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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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in acht zunehmen ist, aus diesem modo pariendi kein Indicium machet. Und eben dieses, weil nemlich besagte Constitution de celatione post partum in geringsten nichts gedencket, sondern nur von Heimlichhaltung der Schwangerschafft ante partum, & partus deinde ipsius in d. Art. 131. redet, scheinet Inquisitin hauptsächlich zu statten zu kommen, daß obgleich die Herrn Urtheilsfasser pro ratione decidendi (4) anführen: daß die Mutter das Kind todt zu sich genommen, anfänglich in einer Lade verborgen, und hernach in der Stille vergraben, die Tochter auch in wenig Tagen wiederum auffgestanden, ein Küssen vor den Leib gebunden, in 8. Tagen auch wiederum in die Kirche gangen, und sich dergestalt angekleidet, daß man ihr die Geburt nicht mercken sollen, daß die Mutter, daß sie die Tochter ein Fieber habe, fürgewendet; dennoch auch hieraus, und weil diese facta alle post partum geschehen, nicht wohl ein beständig Indicium ad Torturam gemacht werden könne, wie solches ebenmäßig in Defens. l. §. Ob es nun gleich an dem etc. weitläufftig deduciret worden; So viel endlich die von Annen Vogtin angemaßte probation betrifft, daß das Kind todt auff die Welt kommen sey, als welche sie auch für ihren stärcksten Grund hält, auch daher die Herrn Urtheilsfasser inter rationes dubitandi gesetzet, und etliche derer Medicorum aus etlichen Umständen, daß das Kind von Annen müste todt auf die Welt gekommen seyn, geschlossen, wie denn auch dieselbe / daß sie kurtz vor der Geburt über eine Schwelle auff den Leib gefallen, vorgiebet, und die Käse-Mutter, daß als Inquisitin zur Geburt gearbeitet, sie bey ihr in der Kammer gewesen, ihr auff den Leib gefühlet, da sich denn daß Kind nicht gereget, eydlich aussaget, so acceptiret Inquisitin, daß in rationibus decidendi wieder der Käse-Mutter Aussage, daß sich das Kind tempore partus in Mutter-Leibe nicht gereget, nichts excipiret worden. Ob nun gleich, was der Inquisitin Fall vor der Geburt anlanget, vorgewendet und tamquam ratio decidendi quinta (5) angeführet wird: daß der angezogene Fall, wie die eydlich abgehörte Zeugin, Dorothea die Zoffe meldet, ohngefehr nach Johann. gegen Bartholomaei und also eine ziemliche Zeit vor Inquisitin Niederkunfft geschehen sey, so kan doch Inquisitin zu Defendirung ihrer Unschuld auff diese Exception unterschiedlich antworten. Denn anfänglich (1) so ist diese der Dorotheen Aussage eine geraume Zeit und über Jahr und Tag nach dem facto geschehen. v. Act. Vol. 2. f. 171. Daher sie auch in Responsione ad Art. 5. dict. fol. darzu setzet, sie wisse so eigen die Zeit nicht; In der ersten Aussage aber, da ihr das factum noch in recenti memoria geschwebet, hat sie nicht allein deutl. bejahet, daß der Inquisitin Fall kurtz vor der Zeit geschehen, ehe sie des Kindes genesen, vid. ejus deposit. ad Art. 6. fol. 125. b. sondern sie hat auch die Zeit viel genauer determiniret, es wäre noch vor den Melsener Marckte geschehen, die Pflaumen wären schon reiff gewesen. vid. Respons. ejus ad Art. 5. d. fol. 125. a. Nun ist bekandt, daß der Melsener Marckt etliche wenige Tage

in acht zunehmen ist, aus diesem modo pariendi kein Indicium machet. Und eben dieses, weil nemlich besagte Constitution de celatione post partum in geringsten nichts gedencket, sondern nur von Heimlichhaltung der Schwangerschafft ante partum, & partus deinde ipsius in d. Art. 131. redet, scheinet Inquisitin hauptsächlich zu statten zu kommen, daß obgleich die Herrn Urtheilsfasser pro ratione decidendi (4) anführen: daß die Mutter das Kind todt zu sich genommen, anfänglich in einer Lade verborgen, und hernach in der Stille vergraben, die Tochter auch in wenig Tagen wiederum auffgestanden, ein Küssen vor den Leib gebunden, in 8. Tagen auch wiederum in die Kirche gangen, und sich dergestalt angekleidet, daß man ihr die Geburt nicht mercken sollen, daß die Mutter, daß sie die Tochter ein Fieber habe, fürgewendet; dennoch auch hieraus, und weil diese facta alle post partum geschehen, nicht wohl ein beständig Indicium ad Torturam gemacht werden könne, wie solches ebenmäßig in Defens. l. §. Ob es nun gleich an dem etc. weitläufftig deduciret worden; So viel endlich die von Annen Vogtin angemaßte probation betrifft, daß das Kind todt auff die Welt kommen sey, als welche sie auch für ihren stärcksten Grund hält, auch daher die Herrn Urtheilsfasser inter rationes dubitandi gesetzet, und etliche derer Medicorum aus etlichen Umständen, daß das Kind von Annen müste todt auf die Welt gekommen seyn, geschlossen, wie denn auch dieselbe / daß sie kurtz vor der Geburt über eine Schwelle auff den Leib gefallen, vorgiebet, und die Käse-Mutter, daß als Inquisitin zur Geburt gearbeitet, sie bey ihr in der Kammer gewesen, ihr auff den Leib gefühlet, da sich denn daß Kind nicht gereget, eydlich aussaget, so acceptiret Inquisitin, daß in rationibus decidendi wieder der Käse-Mutter Aussage, daß sich das Kind tempore partus in Mutter-Leibe nicht gereget, nichts excipiret worden. Ob nun gleich, was der Inquisitin Fall vor der Geburt anlanget, vorgewendet und tamquam ratio decidendi quinta (5) angeführet wird: daß der angezogene Fall, wie die eydlich abgehörte Zeugin, Dorothea die Zoffe meldet, ohngefehr nach Johann. gegen Bartholomaei und also eine ziemliche Zeit vor Inquisitin Niederkunfft geschehen sey, so kan doch Inquisitin zu Defendirung ihrer Unschuld auff diese Exception unterschiedlich antworten. Denn anfänglich (1) so ist diese der Dorotheen Aussage eine geraume Zeit und über Jahr und Tag nach dem facto geschehen. v. Act. Vol. 2. f. 171. Daher sie auch in Responsione ad Art. 5. dict. fol. darzu setzet, sie wisse so eigen die Zeit nicht; In der ersten Aussage aber, da ihr das factum noch in recenti memoria geschwebet, hat sie nicht allein deutl. bejahet, daß der Inquisitin Fall kurtz vor der Zeit geschehen, ehe sie des Kindes genesen, vid. ejus deposit. ad Art. 6. fol. 125. b. sondern sie hat auch die Zeit viel genauer determiniret, es wäre noch vor den Melsener Marckte geschehen, die Pflaumen wären schon reiff gewesen. vid. Respons. ejus ad Art. 5. d. fol. 125. a. Nun ist bekandt, daß der Melsener Marckt etliche wenige Tage

