Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

Bild:
<< vorherige Seite

pen konte. Mit der Mutter aber ware es gantz anders, und muste ich mit derselben eine gute Stunde zubringen, eher ich sie dahin disponiren kunte, daß Sie auff die vorgelegten Fragen categorisch oder sonst gehörig und ohne Anhang geantwortet hätte. Fragte ich Sie von Aepffeln, so antwortete Sie von Birnen; fragte ich Sie z. E. welchen Tag Sie auff den Kindtauffen gewesen wäre; so erzehlte Sie mir, wie des Kinds Vater und Mutter hiesse, und worumb Sie Ihre jüngste Tochter zu Gevattern gebeten, und wer neben Ihn Gevatter gestanden; Solte Sie Ja sagen, so sagte Sie Nein, und wenn Sie sich auff einen andern Articul bald drauff contradicirte, und ich Ihr solches remonstrirte, wolte Sie entweder die letzte Antwort corrigiren, oder wegen der ersten vorwenden, daß Sie mich nicht recht verstanden, oder wohl gar vorgeben, daß ich bey der vorhergehenden Sie nicht recht verstanden, und daß Sie das nicht gesagt, was ich nieder geschrieben hätte. u. s. w. Ich hatte dabey grosse Gedult von Nöthen, derselben diese Ihre Unartigkeit mit Glimpffe zuverweisen, und Sie zu rechte zu bringen, und drunge doch endlich damit durch, da ich in Liebe und Sanfftmuth Ihr vorstellete, daß, wenn Sie auch schon sonst gantz unschuldig, und in actis wieder Sie und Ihre Tochter keine so schwere Indicia verhanden wären, Sie doch bloß durch solche ungeschickte Antworten und Variationes so wohl sich als Ihre Tochter nothwendig auff die Tortur bringen würde. Endlich brachte ich doch, nachdem ich von forne wieder anfieng, und bey allen Fragen Ihr alle Ausschweiffungen und Irregularitäten abschnitte, eine kurtze, deutliche, auch wohl aneinander hängende Antwort, (des ohngefährden Inhalts, der gleichfalls unten bey der gerichtlichen Antwort wird zu lesen seyn) aus Ihr, die mit der Tochter Ihrer Aussage sehr wohl überein kam, daß ich also auch hierdurch bewogen wurde, zu glauben, daß so wohl Mutter als Tochter an dem von dem Amtman zu P. und der Köchin Ihnen imputirten Kinder-Mord unschuldig wären, und daß demnach der Vater die zu Erhaltung des Salvi conductus loco Cautionis zu bestellende Geld-Summa wohl wagen dürffte. Ingleichen, daß nicht das böse Gewissen und der wahre Zustand des facti, sondern die übele Zucht und Gewohnheit, nebst dem sonderlichen Naturel, die Mutter zu dergleichen Qvackeleyen, und impertinenten oder lügenhafften Antworten gebracht hätten. Indessen ware es mir doch auch lieb, daß ich der Mutter, durch glimpffliche Vorstellung der Gefahr, die Sie durch diese angewehnte Unart sich auf den Halß ziehen würde, den Kopff im so weit zurechte gesetzet hatte, weil sonsten gewiß wäre zu befahren gewesen, daß Sie in responsione judiciali ad articulos mit solchen unförmlichen Antworten

pen konte. Mit der Mutter aber ware es gantz anders, und muste ich mit derselben eine gute Stunde zubringen, eher ich sie dahin disponiren kunte, daß Sie auff die vorgelegten Fragen categorisch oder sonst gehörig und ohne Anhang geantwortet hätte. Fragte ich Sie von Aepffeln, so antwortete Sie von Birnen; fragte ich Sie z. E. welchen Tag Sie auff den Kindtauffen gewesen wäre; so erzehlte Sie mir, wie des Kinds Vater und Mutter hiesse, und worumb Sie Ihre jüngste Tochter zu Gevattern gebeten, und wer neben Ihn Gevatter gestanden; Solte Sie Ja sagen, so sagte Sie Nein, und wenn Sie sich auff einen andern Articul bald drauff contradicirte, und ich Ihr solches remonstrirte, wolte Sie entweder die letzte Antwort corrigiren, oder wegen der ersten vorwenden, daß Sie mich nicht recht verstanden, oder wohl gar vorgeben, daß ich bey der vorhergehenden Sie nicht recht verstanden, und daß Sie das nicht gesagt, was ich nieder geschrieben hätte. u. s. w. Ich hatte dabey grosse Gedult von Nöthen, derselben diese Ihre Unartigkeit mit Glimpffe zuverweisen, und Sie zu rechte zu bringen, und drunge doch endlich damit durch, da ich in Liebe und Sanfftmuth Ihr vorstellete, daß, wenn Sie auch schon sonst gantz unschuldig, und in actis wieder Sie und Ihre Tochter keine so schwere