Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.dieser Geschichte kan auch aus der alten Fabel von dem Podagra und der Spinne, die mit einander gereiset, und wie mir dünckt, bey dem Luciano zu finden ist, bestärcket werden etc. XXI. Handel. Straffe eines alten Mannes, der einem Juden ein Kind verkauffen wollen. §. I. ICh werde vielleicht bey einem andern Handel bessere GelegenheitGeneral Anmerckung von den Juden. haben, von den unterschiedenen Meinungen der Gelehrten von der Juden Ihren Zustand, toleranz derselben, Umgang mit Ihnen, Ihrer Bekehrung, u. s. w. meine Gedancken kurtz und deutlich zu entdecken. Jetzo will ich nur wegen des gegenwärtigen Handels dasjenige berühren, was man schon längst von denen Juden gesagt, daß Sie suchten Christen-Kinder an sich zu kauffen, und derselben Blut zu vergiessen, weil Sie dieses Blut zu allerhand Aberglauben von nöthen hatten, und ist die legenda darvon, und was Anno 1475. dieserwegen mit denen Juden passiret, unter andern in Joh. Ludewig Gottfrieds Chronica der vier Monarchien zu lesen, und die Tötung eines Christen-Kindes, wie Sie von denen Juden damahls geschehen seyn soll, in einen saubern Kupfer abgebildet. Ich meines Orts kan wohl gestehen, daß ich schon vor mehr als dreißig Jahren dafür gehalten, daß dieses eine pure Lügen sey, und daß man denen Jüden in diesem Stück unrecht gethan, ob gleich jederman, der mich kennet, weiß, daß ich sonst kein sonderlicher Gönner der Jüden bin, auch mit Ihnen nichts zu thun habe. Nachhero hat der Herr Wagenseil Anno 1707. einen absonderlichen Tractat dißfalls ediret, und seiner so genannten Hoffnung der Erlösung Israelis beydrücken lassen, in welchen er gar deutlich weiset, daß denen Jüden fälschlich beygemessen werde, daß Sie Christen-Blut nach Ihren Aberglauben benöthigt wären. Und ob wohl Eisenmenger in seinem Entdeckten Jüdenthum Part. 2. p. 222. es mit der gemeinen Meinung hält, so halte ich doch des Herrn Wagenseils Meinung für wahrscheinlicher, ob ich gleich deßwegen nicht alle Exempel, daß ein Jude einen Christen, oder auch ein Christen-Kind umgebracht haben soll, für falsch halten will, sondern so wohl glaube, daß ein Jüde aus Haß oder aus Gewinn- dieser Geschichte kan auch aus der alten Fabel von dem Podagra und der Spinne, die mit einander gereiset, und wie mir dünckt, bey dem Luciano zu finden ist, bestärcket werden etc. XXI. Handel. Straffe eines alten Mannes, der einem Juden ein Kind verkauffen wollen. §. I. ICh werde vielleicht bey einem andern Handel bessere GelegenheitGeneral Anmerckung von den Juden. haben, von den unterschiedenen Meinungen der Gelehrten von der Juden Ihren Zustand, toleranz derselben, Umgang mit Ihnen, Ihrer Bekehrung, u. s. w. meine Gedancken kurtz und deutlich zu entdecken. Jetzo will ich nur wegen des gegenwärtigen Handels dasjenige berühren, was man schon längst von denen Juden gesagt, daß Sie suchten Christen-Kinder an sich zu kauffen, und derselben Blut zu vergiessen, weil Sie dieses Blut zu allerhand Aberglauben von nöthen hatten, und ist die legenda darvon, und was Anno 1475. dieserwegen mit denen Juden passiret, unter andern in Joh. Ludewig Gottfrieds Chronica der vier Monarchien zu lesen, und die Tötung eines Christen-Kindes, wie Sie von denen Juden damahls geschehen seyn soll, in einen saubern Kupfer abgebildet. Ich meines Orts kan wohl gestehen, daß ich schon vor mehr als dreißig Jahren dafür gehalten, daß dieses eine pure Lügen sey, und daß man denen Jüden in diesem Stück unrecht gethan, ob gleich jederman, der mich kennet, weiß, daß ich sonst kein sonderlicher Gönner der Jüden bin, auch mit Ihnen nichts zu thun habe. Nachhero hat der Herr Wagenseil Anno 1707. einen absonderlichen Tractat dißfalls ediret, und seiner so genannten Hoffnung der Erlösung Israelis beydrücken lassen, in welchen er gar deutlich weiset, daß denen Jüden fälschlich beygemessen werde, daß Sie Christen-Blut nach Ihren Aberglauben benöthigt wären. Und ob wohl Eisenmenger in seinem Entdeckten Jüdenthum Part. 2. p. 222. es mit der gemeinen Meinung hält, so halte ich doch des Herrn Wagenseils Meinung für wahrscheinlicher, ob ich gleich deßwegen nicht alle Exempel, daß ein Jude einen Christen, oder auch ein Christen-Kind umgebracht haben soll, für falsch halten will, sondern so wohl glaube, daß ein Jüde aus Haß oder aus Gewinn- <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0239" n="223"/> dieser Geschichte kan auch aus der alten Fabel von dem Podagra und der Spinne, die mit einander gereiset, und wie mir dünckt, bey dem Luciano zu finden ist, bestärcket werden etc.