Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.keit vi ipsius sententiae das jus eligendi, und exercirt also dadurch keinzu dieser Frage nicht gehörigen Fälle. jus aggratiandi, oder aber derjenige, dem die Landes-Verweisung zuerkennet worden, führet eine neue defension, und erlanget vermittelst derselben durch Urtheil und Recht, daß er an statt der vorher zuerkanten Landes-Verweisung nur mit einer Geld-Busse anzusehen sey. Und also braucht es hier keiner Verwandelung der Landes-Verweisung, wie sowohl dieses als die Haupt-Sache selbst durch folgendes von uns in Monat Octobr. 1695. an den Rath zu E. in einen Inserat gegebenen responso erleutert wird, dem man aber um besserer Verständniß Willen das in causa infanticidii gesprochene Haupt-Urtheil vorhergesetzt. Dieweil Maria Margaretha, daß ihre Mutter von ihrem bösen Vorhaben nichts gewust, auch ihr hierzu weder Anschläge gegeben noch behülfflich gewesen, in der Tortur beständig ausgesaget, die von der Mutter Ottilien beschehene Verschweigung der Schwängerung und Geburth ihrer Tochter auch nicht sowohl einer Boßheit als grosser Bestürtzung und natürlich mütterlichen Zuneigung zuzuschreiben, zudem dieselbe hohen Alters und eine Zeitlang in gefänglicher Hafft enthalten worden: so hat es bey der in dem Urtheil fol. 48. ihrer Person halber erkanten absolution sein bewenden, und wird nunmehro nach Anleitung sothanen Urthels an der Inquisitin Marien Margarethen, die zuerkante Todes-Straffe gebührend billig vollstrecket: der Bader-Geselle Christian aber ist gestalten Sachen nach von der wieder ihn angestellten Inquisition zuentbinden. In übrigen wird Marien Margarethen zu Christlicher Vorbereitung ihres Todtes ein anderer unpartheyischer Prediger zugeordnet, und der Diaconus ferner zu ihr nicht gelassen, auch weil ihm nicht geziemet vor seiner Denunciation durch unzuläßige Inquisition dem Richterlichen Amt einzugreiffen, und Inquisitin sich wegen seiner Ungestümheit beschweret, auch nicht geringer Verdacht einer beschehenen Subornirung sich wieder denselben ereignet, dieser Begünstigungen halben von dem Consistorio nach vorhergegangener gebührender Untersuchung billig gestraffet V. R. W. Inserat Auch Hochgeehrte Herren. Ist in dem fol. 48. enthaltenen Urthel dem Feldscherer Christoph, weil er der Inquisitin Marien Margarethen boßhafftiges Vorhaben wegen Abtreibung der Frucht gehörigen Orts nicht entdecket, sondern dieselbe vielmehr dabey durch verschiedene ihr zugestellte Medicamenta gestärcket, 2 jährige Landes-Verweisung, es wolte ihn dann die Hochgräfl. Herrschafft gegen eine ziemliche Geld-Busse damit in Gnaden verschonen, zuerkant worden, welches Ihnen aber bedencklich vorkommt, und sie dahero, ob nicht dißfalls das angezogene Urtheil zu reformiren sey, berichtet seyn wollen: Ob nun wohl dieselben anführen, daß auch eine Unter-Obrigkeit, wann sie mit dem keit vi ipsius sententiae das jus eligendi, und exercirt also dadurch keinzu dieser Frage nicht gehörigen Fälle. jus aggratiandi, oder aber derjenige, dem die Landes-Verweisung zuerkennet worden, führet eine neue defension, und erlanget vermittelst derselben durch Urtheil und Recht, daß er an statt der vorher zuerkanten Landes-Verweisung nur mit einer Geld-Busse anzusehen sey. Und also braucht es hier keiner Verwandelung der Landes-Verweisung, wie sowohl dieses als die Haupt-Sache selbst durch folgendes von uns in Monat Octobr. 