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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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missarii noch schwerer gemacht werden dürffte. Denn die tägliche Erfahrung lehret es, daß die Noblesse (und zwar nicht gantz ohne Ursache) jaloux zu seyn pfleget, wenn Bürger, und sonderlich diejenigen, die auch unter denen Bürgern von geringer extraction sind, Adeliche und zumahl Schrifftsäßige Ritter-Güter an sich bringen, und der Mann erzehlte mir etliche Umstände, daraus ich nothwendig abnehmen konte, daß die gantze Nachbarschafft Ihn dieses Unglücke wohl gönnen müste. Ferner so ware wohl kein Zweiffel, daß in gegenwärtigen casu zu förderst dahin zu sehen wäre, daß der Vater für sich, Sein Weib und Tochter umb salvum Conductum anhielte; aber es ware noch zur Zeit wenig Hoffnung da, daß er solchen wegen des Weibes und der Tochter so fort erhalten würde, sondern es ware vielmehr zu befahren, daß man Ihnen mit Steckbrieffen nachtrachten würde. Zudem, wenn auch gleich der salvus Conductus erhalten werden solte, sahe man doch bald zuvor, daß deshalb eine merckliche Summe Geldes loco cautionis bestellet werden müste; und war also quaestio praejudicialis: ob man diese summe hazardiren solte, wenn man die Inquistitinnen nicht gewiß a tortura zu liberiren sich getrauete, dazu noch zur Zeit wenig Ansehen war. Bey diesen Umständen bate ich mir drey Tage Zeit aus, die Sache reiflicher zu überlegen, und alsdenn eine positive Resolution zu geben.

§. III. Mann sagt in gemeinen Sprüchwort, daß der geringsteAuf was Weise derselbe in Actis die Indicia zu sehen bekommen. Umstand das Recht verändert, und also war ich vor allen Dingen besorgt, die wieder die Inquisiten sich hervorthuende indicia etwas genauer einzusehen; gleichwohl aber wuste ich auch, daß man nicht gewohnet wäre, denen Inquisitis für der special Inquisition, die bey der general Inquisition vorkommende indicia schrifftlich mitzutheilen oder dieselben in actis lesen zu lassen. Gleichwohl fügte es sich eben, daß ich kurtz vorhero von einem andern alten Advocato, der in besagten Amte einen Termin hatte, war substituirt worden, und hatte ich mit des Gegentheils Advocato compromittirt, daß wir einander von drey Tagen zu drey Tagen die Gesetze zu schicken wolten. Ich reisete dannenhero an besagten Ort, und erfuhr alsbald in Gasthoffe als eine neue und in der gantzen Stadt bekante Zeitung, daß Hr. Hanß Heinrichs seine Tochter Anna ein Kind umbgebracht und ihre Mutter Maria darzu geholffen hätte. Nachdem ich mich in das Amt verfügt, traffe ich darinnen nur den Actuarium an, bey dem ich sagte, daß ich in der Nachbarschafft auf einen Dorffe einen Termin gehabt, und in Durchreisen fragen wolte, ob meines neulichen Gegentheils Advocate seinen Duplic allbereit ad acta gebracht hätt. Weil nun dieses gleich selbigen

missarii noch schwerer gemacht werden dürffte. Denn die tägliche Erfahrung lehret es, daß die Noblesse (und zwar nicht gantz ohne Ursache) jaloux zu seyn pfleget, wenn Bürger, und sonderlich diejenigen, die auch unter denen Bürgern von geringer extraction sind, Adeliche und zumahl Schrifftsäßige Ritter-Güter an sich bringen, und der Mann erzehlte mir etliche Umstände, daraus ich nothwendig abnehmen konte, daß die gantze Nachbarschafft Ihn dieses Unglücke wohl gönnen müste. Ferner so ware wohl kein Zweiffel, daß in gegenwärtigen casu zu förderst dahin zu sehen wäre, daß der Vater für sich, Sein Weib und Tochter umb salvum Conductum anhielte; aber es ware noch zur Zeit wenig Hoffnung da, daß er solchen wegen des Weibes und der Tochter so fort erhalten würde, sondern es ware vielmehr zu befahren, daß man Ihnen mit Steckbrieffen nachtrachten würde. Zudem, wenn auch gleich der salvus Conductus erhalten werden solte, sahe man doch bald zuvor, daß deshalb eine merckliche Summe Geldes loco cautionis bestellet werden müste; und war also quaestio praejudicialis: ob man diese summe hazardiren solte, wenn man die Inquistitinnen nicht gewiß a tortura zu liberiren sich getrauete, dazu noch zur Zeit wenig Ansehen war. Bey diesen Umständen bate ich mir drey Tage Zeit aus, die Sache reiflicher zu überlegen, und alsdenn eine positive Resolution zu geben.

