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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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Ich will zur Illustrirung dieses Satzes: folgende Casus, zur rechtlichen31. Welches er mit einem Gleichnis von allerhand Mißgeburten bescheniget. Erweg-und Entscheidung fürgeben. Es bringet eine auff dem Lande lebende und mit allerhand Vieh umgehende Sechswöchnerin, ein gar unförmliches und mit Viehischen Gliedern verheßlichtes Töchterlein zur Welt: in dessen Ausarbeitung, die Natur eben so über die Schnur gehauen; quam

Humano Capiti, cervicem Pictor equinam Jungere si velit, & varias inducere Plumas, Undeque collatis Membris, ut turpiter atrum Desinat in piscem, Mulier formosa superne.

Item: eine Dame, die einen lieblichen Capuciner zum Beicht-Vater: einen wohl tournirten Mohren zum Cammer-Diener hätte: beglückseeligte ihren Ehegemahl mit einem hochgebohrnen Bett-und Lehn-Erben, der auff dem Haupt eine Münchs-Kutte: in der Hand einen Rosen-Crantz mitbrächte: und von so schwartzer Couleur wäre, als wann die in der Zona Torrida roulirende Sonne, ihn gefärbet; Oder es würde von einer andern Frauen, gar eine Frucht gebohren, die wie der Satan abconterfeiet zu werden pfleget: mit Hörnern, Küh-Füssen und dergleichen Merckzeichen gestaltet und embelliret wäre; ist nun die Frage: ob wegen dieser deformen Creaturen, die erste: einer Sodomiterey, mit denen Bestien, derer notas characteristicas ihr Kind vortrüge; die andere: eines Ehebruchs, daß sie etwa mit ihrem Directeur de Conscience, in einer fleischlichen Kniebeugung ein venerisches Ave Maria oder Salve Pater, mit vereinigten Lippen gesprochen: oder gar ihre Empfängnis von der Infusion eines hitzigen Africaners genossen: Endlich die dritte: einer actuellen Vermischung und Liebes-Conferentz mit dem unsichtbahren Fürsten der Lufft, und Herrn des Riesen-Gebürges; beschuldiget, angeklaget, verdammet und gerichtet werden könten? Die vernünfftige Welt-Weisheit: Gottes- und Rechts-Gelahrheit: löset diese dreyfache Zweiffels-Knoten, nach fleißiger Erforschung derer Umstände, mit dem Voto Negativo auff: und absolviret die drey Frauen, von der peinlichen Anklage. Die Ratio Decidendi ist: daß obwohl allegirte drey Sechswöcherinnen: (1) durch ihre irregulaire Einbildungs-Krafft das meiste, zu den beschriebenen ausserordentlichen Leibes-Früchten beygetragen: über das (2) sie selbige, durch ihre Gebährung zum würcklichen Vorschein und in die Augen der Welt gestellet hätten; Könten diese Errata Naturae: ihnen gar nicht als Consectaria und Folgerungen verbothener und straffbarer Debauchen: in denen sie sich active & passive criminaliter auffgeführet hätten; zugerechnet werden; sondern sie musten in regard

Ich will zur Illustrirung dieses Satzes: folgende Casus, zur rechtlichen31. Welches er mit einem Gleichnis von allerhand Mißgeburten bescheniget. Erweg-und Entscheidung fürgeben. Es bringet eine auff dem Lande lebende und mit allerhand Vieh umgehende Sechswöchnerin, ein gar unförmliches und mit Viehischen Gliedern verheßlichtes Töchterlein zur Welt: in dessen Ausarbeitung, die Natur eben so über die Schnur gehauen; quam

Humano Capiti, cervicem Pictor equinam Jungere si velit, & varias inducere Plumas, Undeque collatis Membris, ut turpiter atrum Desinat in piscem, Mulier formosa superne.