1695. an den Rath zu E. in einen Inserat gegebenen responso erleutert wird, dem man aber um besserer Verständniß Willen das in causa infanticidii gesprochene Haupt-Urtheil vorhergesetzt. Dieweil Maria Margaretha, daß ihre Mutter von ihrem bösen Vorhaben nichts gewust, auch ihr hierzu weder Anschläge gegeben noch behülfflich gewesen, in der Tortur beständig ausgesaget, die von der Mutter Ottilien beschehene Verschweigung der Schwängerung und Geburth ihrer Tochter auch nicht sowohl einer Boßheit als grosser Bestürtzung und natürlich mütterlichen Zuneigung zuzuschreiben, zudem dieselbe hohen Alters und eine Zeitlang in gefänglicher Hafft enthalten worden: so hat es bey der in dem Urtheil fol. 48. ihrer Person halber erkanten absolution sein bewenden, und wird nunmehro nach Anleitung sothanen Urthels an der Inquisitin Marien Margarethen, die zuerkante Todes-Straffe gebührend billig vollstrecket: der Bader-Geselle Christian aber ist gestalten Sachen nach von der wieder ihn angestellten Inquisition zuentbinden. In übrigen wird Marien Margarethen zu Christlicher Vorbereitung ihres Todtes ein anderer unpartheyischer Prediger zugeordnet, und der Diaconus ferner zu ihr nicht gelassen, auch weil ihm nicht geziemet vor seiner Denunciation durch unzuläßige Inquisition dem Richterlichen Amt einzugreiffen, und Inquisitin sich wegen seiner Ungestümheit beschweret, auch nicht geringer Verdacht einer beschehenen Subornirung sich wieder denselben ereignet, dieser Begünstigungen halben von dem Consistorio nach vorhergegangener gebührender Untersuchung billig gestraffet V. R. W. Inserat Auch Hochgeehrte Herren. Ist in dem fol. 48. enthaltenen Urthel dem Feldscherer Christoph, weil er der Inquisitin Marien Margarethen boßhafftiges Vorhaben wegen Abtreibung der Frucht gehörigen Orts nicht entdecket, sondern dieselbe vielmehr dabey durch verschiedene ihr zugestellte Medicamenta gestärcket, 2 jährige Landes-Verweisung, es wolte ihn dann die Hochgräfl. Herrschafft gegen eine ziemliche Geld-Busse damit in Gnaden verschonen, zuerkant worden, welches Ihnen aber bedencklich vorkommt, und sie dahero, ob nicht dißfalls das angezogene Urtheil zu reformiren sey, berichtet seyn wollen: Ob nun wohl dieselben anführen, daß auch eine Unter-Obrigkeit, wann sie mit dem <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0145" n="129"/> keit vi ipsius sententiae das jus eligendi, und exercirt also dadurch kein<note place="right">zu dieser Frage nicht gehörigen Fälle.</note> jus aggratiandi, oder aber derjenige, dem die Landes-Verweisung zuerkennet worden, führet eine neue defension, und erlanget vermittelst derselben durch Urtheil und Recht, daß er an statt der vorher zuerkanten Landes-Verweisung nur mit einer Geld-Busse anzusehen sey. Und also braucht es hier keiner Verwandelung der Landes-Verweisung, wie sowohl dieses als die Haupt-Sache selbst durch folgendes von uns in Monat Octobr. 1695. an den Rath zu E. in einen Inserat gegebenen responso erleutert wird, dem man aber um besserer Verständniß Willen das in causa infanticidii gesprochene Haupt-Urtheil vorhergesetzt.</p> <p>Dieweil Maria Margaretha, daß ihre Mutter von ihrem bösen Vorhaben nichts gewust, auch ihr hierzu weder Anschläge gegeben noch behülfflich gewesen, in der Tortur beständig ausgesaget, die von der Mutter Ottilien beschehene Verschweigung der Schwängerung und Geburth ihrer Tochter auch nicht sowohl einer Boßheit als grosser Bestürtzung und natürlich mütterlichen Zuneigung zuzuschreiben, zudem dieselbe hohen Alters und eine Zeitlang in gefänglicher Hafft enthalten worden: so hat es bey der in dem Urtheil fol. 48. ihrer Person halber erkanten absolution sein bewenden, und wird nunmehro nach Anleitung sothanen Urthels an der Inquisitin Marien Margarethen, die zuerkante Todes-Straffe gebührend billig vollstrecket: der Bader-Geselle Christian aber ist gestalten Sachen nach von der wieder ihn angestellten Inquisition zuentbinden. In übrigen wird Marien Margarethen zu Christlicher Vorbereitung ihres Todtes ein anderer unpartheyischer Prediger zugeordnet, und der Diaconus ferner zu ihr nicht gelassen, auch weil ihm nicht geziemet vor seiner Denunciation durch unzuläßige Inquisition dem Richterlichen Amt einzugreiffen, und Inquisitin sich wegen seiner Ungestümheit beschweret, auch nicht geringer Verdacht einer beschehenen Subornirung sich wieder denselben ereignet, dieser Begünstigungen halben von dem Consistorio nach vorhergegangener gebührender Untersuchung billig gestraffet V. R. W.