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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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unschuldigen Ehegatten, der seines Lebens bey dem andern nicht sicher gewesen, zur Wiederversöhnung und Beywohnung zwingen wollen, und wenn dieser nicht gewolt, die Ehe sub praetextu malitiosae desertionis geschieden? 4. Ob nun dieser Praetext raisonable sey? überlasse ich, wie gemeldet, weiterer Uberlegung, und wird es vielleicht in folgenden mehr Gelegenheit geben, meine Meinung hiervon etwas deutlicher zu melden. Indessen kan zum voraus gelesen werden, was ich in notis ad librum 2. Lancelotti nota 503. & 504. allbereit wegen der rechtmäßigen Ursachen der Ehescheidung mich erklähret, ingleichen was Brückner hiervon in Decisionibus juris matrimonialis integris capitibus 16. & 25. von dieser Materie gemeldet. Absonderlich aber bitte ich den von Brücknero weitläufftig erzehlten casum p. 256. biß 261. wohl zu überlegen, und 5. zu urtheilen, ob es vernünfftiger Weise vertheydiget werden könne, daß daselbst ein liederlicher und zwey von seinen Weibern grausam tractirender Ehemann dergestalt von allen beyden geschieden worden, daß er wieder heyrathen dörffen, dergleichen Freyheit aber denen abgeschiedenen Weibern unter dem praetext malitiosae desertionis vel contumaciae nicht verstattet werden wollen: oder ob diese beyde Urtheil nicht sehr starck nach denen reliquiis Papatus, so viel die Weiber betrifft, schmecken oder riechen?

§. VI. Anno 1695. wurde über folgenden Handel ein ResponsumDer andere Handel nebst dem Responso. von uns begehret, da ein Bräutigam seiner Braut, die ohnedem aus Furcht und halbgezwungen sich mit ihm verlobt hatte, noch vor der Hoch. zeit Unzucht zugemuthet, und sie darzu hatte forciren wollen; worauff die Braut die Ehe durchaus nicht vollziehen wollen. Die mehrern Umstände dieses Handels sind aus dem Responso selbst zu sehen, das ich in Monat Junio gemeldeten Jahres in Nahmen beyder Facultäten auffgesetzet.

Als derselbe uns eine speciem facti nebst Beylagen sub B. & D. und zweyen unterschiedenen Fragen etc. etc. und zwar anfänglich auf die erste Frage etc. etc. hat Conradus von G. bey Veronicae Mutter seine Person besagte Jungfrau Veronicam zu heyrathen angetragen, die Mutter aber ohne ihrer Tochter Einwilligung ihm, daß er sich etwa 6. Wochen gedulden und hernach mit Antwort versehen werden solte, zur Antwort hinterbringen lassen; Ehe aber dieser Termin verstrichen, ist Conradus, den zu vorhero Veronica nie gesehen, auch von dessen Wesen und Gemüthe keine Kundschafft gehabt, in der Veronicae Mutter Hauß kommen, und hat sein Gewerbe fortgesetzet; ist Veronica, die alsofort, da sie Conradum gesehen u. gesprochen, bey sich verspühret, daß sie keine Ehel. Affection zu ihm würde tragen können, auch nicht zu Conrado in die Stube ferner gewolt, sondern sich absentiret und verstecket, (dessen Bericht nach) unter vielen Weinen und Seuffzen von der Mutter angetrieben, und von ihrer Mutter Bruder