Indicia verhanden wären, Sie doch bloß durch solche ungeschickte Antworten und Variationes so wohl sich als Ihre Tochter nothwendig auff die Tortur bringen würde. Endlich brachte ich doch, nachdem ich von forne wieder anfieng, und bey allen Fragen Ihr alle Ausschweiffungen und Irregularitäten abschnitte, eine kurtze, deutliche, auch wohl aneinander hängende Antwort, (des ohngefährden Inhalts, der gleichfalls unten bey der gerichtlichen Antwort wird zu lesen seyn) aus Ihr, die mit der Tochter Ihrer Aussage sehr wohl überein kam, daß ich also auch hierdurch bewogen wurde, zu glauben, daß so wohl Mutter als Tochter an dem von dem Amtman zu P. und der Köchin Ihnen imputirten Kinder-Mord unschuldig wären, und daß demnach der Vater die zu Erhaltung des Salvi conductus loco Cautionis zu bestellende Geld-Summa wohl wagen dürffte. Ingleichen, daß nicht das böse Gewissen und der wahre Zustand des facti, sondern die übele Zucht und Gewohnheit, nebst dem sonderlichen Naturel, die Mutter zu dergleichen Qvackeleyen, und impertinenten oder lügenhafften Antworten gebracht hätten. Indessen ware es mir doch auch lieb, daß ich der Mutter, durch glimpffliche Vorstellung der Gefahr, die Sie durch diese angewehnte Unart sich auf den Halß ziehen würde, den Kopff im so weit zurechte gesetzet hatte, weil sonsten gewiß wäre zu befahren gewesen, daß Sie in responsione judiciali ad articulos mit solchen unförmlichen Antworten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0035" n="19"/>
pen konte.                      Mit der Mutter aber ware es gantz anders, und muste ich mit derselben eine gute                      Stunde zubringen, eher ich sie dahin disponiren kunte, daß Sie auff die                      vorgelegten Fragen categorisch oder sonst gehörig und ohne Anhang geantwortet                      hätte. Fragte ich Sie von Aepffeln, so antwortete Sie von Birnen; fragte ich Sie                      z. E. welchen Tag Sie auff den Kindtauffen gewesen wäre; so erzehlte Sie mir,                      wie des Kinds Vater und Mutter hiesse, und worumb Sie Ihre jüngste Tochter zu                      Gevattern gebeten, und wer neben Ihn Gevatter gestanden; Solte Sie Ja sagen, so                      sagte Sie Nein, und wenn Sie sich auff einen andern Articul bald drauff                      contradicirte, und ich Ihr solches remonstrirte, wolte Sie entweder die letzte                      Antwort corrigiren, oder wegen der ersten vorwenden, daß Sie mich nicht recht                      verstanden, oder wohl gar vorgeben, daß ich bey der vorhergehenden Sie nicht                      recht verstanden, und daß Sie das nicht gesagt, was ich nieder geschrieben                      hätte. u. s. w. Ich hatte dabey grosse Gedult von Nöthen, derselben diese Ihre                      Unartigkeit mit Glimpffe zuverweisen, und Sie zu rechte zu bringen, und drunge                      doch endlich damit durch, da ich in Liebe und Sanfftmuth Ihr vorstellete, daß,                      wenn Sie auch schon sonst gantz unschuldig, und in actis wieder Sie und Ihre                      Tochter keine so schwere Indicia verhanden wären, Sie doch bloß durch solche                      ungeschickte Antworten und Variationes so wohl sich als Ihre Tochter nothwendig                      auff die Tortur bringen würde. Endlich brachte ich doch, nachdem ich von forne                      wieder anfieng, und bey allen Fragen Ihr alle Ausschweiffungen und                      Irregularitäten abschnitte, eine kurtze, deutliche, auch wohl aneinander                      hängende Antwort, (des ohngefährden Inhalts, der gleichfalls unten bey der                      gerichtlichen Antwort wird zu lesen seyn) aus Ihr, die mit der Tochter Ihrer                      Aussage sehr wohl überein kam, daß ich also auch hierdurch bewogen wurde, zu                      glauben, daß so wohl Mutter als Tochter an dem von dem Amtman zu P. und der                      Köchin Ihnen imputirten Kinder-Mord unschuldig wären, und daß demnach der Vater                      