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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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AD PRIMAM, SECUNDAM, TERTIAM.

Die anfänglich in ratione dubitandi 1. 2. 3. so weitläufftig beschriebene, und öffters urgirte, auch in der specie facti mit vielen NB. bezeichnete Erinnerung, daß er das Tractätgen nicht als ein Philosophus Christianus, sondern als ein Philosophus Ethnicus geschrieben, und zwar zu dem Ende, damit die Christen Gelegenheit bekämen, die Warheit der Christlichen Lehre wider diese Heydnischen Lehr-Sätze zu schützen, ist so ein elender und unzulänglicher praetext, daß man sich billich wundern muß, wie es möglich seyn könne, daß ein vernünfftiger Mann, mit dergleichen Vorgeben einem Magistrat einer Reichs-Stadt, einem Ministerio, und einem Collegio Juridico damit die Augen zu verblenden, sich möge in den Sinn kommen lassen. Denn entweder der Autor will ein Christ seyn, und hat sich nur als einen Heydnischen Philosophen gestellet, oder aber er ist würcklich ein Heydnischer Philosophus und kein Christ. Beydes kan ihn zu seiner Entschuldigung nichts helffen, noch des Magistrats und des Ministerii Verfahren mit ihm und seiner Schrifft etwas schaden. Hat er sich so angestellet als ein Heydnischer Philosophus, so muß er sich auch gefallen lassen, daß man ihn das Tractament gegeben, das einem Heydnischen Philosopho gebühret, und so wenig derjenige, der sich stellet ein Spitzbube zu seyn, den Magistrat belangenkan, wenn er ihn, wie einen Spitzbuben tractiret, so wenig kan auch derjenige Christ, der sich anstellet ein Heydnischer Philosophe zu seyn, und Heydnische Dinge lehret, den Magistrat beschuldigen, wenn sie ihn dasjenige wiederfahren lassen, was einem Heydnischen Philosopho gehöret. Ist er aber in der That ein Heydnischer Philosophus, und hat sich nur bißher gestellt als wäre er ein Christe, so hat die Obrigkeit noch allzugelinde mit ihn verfahren, indem das simulirte Christenthum mehrern Schaden bey andern verursachen können, als wenn er sich offenbahr für einen Heyden ausgegeben hätte. Die vorgeschützte intention, daß dadurch Gelegenheit gegeben werde, die Heydnischen und Atheistischen Irrthümer zu refutiren, mag Titio auch so wenig zu statten kommen, als wenn einer, der heimlicher Weise die Brunnen vergiftete, sich damit schützen wolte, als wann er solches aus guter intention gethan, damit die Herren Medici Gelegenheit bekommen solten, mit ihren Medicamenten die Krafft und Würckungen des Giffts zu vertreiben. Die Unzulänglichkeit der ab exceptione fori incompetentis hergenommenen AD QUAR. TAM.4. rationis dubitandi erhellet ebenmäßig aus vielen Ursachen. Denn anfänglich ist ein grosser Unterscheid unter einen gewesenen und noch gegenwärtig seyenden Fürstlichen Rath, und wenn gleich Passagierer, die in einer freyen Stadt für ihr Geld zehren, kein forum domi-

AD PRIMAM, SECUNDAM, TERTIAM.

