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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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sucht solches gethan, als man Exempel von Christen findet, die aus Haß, oder Räuber-und diebischen Gemüthe Jüden ermordet.

Application derselben auf gegenwärtigen Fall.

§. II. Indessen ist doch das Geschwätze unter dem gemeinen Volck geblieben, und bildet sich dasselbe noch heut zu Tage die alten Fabeln beständig ein, daß die Jüden gegen Ostern Christen-Kinder zu kauffen und solche zu ermorden pflegten. Dannenhero geschahe es, daß Anno 1694. in October, Acten von Helffte zu uns geschickt wurden, welche wieder einen alten acht und sechzigjährigen Mann, der das Brod für denen Thüren suchte, Andreas Meinarten und dessen Frau Marien Naumanns ergangen waren. Der Mann hatte besage Registratur fol. 1. denen Juden zu Helffte einen Knaben zu verkauffen angeboten, hatte auch solches, als er über articulos inquisitionales vernommen worden ad art. 19. alsobald gestanden, jedoch, daß er es auf seiner Frauen Befehl gethan, und er es vor sich nicht thun wollen, ad art. 24. vorgegeben, auch ad art. 27. angeführet, daß er noch kein pretium verlanget hätte. Die Frau ware durchgegangen, und unerachtet Sie laut fol. 9. mit Steck-Briefen war verfolget worden, ware Sie doch nicht zu erlangen gewesen.

Urtheil darüber.

§. III. Ob nun wohl dieser Verkauff noch nicht ad actum proximum der Vollziehung gekommen war, dennoch aber es ohnedem eine kützliche Sache mit dem Plagio ist, wie bey denen Criminalisten allenthalben davon kan gelesen werden, und der Umstand, daß dieser Verkauff eben an einen Juden hätte ex intentione des Verkäuffers geschehen sollen, sonderlich zu attendiren war; so konte wohl kein favorabel Urtheil für den Bettelmann fallen, sondern es lautete solches also:

Als derselbe Uns angebrachte Rüge, gehaltene Registraturen, verfaste Inquisitional-Articul, Andreas Meinarts darauf gethane Antwort, benebst den übrigen in dieser Inquisitions-Sache ergangenen Actis und einer Frage zugeschicket, und etc. Hat Andreas Meinart in Güte gestanden und bekant, daß Er am 4ten Octobr. jüngsthin denen Juden zu Helffte ein Kind zum Verkauff angebothen; Ob nun wohl derselbe zu seiner Entschuldigung vorwendet, daß er auf Befehl seiner Frauen solches gethan, für sich aber nicht in Willens gehabt, den Jungen zu verkauffen, auch nicht gewust hätte, daß, wenn man eines andern Befehl ausrichte, man deßhalben zu bestraffen wäre; Dieweil aber solchen seinem Vorgeben wenig Glauben beyzumessen, ihme auch solches nicht helffen mag, indem aus dem natürlichen Recht und der gesunden Vernunfft Er wissen soll, daß dieses eine höchststraffbare Missethat sey, und Er von der Frauen Vorhaben wohl gewust, und solches zu befördern zu denen Juden gangen, nach mehrern Inhalt der überschickten Inquisitions-Acten; So wird besagter Andreas Meinart wegen solchen sei-

sucht solches gethan, als man Exempel von Christen findet, die aus Haß, oder Räuber-und diebischen Gemüthe Jüden ermordet.

Application derselben auf gegenwärtigen Fall.

§. II. Indessen ist doch das Geschwätze unter dem gemeinen Volck geblieben, und bildet sich dasselbe noch heut zu Tage die alten Fabeln beständig ein, daß die Jüden gegen Ostern Christen-Kinder zu kauffen und solche zu ermorden pflegten. Dannenhero geschahe es, daß Anno 1694. in October, Acten von Helffte zu uns geschickt wurden, welche wieder einen alten acht und sechzigjährigen Mann, der das Brod für denen Thüren suchte, Andreas Meinarten und dessen Frau Marien Naumanns ergangen waren. Der Mann hatte besage Registratur fol. 1. denen Juden zu Helffte einen Knaben zu verkauffen angeboten, hatte auch solches, als er über articulos inquisitionales vernommen worden ad art. 19. alsobald gestanden, jedoch, daß er es auf seiner Frauen Befehl gethan, und er es vor sich nicht thun wollen, ad art. 24. vorgegeben, auch ad art. 27. angeführet, daß er noch kein pretium verlanget hätte. Die Frau ware durchgegangen, und unerachtet Sie laut fol. 9. mit Steck-Briefen war verfolget worden, ware Sie doch nicht zu erlangen gewesen.

Urtheil darüber.

