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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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bus für sich das Tobacks-Rauchen auf einmahl würde einstellen können, er würde sich aber eines baldigen Todes zu versehen haben, wenn er nicht alsbald anfieng, dasselbige zu mäßigen, und schlug Ihm vor, daß er so viel thun, und des folgenden Tags anfangen solte bey Stopffung einer jeden Pfeiffe einen neuen Strich auff das Papier zu machen, und wenn er zu Bette gieng, diese Striche zu zehlen, und den folgenden Tag, oder doch Anfangs allemahl über den andern Tag eine Pfeiffe weniger zu rauchen als vorher, biß er zu einer proportionirlichen und seiner Gesundheit nicht schädlichen wenigen Anzahl die Sache gebracht hätte. Aber er war auch dieses durch die Gewohnheit nicht mehr fähig zu thun, und starb darauff in wenig Jahren.

Ursache der einen dem Urtheil angehengten clausul.

§. VI. Nun ware wohl freylich bey diesem letzten casu die Hauptursache, weil dieser junge Mensch sui juris war, und keinen superiorem hatte, der Ihn zum Gebrauch des vorgeschlagenen Mittels forciret hätte, wannenhero auch meine Herren Collegen dafür gehalten, daß es dem Prediger quaestionis für sich ohnmöglich wäre, sich den Gebrauch des Brandteweins abzugewöhnen, und haben dannenhero nebst andern auch aus dieser Ursache, in das Urtheil die letzte clausul einzurücken geschlossen, daß man Ihn im Gefängniß durch Reichung Wasser und Brodt darzu anhalten und gleichsam forciren solte. Gleichwie ich aber weiter keine Nachricht erhalten, wie die Sache abgelauffen; Also zweiffle ich doch, daß dieses Mittel viel dürffte ausgerichtet haben. Die Ursachen meines Zweiffels können vermuthlich aus dem, was bißhero angeführet worden, leichtlich abgenommen werden; jetzo will ich nur melden, was Sie etwan vernünfftig bewogen, anderer Meinung zu seyn. Es ist aus der Historie bekant, daß vor etliche hundert Jahren, da in Deutschland noch kein Land-Friede eingeführt war, es geschahe, daß eine Adeliche Person einen Abt gefangen bekommen, und Ihn, biß er sich ranzioniret, nur mit Wasser und Brod speisen lassen, welches sich etliche Wochen verzogen. Als nun die Ranzion angelanget, und der Abt von dem Edelmann Abschied nahm, versahe er es, daß er sich gegen diesen für das Tractament mit Wasser und Brodt bedanckte, mit der beygefügten Ursache, daß er bißher etliche Jahr her von dem Podagra vielfältig geplagt worden, und daran grosse Schmertzen ausgestanden hätte; aber das Wasser und Brod habe Ihn völlig curirt, und getraue er sich nunmehro durch mäßige Speise und Tranck in dieser Gesundheit zu erhalten. Der Edelmann antwortete hierauff, er habe diesen Umstand bey determinirung der Ranzion nicht gewust, und sey nicht mehr dann billich, daß Ihm der Abt auch das Artzt-Lohn a part bezahle etc. Die Wahrscheinlichkeit

bus für sich das Tobacks-Rauchen auf einmahl würde einstellen können, er würde sich aber eines baldigen Todes zu versehen haben, wenn er nicht alsbald anfieng, dasselbige zu mäßigen, und schlug Ihm vor, daß er so viel thun, und des folgenden Tags anfangen solte bey Stopffung einer jeden Pfeiffe einen neuen Strich auff das Papier zu machen, und wenn er zu Bette gieng, diese Striche zu zehlen, und den folgenden Tag, oder doch Anfangs allemahl über den andern Tag eine Pfeiffe weniger zu rauchen als vorher, biß er zu einer proportionirlichen und seiner Gesundheit nicht schädlichen wenigen Anzahl die Sache gebracht hätte. Aber er war auch dieses durch die Gewohnheit nicht mehr fähig zu thun, und starb darauff in wenig Jahren.

Ursache der einen dem Urtheil angehengten clausul.