Item: eine Dame, die einen lieblichen Capuciner zum Beicht-Vater: einen wohl tournirten Mohren zum Cammer-Diener hätte: beglückseeligte ihren Ehegemahl mit einem hochgebohrnen Bett-und Lehn-Erben, der auff dem Haupt eine Münchs-Kutte: in der Hand einen Rosen-Crantz mitbrächte: und von so schwartzer Couleur wäre, als wann die in der Zona Torrida roulirende Sonne, ihn gefärbet; Oder es würde von einer andern Frauen, gar eine Frucht gebohren, die wie der Satan abconterfeiet zu werden pfleget: mit Hörnern, Küh-Füssen und dergleichen Merckzeichen gestaltet und embelliret wäre; ist nun die Frage: ob wegen dieser deformen Creaturen, die erste: einer Sodomiterey, mit denen Bestien, derer notas characteristicas ihr Kind vortrüge; die andere: eines Ehebruchs, daß sie etwa mit ihrem Directeur de Conscience, in einer fleischlichen Kniebeugung ein venerisches Ave Maria oder Salve Pater, mit vereinigten Lippen gesprochen: oder gar ihre Empfängnis von der Infusion eines hitzigen Africaners genossen: Endlich die dritte: einer actuellen Vermischung und Liebes-Conferentz mit dem unsichtbahren Fürsten der Lufft, und Herrn des Riesen-Gebürges; beschuldiget, angeklaget, verdammet und gerichtet werden könten? Die vernünfftige Welt-Weisheit: Gottes- und Rechts-Gelahrheit: löset diese dreyfache Zweiffels-Knoten, nach fleißiger Erforschung derer Umstände, mit dem Voto Negativo auff: und absolviret die drey Frauen, von der peinlichen Anklage. Die Ratio Decidendi ist: daß obwohl allegirte drey Sechswöcherinnen: (1) durch ihre irregulaire Einbildungs-Krafft das meiste, zu den beschriebenen ausserordentlichen Leibes-Früchten beygetragen: über das (2) sie selbige, durch ihre Gebährung zum würcklichen Vorschein und in die Augen der Welt gestellet hätten; Könten diese Errata Naturae: ihnen gar nicht als Consectaria und Folgerungen verbothener und straffbarer Debauchen: in denen sie sich active & passive criminaliter auffgeführet hätten; zugerechnet werden; sondern sie musten in regard

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[287/0303] Ich will zur Illustrirung dieses Satzes: folgende Casus, zur rechtlichen Erweg-und Entscheidung fürgeben. Es bringet eine auff dem Lande lebende und mit allerhand Vieh umgehende Sechswöchnerin, ein gar unförmliches und mit Viehischen Gliedern verheßlichtes Töchterlein zur Welt: in dessen Ausarbeitung, die Natur eben so über die Schnur gehauen; quam 31. Welches er mit einem Gleichnis von allerhand Mißgeburten bescheniget. Humano Capiti, cervicem Pictor equinam Jungere si velit, & varias inducere Plumas, Undeque collatis Membris, ut turpiter atrum Desinat in piscem, Mulier formosa superne. Item: eine Dame, die einen lieblichen Capuciner zum Beicht-Vater: einen wohl tournirten Mohren zum Cammer-Diener hätte: beglückseeligte ihren Ehegemahl mit einem hochgebohrnen Bett-und Lehn-Erben, der auff dem Haupt eine Münchs-Kutte: in der Hand einen Rosen-Crantz mitbrächte: und von so schwartzer Couleur wäre, als wann die in der Zona Torrida roulirende Sonne, ihn gefärbet; Oder es würde von einer andern Frauen, gar eine Frucht gebohren, die wie der Satan abconterfeiet zu werden pfleget: mit Hörnern, Küh-Füssen und dergleichen Merckzeichen gestaltet und embelliret wäre; ist nun die Frage: ob wegen dieser deformen Creaturen, die erste: einer Sodomiterey, mit denen Bestien, derer notas characteristicas ihr Kind vortrüge; die andere: eines Ehebruchs, daß sie etwa mit ihrem Directeur de Conscience, in einer fleischlichen Kniebeugung ein venerisches Ave Maria oder Salve Pater, mit vereinigten Lippen gesprochen: oder gar ihre Empfängnis von der Infusion eines hitzigen Africaners genossen: Endlich die dritte: einer actuellen Vermischung und Liebes-Conferentz mit dem unsichtbahren Fürsten der Lufft, und Herrn des Riesen-Gebürges; beschuldiget, angeklaget, verdammet und gerichtet werden könten? Die vernünfftige Welt-Weisheit: Gottes- und Rechts-Gelahrheit: löset diese dreyfache Zweiffels-Knoten, nach fleißiger Erforschung derer Umstände, mit dem Voto Negativo auff: und absolviret die drey Frauen, von der peinlichen Anklage. Die Ratio Decidendi ist: daß obwohl allegirte drey Sechswöcherinnen: (1) durch ihre irregulaire Einbildungs-Krafft das meiste, zu den beschriebenen ausserordentlichen Leibes-Früchten beygetragen: über das (2) sie selbige, durch ihre Gebährung zum würcklichen Vorschein und in die Augen der Welt gestellet hätten; Könten diese Errata Naturae: ihnen gar nicht als Consectaria und Folgerungen verbothener und straffbarer Debauchen: in denen sie sich active & passive criminaliter auffgeführet hätten; zugerechnet werden; sondern sie musten in regard

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/303>, abgerufen am 22.11.2024.