Die anfänglich in ratione dubitandi 1. 2. 3. so weitläufftig beschriebene, und öffters urgirte, auch in der specie facti mit vielen NB. bezeichnete Erinnerung, daß er das Tractätgen nicht als ein Philosophus Christianus, sondern als ein Philosophus Ethnicus geschrieben, und zwar zu dem Ende, damit die Christen Gelegenheit bekämen, die Warheit der Christlichen Lehre wider diese Heydnischen Lehr-Sätze zu schützen, ist so ein elender und unzulänglicher praetext, daß man sich billich wundern muß, wie es möglich seyn könne, daß ein vernünfftiger Mann, mit dergleichen Vorgeben einem Magistrat einer Reichs-Stadt, einem Ministerio, und einem Collegio Juridico damit die Augen zu verblenden, sich möge in den Sinn kommen lassen. Denn entweder der Autor will ein Christ seyn, und hat sich nur als einen Heydnischen Philosophen gestellet, oder aber er ist würcklich ein Heydnischer Philosophus und kein Christ. Beydes kan ihn zu seiner Entschuldigung nichts helffen, noch des Magistrats und des Ministerii Verfahren mit ihm und seiner Schrifft etwas schaden. Hat er sich so angestellet als ein Heydnischer Philosophus, so muß er sich auch gefallen lassen, daß man ihn das Tractament gegeben, das einem Heydnischen Philosopho gebühret, und so wenig derjenige, der sich stellet ein Spitzbube zu seyn, den Magistrat belangenkan, wenn er ihn, wie einen Spitzbuben tractiret, so wenig kan auch derjenige Christ, der sich anstellet ein Heydnischer Philosophe zu seyn, und Heydnische Dinge lehret, den Magistrat beschuldigen, wenn sie ihn dasjenige wiederfahren lassen, was einem Heydnischen Philosopho gehöret. Ist er aber in der That ein Heydnischer Philosophus, und hat sich nur bißher gestellt als wäre er ein Christe, so hat die Obrigkeit noch allzugelinde mit ihn verfahren, indem das simulirte Christenthum mehrern Schaden bey andern verursachen können, als wenn er sich offenbahr für einen Heyden ausgegeben hätte. Die vorgeschützte intention, daß dadurch Gelegenheit gegeben werde, die Heydnischen und Atheistischen Irrthümer zu refutiren, mag Titio auch so wenig zu statten kommen, als wenn einer, der heimlicher Weise die Brunnen vergiftete, sich damit schützen wolte, als wann er solches aus guter intention gethan, damit die Herren Medici Gelegenheit bekommen solten, mit ihren Medicamenten die Krafft und Würckungen des Giffts zu vertreiben. Die Unzulänglichkeit der ab exceptione fori incompetentis hergenommenen AD QUAR. TAM.4. rationis dubitandi erhellet ebenmäßig aus vielen Ursachen. Denn anfänglich ist ein grosser Unterscheid unter einen gewesenen und noch gegenwärtig seyenden Fürstlichen Rath, und wenn gleich Passagierer, die in einer freyen Stadt für ihr Geld zehren, kein forum domi-

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[260/0276] Die anfänglich in ratione dubitandi 1. 2. 3. so weitläufftig beschriebene, und öffters urgirte, auch in der specie facti mit vielen NB. bezeichnete Erinnerung, daß er das Tractätgen nicht als ein Philosophus Christianus, sondern als ein Philosophus Ethnicus geschrieben, und zwar zu dem Ende, damit die Christen Gelegenheit bekämen, die Warheit der Christlichen Lehre wider diese Heydnischen Lehr-Sätze zu schützen, ist so ein elender und unzulänglicher praetext, daß man sich billich wundern muß, wie es möglich seyn könne, daß ein vernünfftiger Mann, mit dergleichen Vorgeben einem Magistrat einer Reichs-Stadt, einem Ministerio, und einem Collegio Juridico damit die Augen zu verblenden, sich möge in den Sinn kommen lassen. Denn entweder der Autor will ein Christ seyn, und hat sich nur als einen Heydnischen Philosophen gestellet, oder aber er ist würcklich ein Heydnischer Philosophus und kein Christ. Beydes kan ihn zu seiner Entschuldigung nichts helffen, noch des Magistrats und des Ministerii Verfahren mit ihm und seiner Schrifft etwas schaden. Hat er sich so angestellet als ein Heydnischer Philosophus, so muß er sich auch gefallen lassen, daß man ihn das Tractament gegeben, das einem Heydnischen Philosopho gebühret, und so wenig derjenige, der sich stellet ein Spitzbube zu seyn, den Magistrat belangenkan, wenn er ihn, wie einen Spitzbuben tractiret, so wenig kan auch derjenige Christ, der sich anstellet ein Heydnischer Philosophe zu seyn, und Heydnische Dinge lehret, den Magistrat beschuldigen, wenn sie ihn dasjenige wiederfahren lassen, was einem Heydnischen Philosopho gehöret. Ist er aber in der That ein Heydnischer Philosophus, und hat sich nur bißher gestellt als wäre er ein Christe, so hat die Obrigkeit noch allzugelinde mit ihn verfahren, indem das simulirte Christenthum mehrern Schaden bey andern verursachen können, als wenn er sich offenbahr für einen Heyden ausgegeben hätte. Die vorgeschützte intention, daß dadurch Gelegenheit gegeben werde, die Heydnischen und Atheistischen Irrthümer zu refutiren, mag Titio auch so wenig zu statten kommen, als wenn einer, der heimlicher Weise die Brunnen vergiftete, sich damit schützen wolte, als wann er solches aus guter intention gethan, damit die Herren Medici Gelegenheit bekommen solten, mit ihren Medicamenten die Krafft und Würckungen des Giffts zu vertreiben. Die Unzulänglichkeit der ab exceptione fori incompetentis hergenommenen 4. rationis dubitandi erhellet ebenmäßig aus vielen Ursachen. Denn anfänglich ist ein grosser Unterscheid unter einen gewesenen und noch gegenwärtig seyenden Fürstlichen Rath, und wenn gleich Passagierer, die in einer freyen Stadt für ihr Geld zehren, kein forum domi- AD QUAR. TAM.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/276>, abgerufen am 23.11.2024.