§. III. Mann sagt in gemeinen Sprüchwort, daß der geringsteAuf was Weise derselbe in Actis die Indicia zu sehen bekommen. Umstand das Recht verändert, und also war ich vor allen Dingen besorgt, die wieder die Inquisiten sich hervorthuende indicia etwas genauer einzusehen; gleichwohl aber wuste ich auch, daß man nicht gewohnet wäre, denen Inquisitis für der special Inquisition, die bey der general Inquisition vorkommende indicia schrifftlich mitzutheilen oder dieselben in actis lesen zu lassen. Gleichwohl fügte es sich eben, daß ich kurtz vorhero von einem andern alten Advocato, der in besagten Amte einen Termin hatte, war substituirt worden, und hatte ich mit des Gegentheils Advocato compromittirt, daß wir einander von drey Tagen zu drey Tagen die Gesetze zu schicken wolten. Ich reisete dannenhero an besagten Ort, und erfuhr alsbald in Gasthoffe als eine neue und in der gantzen Stadt bekante Zeitung, daß Hr. Hanß Heinrichs seine Tochter Anna ein Kind umbgebracht und ihre Mutter Maria darzu geholffen hätte. Nachdem ich mich in das Amt verfügt, traffe ich darinnen nur den Actuarium an, bey dem ich sagte, daß ich in der Nachbarschafft auf einen Dorffe einen Termin gehabt, und in Durchreisen fragen wolte, ob meines neulichen Gegentheils Advocate seinen Duplic allbereit ad acta gebracht hätt. Weil nun dieses gleich selbigen

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[0019] missarii noch schwerer gemacht werden dürffte. Denn die tägliche Erfahrung lehret es, daß die Noblesse (und zwar nicht gantz ohne Ursache) jaloux zu seyn pfleget, wenn Bürger, und sonderlich diejenigen, die auch unter denen Bürgern von geringer extraction sind, Adeliche und zumahl Schrifftsäßige Ritter-Güter an sich bringen, und der Mann erzehlte mir etliche Umstände, daraus ich nothwendig abnehmen konte, daß die gantze Nachbarschafft Ihn dieses Unglücke wohl gönnen müste. Ferner so ware wohl kein Zweiffel, daß in gegenwärtigen casu zu förderst dahin zu sehen wäre, daß der Vater für sich, Sein Weib und Tochter umb salvum Conductum anhielte; aber es ware noch zur Zeit wenig Hoffnung da, daß er solchen wegen des Weibes und der Tochter so fort erhalten würde, sondern es ware vielmehr zu befahren, daß man Ihnen mit Steckbrieffen nachtrachten würde. Zudem, wenn auch gleich der salvus Conductus erhalten werden solte, sahe man doch bald zuvor, daß deshalb eine merckliche Summe Geldes loco cautionis bestellet werden müste; und war also quaestio praejudicialis: ob man diese summe hazardiren solte, wenn man die Inquistitinnen nicht gewiß a tortura zu liberiren sich getrauete, dazu noch zur Zeit wenig Ansehen war. Bey diesen Umständen bate ich mir drey Tage Zeit aus, die Sache reiflicher zu überlegen, und alsdenn eine positive Resolution zu geben. §. III. Mann sagt in gemeinen Sprüchwort, daß der geringste Umstand das Recht verändert, und also war ich vor allen Dingen besorgt, die wieder die Inquisiten sich hervorthuende indicia etwas genauer einzusehen; gleichwohl aber wuste ich auch, daß man nicht gewohnet wäre, denen Inquisitis für der special Inquisition, die bey der general Inquisition vorkommende indicia schrifftlich mitzutheilen oder dieselben in actis lesen zu lassen. Gleichwohl fügte es sich eben, daß ich kurtz vorhero von einem andern alten Advocato, der in besagten Amte einen Termin hatte, war substituirt worden, und hatte ich mit des Gegentheils Advocato compromittirt, daß wir einander von drey Tagen zu drey Tagen die Gesetze zu schicken wolten. Ich reisete dannenhero an besagten Ort, und erfuhr alsbald in Gasthoffe als eine neue und in der gantzen Stadt bekante Zeitung, daß Hr. Hanß Heinrichs seine Tochter Anna ein Kind umbgebracht und ihre Mutter Maria darzu geholffen hätte. Nachdem ich mich in das Amt verfügt, traffe ich darinnen nur den Actuarium an, bey dem ich sagte, daß ich in der Nachbarschafft auf einen Dorffe einen Termin gehabt, und in Durchreisen fragen wolte, ob meines neulichen Gegentheils Advocate seinen Duplic allbereit ad acta gebracht hätt. Weil nun dieses gleich selbigen Auf was Weise derselbe in Actis die Indicia zu sehen bekommen.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/19>, abgerufen am 26.04.2024.