§. VI. Nun ware wohl freylich bey diesem letzten casu die Hauptursache, weil dieser junge Mensch sui juris war, und keinen superiorem hatte, der Ihn zum Gebrauch des vorgeschlagenen Mittels forciret hätte, wannenhero auch meine Herren Collegen dafür gehalten, daß es dem Prediger quaestionis für sich ohnmöglich wäre, sich den Gebrauch des Brandteweins abzugewöhnen, und haben dannenhero nebst andern auch aus dieser Ursache, in das Urtheil die letzte clausul einzurücken geschlossen, daß man Ihn im Gefängniß durch Reichung Wasser und Brodt darzu anhalten und gleichsam forciren solte. Gleichwie ich aber weiter keine Nachricht erhalten, wie die Sache abgelauffen; Also zweiffle ich doch, daß dieses Mittel viel dürffte ausgerichtet haben. Die Ursachen meines Zweiffels können vermuthlich aus dem, was bißhero angeführet worden, leichtlich abgenommen werden; jetzo will ich nur melden, was Sie etwan vernünfftig bewogen, anderer Meinung zu seyn. Es ist aus der Historie bekant, daß vor etliche hundert Jahren, da in Deutschland noch kein Land-Friede eingeführt war, es geschahe, daß eine Adeliche Person einen Abt gefangen bekommen, und Ihn, biß er sich ranzioniret, nur mit Wasser und Brod speisen lassen, welches sich etliche Wochen verzogen. Als nun die Ranzion angelanget, und der Abt von dem Edelmann Abschied nahm, versahe er es, daß er sich gegen diesen für das Tractament mit Wasser und Brodt bedanckte, mit der beygefügten Ursache, daß er bißher etliche Jahr her von dem Podagra vielfältig geplagt worden, und daran grosse Schmertzen ausgestanden hätte; aber das Wasser und Brod habe Ihn völlig curirt, und getraue er sich nunmehro durch mäßige Speise und Tranck in dieser Gesundheit zu erhalten. Der Edelmann antwortete hierauff, er habe diesen Umstand bey determinirung der Ranzion nicht gewust, und sey nicht mehr dann billich, daß Ihm der Abt auch das Artzt-Lohn a part bezahle etc. Die Wahrscheinlichkeit

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[222/0238] bus für sich das Tobacks-Rauchen auf einmahl würde einstellen können, er würde sich aber eines baldigen Todes zu versehen haben, wenn er nicht alsbald anfieng, dasselbige zu mäßigen, und schlug Ihm vor, daß er so viel thun, und des folgenden Tags anfangen solte bey Stopffung einer jeden Pfeiffe einen neuen Strich auff das Papier zu machen, und wenn er zu Bette gieng, diese Striche zu zehlen, und den folgenden Tag, oder doch Anfangs allemahl über den andern Tag eine Pfeiffe weniger zu rauchen als vorher, biß er zu einer proportionirlichen und seiner Gesundheit nicht schädlichen wenigen Anzahl die Sache gebracht hätte. Aber er war auch dieses durch die Gewohnheit nicht mehr fähig zu thun, und starb darauff in wenig Jahren. §. VI. Nun ware wohl freylich bey diesem letzten casu die Hauptursache, weil dieser junge Mensch sui juris war, und keinen superiorem hatte, der Ihn zum Gebrauch des vorgeschlagenen Mittels forciret hätte, wannenhero auch meine Herren Collegen dafür gehalten, daß es dem Prediger quaestionis für sich ohnmöglich wäre, sich den Gebrauch des Brandteweins abzugewöhnen, und haben dannenhero nebst andern auch aus dieser Ursache, in das Urtheil die letzte clausul einzurücken geschlossen, daß man Ihn im Gefängniß durch Reichung Wasser und Brodt darzu anhalten und gleichsam forciren solte. Gleichwie ich aber weiter keine Nachricht erhalten, wie die Sache abgelauffen; Also zweiffle ich doch, daß dieses Mittel viel dürffte ausgerichtet haben. Die Ursachen meines Zweiffels können vermuthlich aus dem, was bißhero angeführet worden, leichtlich abgenommen werden; jetzo will ich nur melden, was Sie etwan vernünfftig bewogen, anderer Meinung zu seyn. Es ist aus der Historie bekant, daß vor etliche hundert Jahren, da in Deutschland noch kein Land-Friede eingeführt war, es geschahe, daß eine Adeliche Person einen Abt gefangen bekommen, und Ihn, biß er sich ranzioniret, nur mit Wasser und Brod speisen lassen, welches sich etliche Wochen verzogen. Als nun die Ranzion angelanget, und der Abt von dem Edelmann Abschied nahm, versahe er es, daß er sich gegen diesen für das Tractament mit Wasser und Brodt bedanckte, mit der beygefügten Ursache, daß er bißher etliche Jahr her von dem Podagra vielfältig geplagt worden, und daran grosse Schmertzen ausgestanden hätte; aber das Wasser und Brod habe Ihn völlig curirt, und getraue er sich nunmehro durch mäßige Speise und Tranck in dieser Gesundheit zu erhalten. Der Edelmann antwortete hierauff, er habe diesen Umstand bey determinirung der Ranzion nicht gewust, und sey nicht mehr dann billich, daß Ihm der Abt auch das Artzt-Lohn a part bezahle etc. Die Wahrscheinlichkeit

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/238>, abgerufen am 26.04.2024.