unschuldigen Ehegatten, der seines Lebens bey dem andern nicht sicher gewesen, zur Wiederversöhnung und Beywohnung zwingen wollen, und wenn dieser nicht gewolt, die Ehe sub praetextu malitiosae desertionis geschieden? 4. Ob nun dieser Praetext raisonable sey? überlasse ich, wie gemeldet, weiterer Uberlegung, und wird es vielleicht in folgenden mehr Gelegenheit geben, meine Meinung hiervon etwas deutlicher zu melden. Indessen kan zum voraus gelesen werden, was ich in notis ad librum 2. Lancelotti nota 503. & 504. allbereit wegen der rechtmäßigen Ursachen der Ehescheidung mich erklähret, ingleichen was Brückner hiervon in Decisionibus juris matrimonialis integris capitibus 16. & 25. von dieser Materie gemeldet. Absonderlich aber bitte ich den von Brücknero weitläufftig erzehlten casum p. 256. biß 261. wohl zu überlegen, und 5. zu urtheilen, ob es vernünfftiger Weise vertheydiget werden könne, daß daselbst ein liederlicher und zwey von seinen Weibern grausam tractirender Ehemann dergestalt von allen beyden geschieden worden, daß er wieder heyrathen dörffen, dergleichen Freyheit aber denen abgeschiedenen Weibern unter dem praetext malitiosae desertionis vel contumaciae nicht verstattet werden wollen: oder ob diese beyde Urtheil nicht sehr starck nach denen reliquiis Papatus, so viel die Weiber betrifft, schmecken oder riechen?

§. VI. Anno 1695. wurde über folgenden Handel ein ResponsumDer andere Handel nebst dem Responso. von uns begehret, da ein Bräutigam seiner Braut, die ohnedem aus Furcht und halbgezwungen sich mit ihm verlobt hatte, noch vor der Hoch. zeit Unzucht zugemuthet, und sie darzu hatte forciren wollen; worauff die Braut die Ehe durchaus nicht vollziehen wollen. Die mehrern Umstände dieses Handels sind aus dem Responso selbst zu sehen, das ich in Monat Junio gemeldeten Jahres in Nahmen beyder Facultäten auffgesetzet.

Als derselbe uns eine speciem facti nebst Beylagen sub B. & D. und zweyen unterschiedenen Fragen etc. etc. und zwar anfänglich auf die erste Frage etc. etc. hat Conradus von G. bey Veronicae Mutter seine Person besagte Jungfrau Veronicam zu heyrathen angetragen, die Mutter aber ohne ihrer Tochter Einwilligung ihm, daß er sich etwa 6. Wochen gedulden und hernach mit Antwort versehen werden solte, zur Antwort hinterbringen lassen; Ehe aber dieser Termin verstrichen, ist Conradus, den zu vorhero Veronica nie gesehen, auch von dessen Wesen und Gemüthe keine Kundschafft gehabt, in der Veronicae Mutter Hauß kommen, und hat sein Gewerbe fortgesetzet; ist Veronica, die alsofort, da sie Conradum gesehen u. gesprochen, bey sich verspühret, daß sie keine Ehel. Affection zu ihm würde tragen können, auch nicht zu Conrado in die Stube ferner gewolt, sondern sich absentiret und verstecket, (dessen Bericht nach) unter vielen Weinen und Seuffzen von der Mutter angetrieben, und von ihrer Mutter Bruder