§. III. Ob nun wohl dieser Verkauff noch nicht ad actum proximum der Vollziehung gekommen war, dennoch aber es ohnedem eine kützliche Sache mit dem Plagio ist, wie bey denen Criminalisten allenthalben davon kan gelesen werden, und der Umstand, daß dieser Verkauff eben an einen Juden hätte ex intentione des Verkäuffers geschehen sollen, sonderlich zu attendiren war; so konte wohl kein favorabel Urtheil für den Bettelmann fallen, sondern es lautete solches also:

Als derselbe Uns angebrachte Rüge, gehaltene Registraturen, verfaste Inquisitional-Articul, Andreas Meinarts darauf gethane Antwort, benebst den übrigen in dieser Inquisitions-Sache ergangenen Actis und einer Frage zugeschicket, und etc. Hat Andreas Meinart in Güte gestanden und bekant, daß Er am 4ten Octobr. jüngsthin denen Juden zu Helffte ein Kind zum Verkauff angebothen; Ob nun wohl derselbe zu seiner Entschuldigung vorwendet, daß er auf Befehl seiner Frauen solches gethan, für sich aber nicht in Willens gehabt, den Jungen zu verkauffen, auch nicht gewust hätte, daß, wenn man eines andern Befehl ausrichte, man deßhalben zu bestraffen wäre; Dieweil aber solchen seinem Vorgeben wenig Glauben beyzumessen, ihme auch solches nicht helffen mag, indem aus dem natürlichen Recht und der gesunden Vernunfft Er wissen soll, daß dieses eine höchststraffbare Missethat sey, und Er von der Frauen Vorhaben wohl gewust, und solches zu befördern zu denen Juden gangen, nach mehrern Inhalt der überschickten Inquisitions-Acten; So wird besagter Andreas Meinart wegen solchen sei-

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[224/0240] sucht solches gethan, als man Exempel von Christen findet, die aus Haß, oder Räuber-und diebischen Gemüthe Jüden ermordet. §. II. Indessen ist doch das Geschwätze unter dem gemeinen Volck geblieben, und bildet sich dasselbe noch heut zu Tage die alten Fabeln beständig ein, daß die Jüden gegen Ostern Christen-Kinder zu kauffen und solche zu ermorden pflegten. Dannenhero geschahe es, daß Anno 1694. in October, Acten von Helffte zu uns geschickt wurden, welche wieder einen alten acht und sechzigjährigen Mann, der das Brod für denen Thüren suchte, Andreas Meinarten und dessen Frau Marien Naumanns ergangen waren. Der Mann hatte besage Registratur fol. 1. denen Juden zu Helffte einen Knaben zu verkauffen angeboten, hatte auch solches, als er über articulos inquisitionales vernommen worden ad art. 19. alsobald gestanden, jedoch, daß er es auf seiner Frauen Befehl gethan, und er es vor sich nicht thun wollen, ad art. 24. vorgegeben, auch ad art. 27. angeführet, daß er noch kein pretium verlanget hätte. Die Frau ware durchgegangen, und unerachtet Sie laut fol. 9. mit Steck-Briefen war verfolget worden, ware Sie doch nicht zu erlangen gewesen. §. III. Ob nun wohl dieser Verkauff noch nicht ad actum proximum der Vollziehung gekommen war, dennoch aber es ohnedem eine kützliche Sache mit dem Plagio ist, wie bey denen Criminalisten allenthalben davon kan gelesen werden, und der Umstand, daß dieser Verkauff eben an einen Juden hätte ex intentione des Verkäuffers geschehen sollen, sonderlich zu attendiren war; so konte wohl kein favorabel Urtheil für den Bettelmann fallen, sondern es lautete solches also: Als derselbe Uns angebrachte Rüge, gehaltene Registraturen, verfaste Inquisitional-Articul, Andreas Meinarts darauf gethane Antwort, benebst den übrigen in dieser Inquisitions-Sache ergangenen Actis und einer Frage zugeschicket, und etc. Hat Andreas Meinart in Güte gestanden und bekant, daß Er am 4ten Octobr. jüngsthin denen Juden zu Helffte ein Kind zum Verkauff angebothen; Ob nun wohl derselbe zu seiner Entschuldigung vorwendet, daß er auf Befehl seiner Frauen solches gethan, für sich aber nicht in Willens gehabt, den Jungen zu verkauffen, auch nicht gewust hätte, daß, wenn man eines andern Befehl ausrichte, man deßhalben zu bestraffen wäre; Dieweil aber solchen seinem Vorgeben wenig Glauben beyzumessen, ihme auch solches nicht helffen mag, indem aus dem natürlichen Recht und der gesunden Vernunfft Er wissen soll, daß dieses eine höchststraffbare Missethat sey, und Er von der Frauen Vorhaben wohl gewust, und solches zu befördern zu denen Juden gangen, nach mehrern Inhalt der überschickten Inquisitions-Acten; So wird besagter Andreas Meinart wegen solchen sei-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/240>, abgerufen am 28.03.2024.