praetendirte dissensus ihr wenig zu statten kommen mag, in Betrachtung doch nicht mehr als metus reverentialis heraus kommen würde, sie auch durch die nachfolgende familiaire Conversation ihr gegebenes Jawort ratihabiret, und da sie nunmehro sich nicht scheuet, vermuthlich wieder ihrer Anverwandten Willen ihren Wiederwillen gegen Conradum so nachdrücklich zu bezeugen, sie vielmehr solches würde bey der Verlobung gethan, und die ihrer Mutter und Anverwandten schuldige Verehrung nicht attendiret haben, wenn sie damahlen, so ernstlich dissentiret hätte, auch wenn solches damahls geschehen, die nunmehr gefolgte Unordnung nachgeblieben wäre; hiernächst was pro Veronica angeführet wird, daß die Zumuthung des Beyschlaffs, so ihr von Conrado geschehen, denen insidiis vitae und morbo contagioso oder insigni deformitati, als causis justis repudii gleich zu achten, wo nicht vorzuziehen, in Rechten nicht gegründet, sondern, wenn gleich insidiae pudicitiae, contagium animi, & deformitas mentis höher in consideration zu nehmen wäre, als itzt bemeldte Ursachen; dennoch dabey zu erwegen, daß diese vitiositas animi durch Erkäntniß und Bereuung leichtlich zu ändern, auch pudicitia ohne Einwilligung des andern Theils nicht so leicht als das Leben benommen werden mag, und ferner des Conradi Vorgeben; daß Braut und Bräutigam post celebrata sponsalia schon Ehe-Leute vor GOtt wären, obschon die copulatio sacerdotalis (die diß fals adiaphora wäre) noch nicht geschehen, nicht nur abstrahendo a Legibus Ecclesiasticis nicht gäntzlich an und vor sich selbst ungegründet ist, sondern auch zum wenigsten diese Würckung nach hergebrachten Rechten hat, daß die aus solchen post sponsalia publica ante benedictionem facerdotalem geschehenen Beyschlaff erzeugte Kinder pro legitimis zu achten; bey dieser Bewandniß aber ein dergleichen concubitus quoad effectus juris externi & Politici pro scortatione aut stupro nicht ausgegeben werden kan, vielweniger einer Braut propter attentationem actio injuriarum zu verstatten ist;

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[364/0380] bey der Hand in die Stube gezogen worden, welcher auch, als es zum Jawort kommen, der Veronicae selbiges mit diesen Worten: nun so sage ja, in dem Mund gegeben; hat hierauff Conradus nach etlicher mit der Veronica gepflogenen Conversation sie mit Darbiethung ein paar Ohren-Ringe vor 60. Thlr. um den Beyschlaff sollicitiret, auch dergestalt mit Thätigkeit in sie gedrungen, daß sie sich ferner seiner mit allen Kräfften erwehren, und endlich laut ruffen müssen, worauff Veronica einen solchen Wiederwillen gegen Conradum bekommen, daß sie die Ehe nicht vollstrecken, sondern von Conrado geschieden seyn will; Ob nun wohl sponsalia de praesenti (dafür wir die zwischen Conrado und Veronica vorgegangene allen Ansehen und Umständen nach, absonderlich aber nach der Beylage sub D. halten) ohne grosse und erhebliche Ursache nicht zu rescindiren, und anfänglich der von Veronica praetendirte dissensus ihr wenig zu statten kommen mag, in Betrachtung doch nicht mehr als metus reverentialis heraus kommen würde, sie auch durch die nachfolgende familiaire Conversation ihr gegebenes Jawort ratihabiret, und da sie nunmehro sich nicht scheuet, vermuthlich wieder ihrer Anverwandten Willen ihren Wiederwillen gegen Conradum so nachdrücklich zu bezeugen, sie vielmehr solches würde bey der Verlobung gethan, und die ihrer Mutter und Anverwandten schuldige Verehrung nicht attendiret haben, wenn sie damahlen, so ernstlich dissentiret hätte, auch wenn solches damahls geschehen, die nunmehr gefolgte Unordnung nachgeblieben wäre; hiernächst was pro Veronica angeführet wird, daß die Zumuthung des Beyschlaffs, so ihr von Conrado geschehen, denen insidiis vitae und morbo contagioso oder insigni deformitati, als causis justis repudii gleich zu achten, wo nicht vorzuziehen, in Rechten nicht gegründet, sondern, wenn gleich insidiae pudicitiae, contagium animi, & deformitas mentis höher in consideration zu nehmen wäre, als itzt bemeldte Ursachen; dennoch dabey zu erwegen, daß diese vitiositas animi durch Erkäntniß und Bereuung leichtlich zu ändern, auch pudicitia ohne Einwilligung des andern Theils nicht so leicht als das Leben benommen werden mag, und ferner des Conradi Vorgeben; daß Braut und Bräutigam post celebrata sponsalia schon Ehe-Leute vor GOtt wären, obschon die copulatio sacerdotalis (die diß fals adiaphora wäre) noch nicht geschehen, nicht nur abstrahendo a Legibus Ecclesiasticis nicht gäntzlich an und vor sich selbst ungegründet ist, sondern auch zum wenigsten diese Würckung nach hergebrachten Rechten hat, daß die aus solchen post sponsalia publica ante benedictionem facerdotalem geschehenen Beyschlaff erzeugte Kinder pro legitimis zu achten; bey dieser Bewandniß aber ein dergleichen concubitus quoad effectus juris externi & Politici pro scortatione aut stupro nicht ausgegeben werden kan, vielweniger einer Braut propter attentationem actio injuriarum zu verstatten ist;

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/380>, abgerufen am 26.04.2024.