die zu Erhaltung des Salvi conductus loco Cautionis zu bestellende Geld-Summa                      wohl wagen dürffte. Ingleichen, daß nicht das böse Gewissen und der wahre                      Zustand des facti, sondern die übele Zucht und Gewohnheit, nebst dem                      sonderlichen Naturel, die Mutter zu dergleichen Qvackeleyen, und impertinenten                      oder lügenhafften Antworten gebracht hätten. Indessen ware es mir doch auch                      lieb, daß ich der Mutter, durch glimpffliche Vorstellung der Gefahr, die Sie                      durch diese angewehnte Unart sich auf den Halß ziehen würde, den Kopff im so                      weit zurechte gesetzet hatte, weil sonsten gewiß wäre zu befahren gewesen, daß                      Sie in responsione judiciali ad articulos mit solchen unförmlichen Antworten
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0035] pen konte. Mit der Mutter aber ware es gantz anders, und muste ich mit derselben eine gute Stunde zubringen, eher ich sie dahin disponiren kunte, daß Sie auff die vorgelegten Fragen categorisch oder sonst gehörig und ohne Anhang geantwortet hätte. Fragte ich Sie von Aepffeln, so antwortete Sie von Birnen; fragte ich Sie z. E. welchen Tag Sie auff den Kindtauffen gewesen wäre; so erzehlte Sie mir, wie des Kinds Vater und Mutter hiesse, und worumb Sie Ihre jüngste Tochter zu Gevattern gebeten, und wer neben Ihn Gevatter gestanden; Solte Sie Ja sagen, so sagte Sie Nein, und wenn Sie sich auff einen andern Articul bald drauff contradicirte, und ich Ihr solches remonstrirte, wolte Sie entweder die letzte Antwort corrigiren, oder wegen der ersten vorwenden, daß Sie mich nicht recht verstanden, oder wohl gar vorgeben, daß ich bey der vorhergehenden Sie nicht recht verstanden, und daß Sie das nicht gesagt, was ich nieder geschrieben hätte. u. s. w. Ich hatte dabey grosse Gedult von Nöthen, derselben diese Ihre Unartigkeit mit Glimpffe zuverweisen, und Sie zu rechte zu bringen, und drunge doch endlich damit durch, da ich in Liebe und Sanfftmuth Ihr vorstellete, daß, wenn Sie auch schon sonst gantz unschuldig, und in actis wieder Sie und Ihre Tochter keine so schwere Indicia verhanden wären, Sie doch bloß durch solche ungeschickte Antworten und Variationes so wohl sich als Ihre Tochter nothwendig auff die Tortur bringen würde. Endlich brachte ich doch, nachdem ich von forne wieder anfieng, und bey allen Fragen Ihr alle Ausschweiffungen und Irregularitäten abschnitte, eine kurtze, deutliche, auch wohl aneinander hängende Antwort, (des ohngefährden Inhalts, der gleichfalls unten bey der gerichtlichen Antwort wird zu lesen seyn) aus Ihr, die mit der Tochter Ihrer Aussage sehr wohl überein kam, daß ich also auch hierdurch bewogen wurde, zu glauben, daß so wohl Mutter als Tochter an dem von dem Amtman zu P. und der Köchin Ihnen imputirten Kinder-Mord unschuldig wären, und daß demnach der Vater die zu Erhaltung des Salvi conductus loco Cautionis zu bestellende Geld-Summa wohl wagen dürffte. Ingleichen, daß nicht das böse Gewissen und der wahre Zustand des facti, sondern die übele Zucht und Gewohnheit, nebst dem sonderlichen Naturel, die Mutter zu dergleichen Qvackeleyen, und impertinenten oder lügenhafften Antworten gebracht hätten. Indessen ware es mir doch auch lieb, daß ich der Mutter, durch glimpffliche Vorstellung der Gefahr, die Sie durch diese angewehnte Unart sich auf den Halß ziehen würde, den Kopff im so weit zurechte gesetzet hatte, weil sonsten gewiß wäre zu befahren gewesen, daß Sie in responsione judiciali ad articulos mit solchen unförmlichen Antworten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in TEI. (2012-11-23T14:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme der Wolfenbütteler Digitalen Bibliothek entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-23T14:00:00Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-23T14:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/35
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/35>, abgerufen am 19.04.2024.