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[99/0115] in acht zunehmen ist, aus diesem modo pariendi kein Indicium machet. Und eben dieses, weil nemlich besagte Constitution de celatione post partum in geringsten nichts gedencket, sondern nur von Heimlichhaltung der Schwangerschafft ante partum, & partus deinde ipsius in d. Art. 131. redet, scheinet Inquisitin hauptsächlich zu statten zu kommen, daß obgleich die Herrn Urtheilsfasser pro ratione decidendi (4) anführen: daß die Mutter das Kind todt zu sich genommen, anfänglich in einer Lade verborgen, und hernach in der Stille vergraben, die Tochter auch in wenig Tagen wiederum auffgestanden, ein Küssen vor den Leib gebunden, in 8. Tagen auch wiederum in die Kirche gangen, und sich dergestalt angekleidet, daß man ihr die Geburt nicht mercken sollen, daß die Mutter, daß sie die Tochter ein Fieber habe, fürgewendet; dennoch auch hieraus, und weil diese facta alle post partum geschehen, nicht wohl ein beständig Indicium ad Torturam gemacht werden könne, wie solches ebenmäßig in Defens. l. §. Ob es nun gleich an dem etc. weitläufftig deduciret worden; So viel endlich die von Annen Vogtin angemaßte probation betrifft, daß das Kind todt auff die Welt kommen sey, als welche sie auch für ihren stärcksten Grund hält, auch daher die Herrn Urtheilsfasser inter rationes dubitandi gesetzet, und etliche derer Medicorum aus etlichen Umständen, daß das Kind von Annen müste todt auf die Welt gekommen seyn, geschlossen, wie denn auch dieselbe / daß sie kurtz vor der Geburt über eine Schwelle auff den Leib gefallen, vorgiebet, und die Käse-Mutter, daß als Inquisitin zur Geburt gearbeitet, sie bey ihr in der Kammer gewesen, ihr auff den Leib gefühlet, da sich denn daß Kind nicht gereget, eydlich aussaget, so acceptiret Inquisitin, daß in rationibus decidendi wieder der Käse-Mutter Aussage, daß sich das Kind tempore partus in Mutter-Leibe nicht gereget, nichts excipiret worden. Ob nun gleich, was der Inquisitin Fall vor der Geburt anlanget, vorgewendet und tamquam ratio decidendi quinta (5) angeführet wird: daß der angezogene Fall, wie die eydlich abgehörte Zeugin, Dorothea die Zoffe meldet, ohngefehr nach Johann. gegen Bartholomaei und also eine ziemliche Zeit vor Inquisitin Niederkunfft geschehen sey, so kan doch Inquisitin zu Defendirung ihrer Unschuld auff diese Exception unterschiedlich antworten. Denn anfänglich (1) so ist diese der Dorotheen Aussage eine geraume Zeit und über Jahr und Tag nach dem facto geschehen. v. Act. Vol. 2. f. 171. Daher sie auch in Responsione ad Art. 5. dict. fol. darzu setzet, sie wisse so eigen die Zeit nicht; In der ersten Aussage aber, da ihr das factum noch in recenti memoria geschwebet, hat sie nicht allein deutl. bejahet, daß der Inquisitin Fall kurtz vor der Zeit geschehen, ehe sie des Kindes genesen, vid. ejus deposit. ad Art. 6. fol. 125. b. sondern sie hat auch die Zeit viel genauer determiniret, es wäre noch vor den Melsener Marckte geschehen, die Pflaumen wären schon reiff gewesen. vid. Respons. ejus ad Art. 5. d. fol. 125. a. Nun ist bekandt, daß der Melsener Marckt etliche wenige Tage

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/115>, abgerufen am 25.04.2024.