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unschuldigen Ehegatten, der seines Lebens bey dem                      andern nicht sicher gewesen, zur Wiederversöhnung und Beywohnung zwingen wollen,                      und wenn dieser nicht gewolt, die Ehe sub praetextu malitiosae desertionis                      geschieden? 4. Ob nun dieser Praetext raisonable sey? überlasse ich, wie                      gemeldet, weiterer Uberlegung, und wird es vielleicht in folgenden mehr                      Gelegenheit geben, meine Meinung hiervon etwas deutlicher zu melden. Indessen                      kan zum voraus gelesen werden, was ich in notis ad librum 2. Lancelotti nota                      503. &amp; 504. allbereit wegen der rechtmäßigen Ursachen der Ehescheidung                      mich erklähret, ingleichen was Brückner hiervon in Decisionibus juris                      matrimonialis integris capitibus 16. &amp; 25. von dieser Materie gemeldet.                      Absonderlich aber bitte ich den von Brücknero weitläufftig erzehlten casum p.                      256. biß 261. wohl zu überlegen, und 5. zu urtheilen, ob es vernünfftiger Weise                      vertheydiget werden könne, daß daselbst ein liederlicher und zwey von seinen                      Weibern grausam tractirender Ehemann dergestalt von allen beyden geschieden                      worden, daß er wieder heyrathen dörffen, dergleichen Freyheit aber denen                      abgeschiedenen Weibern unter dem praetext malitiosae desertionis vel contumaciae                      nicht verstattet werden wollen: oder ob diese beyde Urtheil nicht sehr starck                      nach denen reliquiis Papatus, so viel die Weiber betrifft, schmecken oder                      riechen?</p>
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[363/0379] unschuldigen Ehegatten, der seines Lebens bey dem andern nicht sicher gewesen, zur Wiederversöhnung und Beywohnung zwingen wollen, und wenn dieser nicht gewolt, die Ehe sub praetextu malitiosae desertionis geschieden? 4. Ob nun dieser Praetext raisonable sey? überlasse ich, wie gemeldet, weiterer Uberlegung, und wird es vielleicht in folgenden mehr Gelegenheit geben, meine Meinung hiervon etwas deutlicher zu melden. Indessen kan zum voraus gelesen werden, was ich in notis ad librum 2. Lancelotti nota 503. & 504. allbereit wegen der rechtmäßigen Ursachen der Ehescheidung mich erklähret, ingleichen was Brückner hiervon in Decisionibus juris matrimonialis integris capitibus 16. & 25. von dieser Materie gemeldet. Absonderlich aber bitte ich den von Brücknero weitläufftig erzehlten casum p. 256. biß 261. wohl zu überlegen, und 5. zu urtheilen, ob es vernünfftiger Weise vertheydiget werden könne, daß daselbst ein liederlicher und zwey von seinen Weibern grausam tractirender Ehemann dergestalt von allen beyden geschieden worden, daß er wieder heyrathen dörffen, dergleichen Freyheit aber denen abgeschiedenen Weibern unter dem praetext malitiosae desertionis vel contumaciae nicht verstattet werden wollen: oder ob diese beyde Urtheil nicht sehr starck nach denen reliquiis Papatus, so viel die Weiber betrifft, schmecken oder riechen? §. VI. Anno 1695. wurde über folgenden Handel ein Responsum von uns begehret, da ein Bräutigam seiner Braut, die ohnedem aus Furcht und halbgezwungen sich mit ihm verlobt hatte, noch vor der Hoch. zeit Unzucht zugemuthet, und sie darzu hatte forciren wollen; worauff die Braut die Ehe durchaus nicht vollziehen wollen. Die mehrern Umstände dieses Handels sind aus dem Responso selbst zu sehen, das ich in Monat Junio gemeldeten Jahres in Nahmen beyder Facultäten auffgesetzet. Der andere Handel nebst dem Responso. Als derselbe uns eine speciem facti nebst Beylagen sub B. & D. und zweyen unterschiedenen Fragen etc. etc. und zwar anfänglich auf die erste Frage etc. etc. hat Conradus von G. bey Veronicae Mutter seine Person besagte Jungfrau Veronicam zu heyrathen angetragen, die Mutter aber ohne ihrer Tochter Einwilligung ihm, daß er sich etwa 6. Wochen gedulden und hernach mit Antwort versehen werden solte, zur Antwort hinterbringen lassen; Ehe aber dieser Termin verstrichen, ist Conradus, den zu vorhero Veronica nie gesehen, auch von dessen Wesen und Gemüthe keine Kundschafft gehabt, in der Veronicae Mutter Hauß kommen, und hat sein Gewerbe fortgesetzet; ist Veronica, die alsofort, da sie Conradum gesehen u. gesprochen, bey sich verspühret, daß sie keine Ehel. Affection zu ihm würde tragen können, auch nicht zu Conrado in die Stube ferner gewolt, sondern sich absentiret und verstecket, (dessen Bericht nach) unter vielen Weinen und Seuffzen von der Mutter angetrieben, und von ihrer Mutter Bruder

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/379>, abgerufen am 27.04.2024.