</p> </div> <div> <head>XXI. Handel. Straffe eines alten Mannes, der einem Juden ein Kind verkauffen wollen.</head><lb/> </div> <div> <head>§. 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Ich meines Orts kan wohl gestehen, daß ich schon vor mehr als dreißig Jahren dafür gehalten, daß dieses eine pure Lügen sey, und daß man denen Jüden in diesem Stück unrecht gethan, ob gleich jederman, der mich kennet, weiß, daß ich sonst kein sonderlicher Gönner der Jüden bin, auch mit Ihnen nichts zu thun habe. Nachhero hat der Herr Wagenseil Anno 1707. einen absonderlichen Tractat dißfalls ediret, und seiner so genannten Hoffnung der Erlösung Israelis beydrücken lassen, in welchen er gar deutlich weiset, daß denen Jüden fälschlich beygemessen werde, daß Sie Christen-Blut nach Ihren Aberglauben benöthigt wären. Und ob wohl Eisenmenger in seinem Entdeckten Jüdenthum Part. 2. p. 222. es mit der gemeinen Meinung hält, so halte ich doch des Herrn Wagenseils Meinung für wahrscheinlicher, ob ich gleich deßwegen nicht alle Exempel, daß ein Jude einen Christen, oder auch ein Christen-Kind umgebracht haben soll, für falsch halten will, sondern so wohl glaube, daß ein Jüde aus Haß oder aus Gewinn- </p> </div> </body> </text> </TEI> [223/0239]
dieser Geschichte kan auch aus der alten Fabel von dem Podagra und der Spinne, die mit einander gereiset, und wie mir dünckt, bey dem Luciano zu finden ist, bestärcket werden etc.
XXI. Handel. Straffe eines alten Mannes, der einem Juden ein Kind verkauffen wollen.
§. I.
ICh werde vielleicht bey einem andern Handel bessere Gelegenheit haben, von den unterschiedenen Meinungen der Gelehrten von der Juden Ihren Zustand, toleranz derselben, Umgang mit Ihnen, Ihrer Bekehrung, u. s. w. meine Gedancken kurtz und deutlich zu entdecken. Jetzo will ich nur wegen des gegenwärtigen Handels dasjenige berühren, was man schon längst von denen Juden gesagt, daß Sie suchten Christen-Kinder an sich zu kauffen, und derselben Blut zu vergiessen, weil Sie dieses Blut zu allerhand Aberglauben von nöthen hatten, und ist die legenda darvon, und was Anno 1475. dieserwegen mit denen Juden passiret, unter andern in Joh. Ludewig Gottfrieds Chronica der vier Monarchien zu lesen, und die Tötung eines Christen-Kindes, wie Sie von denen Juden damahls geschehen seyn soll, in einen saubern Kupfer abgebildet. Ich meines Orts kan wohl gestehen, daß ich schon vor mehr als dreißig Jahren dafür gehalten, daß dieses eine pure Lügen sey, und daß man denen Jüden in diesem Stück unrecht gethan, ob gleich jederman, der mich kennet, weiß, daß ich sonst kein sonderlicher Gönner der Jüden bin, auch mit Ihnen nichts zu thun habe. Nachhero hat der Herr Wagenseil Anno 1707. einen absonderlichen Tractat dißfalls ediret, und seiner so genannten Hoffnung der Erlösung Israelis beydrücken lassen, in welchen er gar deutlich weiset, daß denen Jüden fälschlich beygemessen werde, daß Sie Christen-Blut nach Ihren Aberglauben benöthigt wären. Und ob wohl Eisenmenger in seinem Entdeckten Jüdenthum Part. 2. p. 222. es mit der gemeinen Meinung hält, so halte ich doch des Herrn Wagenseils Meinung für wahrscheinlicher, ob ich gleich deßwegen nicht alle Exempel, daß ein Jude einen Christen, oder auch ein Christen-Kind umgebracht haben soll, für falsch halten will, sondern so wohl glaube, daß ein Jüde aus Haß oder aus Gewinn-
General Anmerckung von den Juden.
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/239>, abgerufen am 04.07.2024. |