</p> </div> <div> <head>Inserat</head><lb/> <p>Auch Hochgeehrte Herren. Ist in dem fol. 48. enthaltenen Urthel dem Feldscherer Christoph, weil er der Inquisitin Marien Margarethen boßhafftiges Vorhaben wegen Abtreibung der Frucht gehörigen Orts nicht entdecket, sondern dieselbe vielmehr dabey durch verschiedene ihr zugestellte Medicamenta gestärcket, 2 jährige Landes-Verweisung, es wolte ihn dann die Hochgräfl. Herrschafft gegen eine ziemliche Geld-Busse damit in Gnaden verschonen, zuerkant worden, welches Ihnen aber bedencklich vorkommt, und sie dahero, ob nicht dißfalls das angezogene Urtheil zu reformiren sey, berichtet seyn wollen:</p> <p>Ob nun wohl dieselben anführen, daß auch eine Unter-Obrigkeit, wann sie mit dem </p> </div> </body> </text> </TEI> [129/0145]
keit vi ipsius sententiae das jus eligendi, und exercirt also dadurch kein jus aggratiandi, oder aber derjenige, dem die Landes-Verweisung zuerkennet worden, führet eine neue defension, und erlanget vermittelst derselben durch Urtheil und Recht, daß er an statt der vorher zuerkanten Landes-Verweisung nur mit einer Geld-Busse anzusehen sey. Und also braucht es hier keiner Verwandelung der Landes-Verweisung, wie sowohl dieses als die Haupt-Sache selbst durch folgendes von uns in Monat Octobr. 1695. an den Rath zu E. in einen Inserat gegebenen responso erleutert wird, dem man aber um besserer Verständniß Willen das in causa infanticidii gesprochene Haupt-Urtheil vorhergesetzt.
zu dieser Frage nicht gehörigen Fälle. Dieweil Maria Margaretha, daß ihre Mutter von ihrem bösen Vorhaben nichts gewust, auch ihr hierzu weder Anschläge gegeben noch behülfflich gewesen, in der Tortur beständig ausgesaget, die von der Mutter Ottilien beschehene Verschweigung der Schwängerung und Geburth ihrer Tochter auch nicht sowohl einer Boßheit als grosser Bestürtzung und natürlich mütterlichen Zuneigung zuzuschreiben, zudem dieselbe hohen Alters und eine Zeitlang in gefänglicher Hafft enthalten worden: so hat es bey der in dem Urtheil fol. 48. ihrer Person halber erkanten absolution sein bewenden, und wird nunmehro nach Anleitung sothanen Urthels an der Inquisitin Marien Margarethen, die zuerkante Todes-Straffe gebührend billig vollstrecket: der Bader-Geselle Christian aber ist gestalten Sachen nach von der wieder ihn angestellten Inquisition zuentbinden. In übrigen wird Marien Margarethen zu Christlicher Vorbereitung ihres Todtes ein anderer unpartheyischer Prediger zugeordnet, und der Diaconus ferner zu ihr nicht gelassen, auch weil ihm nicht geziemet vor seiner Denunciation durch unzuläßige Inquisition dem Richterlichen Amt einzugreiffen, und Inquisitin sich wegen seiner Ungestümheit beschweret, auch nicht geringer Verdacht einer beschehenen Subornirung sich wieder denselben ereignet, dieser Begünstigungen halben von dem Consistorio nach vorhergegangener gebührender Untersuchung billig gestraffet V. R. W.
Inserat
Auch Hochgeehrte Herren. Ist in dem fol. 48. enthaltenen Urthel dem Feldscherer Christoph, weil er der Inquisitin Marien Margarethen boßhafftiges Vorhaben wegen Abtreibung der Frucht gehörigen Orts nicht entdecket, sondern dieselbe vielmehr dabey durch verschiedene ihr zugestellte Medicamenta gestärcket, 2 jährige Landes-Verweisung, es wolte ihn dann die Hochgräfl. Herrschafft gegen eine ziemliche Geld-Busse damit in Gnaden verschonen, zuerkant worden, welches Ihnen aber bedencklich vorkommt, und sie dahero, ob nicht dißfalls das angezogene Urtheil zu reformiren sey, berichtet seyn wollen:
Ob nun wohl dieselben anführen, daß auch eine Unter-Obrigkeit, wann sie mit dem
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/145>, abgerufen am 16.02.2025. |