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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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se-Mutter zu ihr kommen, derselben nicht offenbahret, sondern die Geburt ausser gegen die Mutter gantz heimlich gehalten, wird geantwortet, daß (1) abermahls bey der Consequenz, so hieraus ad torturam gemacht werden will, zu erinnern sey, daß der lmp. durch die phrasin: heimlich zur Welt bringen in d. Art. 131. nicht so wohl eine stillschweigende Geburt, als eine so mit Verbergung der Gebährerin an einem einsamen oder ohngewöhnlichen Ort geschiehet, verstanden haben wolle (per dicta puncto 4.) Ingleichen, daß durch die verba: alleine und ohne iemands Beyseyn, der Legislator nur von dem Casu rede, da ein Weibs-Bild keinen lebendigen Menschen, auch die Mutter selbst nicht umb sich hat (per dicta puncto 3.) Wannenhero auch diese ratio decidendi, quod pace Dnn. Concipp. dictum sit, ad inferendam Torturam noch nicht erheblich gnung zu seyn scheinet, zugeschweigen, daß (2) quoad factum in voriger Defension zur Genüge angeführet worden, daß Inquisitin ihre Geburt nicht alleine, nicht heimlich gehalten, sintemahl sie iedermann, der nur zu Ihr gehen wollen, zu sich in die Kammer gelassen (per punctum 8.) sondern sie hat auch ihren Zustand der R. oder Käse-Mutter allerdings offenbahret, indem sie sich von derselbrn nicht allein auff den Leib fühlen lassen, sondern sie auch gefragt; ob es bald werden würde, die Käse-Mutter aber geantwortet, sie müste noch besser daran, wie solches nicht allein der Praeceptor Vol. 1. Act. fol. 24. a. sondern auch die Köchin d. Vol. 1. fol. 33. a. Gerichtlich ausgesaget, auch allbereit in Defensione l. weitläufftig angeführet ist. Aus welchen Worten ja nichts anders geschlossen werden kan, als daß Anna Vogtin der R. daß sie in Geburts-Schmertzen laborire, entdecket, oder zum wenigsten doch für selbiger nicht heimlich gehalten haben müsse, zumahlen da die Käse-Mutter (wie das Urtheil in rationibus dubitandi circa finem selbsten agnosciret, quod acceptatur) damahls so genau Achtung geben, ob das Kind sich in dem Leibe gereget habe oder nicht? welches nicht würde geschehen seyn, wenn sie nicht gewust hätte, daß Anna Vogtin in Geburts-Schmertzen arbeitete. Daß (3) in sententia inter rationes decidendi mit angeführet wird, daß Anna das Kind in Bette bekommen, gestehet Inquisitin gar gerne, daß sie nicht genau penetriren könne, was hieraus wieder sie für eine praesumtion ad Infanticidium oder Torturam wolle gemacht werden; Ja sie bildet sich vielmehr ein, daß dieses zu ihren Vortheil gedeyen solle, dieweil solchergestalt das Kind an nichts hartes anstossen und etwa verletzet werden können, auch sonsten eben nichts ungewöhnliches, ja vielmehr in Franckreich gewöhnlich seyn soll, daß Gebärerinnen, zumahl bey schwerer Geburt, die Kinder in Bette zu gebähren pflegen. Wolte man aber gleich, wie es fast das Ansehen gewinnen wil, auff eine Erstickung des Kindes argumentiren, so wäre doch solches nicht nur ab eo, quod fit per accidens, hergenommen, fondern es würde auch solches deßhalben nicht pro Indicio ad Torturam passiren können, weil die Constitutio Carolina, so hier als Norma billich

se-Mutter zu ihr kommen, derselben nicht offenbahret, sondern die Geburt ausser gegen die Mutter gantz heimlich gehalten, wird geantwortet, daß (1) abermahls bey der Consequenz, so hieraus ad torturam gemacht werden will, zu erinnern sey, daß der lmp. durch die phrasin: heimlich zur Welt bringen in d. Art. 131. nicht so wohl eine stillschweigende Geburt, als eine so mit Verbergung der Gebährerin an einem einsamen oder ohngewöhnlichen Ort geschiehet, verstanden haben wolle (per dicta puncto 4.) Ingleichen, daß durch die verba: alleine und ohne iemands Beyseyn, der Legislator nur von dem Casu rede, da ein Weibs-Bild keinen lebendigen Menschen, auch die Mutter selbst nicht umb sich hat (per dicta puncto 3.) Wannenhero auch diese ratio decidendi, quod pace Dnn. Concipp. dictum sit, ad inferendam Torturam noch nicht erheblich gnung zu seyn scheinet, zugeschweigen, daß (2) quoad factum in voriger Defension zur Genüge angeführet worden, daß Inquisitin ihre Geburt nicht alleine, nicht heimlich gehalten, sintemahl sie iedermann, der nur zu Ihr gehen wollen, zu sich in die Kammer gelassen (per punctum 8.) sondern sie hat auch ihren Zustand der R. oder Käse-Mutter allerdings offenbahret, indem sie sich von derselbrn nicht allein auff den Leib fühlen lassen, sondern sie auch gefragt; ob es bald werden würde, die Käse-Mutter aber geantwortet, sie müste noch besser daran, wie solches nicht allein der Praeceptor Vol. 1. Act. fol. 24. a. sondern auch die Köchin d. Vol. 1. fol. 33. a. Gerichtlich ausgesaget, auch allbereit in Defensione l. weitläufftig angeführet ist. Aus welchen Worten ja nichts anders geschlossen werden kan, als daß Anna Vogtin der R. daß sie in Geburts-Schmertzen laborire, entdecket, oder zum wenigsten doch für selbiger nicht heimlich gehalten haben müsse, zumahlen da die Käse-Mutter (wie das Urtheil in rationibus dubitandi circa finem selbsten agnosciret, quod acceptatur) damahls so genau Achtung geben, ob das Kind sich in dem Leibe gereget habe oder nicht? welches nicht würde geschehen seyn, wenn sie nicht gewust hätte, daß Anna Vogtin in Geburts-Schmertzen arbeitete. Daß (3) in sententia inter rationes decidendi mit angeführet wird, daß Anna das Kind in Bette bekommen, gestehet Inquisitin gar gerne, daß sie nicht genau penetriren könne, was hieraus wieder sie für eine praesumtion ad Infanticidium oder Torturam wolle gemacht werden; Ja sie bildet sich vielmehr ein, daß dieses zu ihren Vortheil gedeyen solle, dieweil solchergestalt das Kind an nichts hartes anstossen und etwa verletzet werden können, auch sonsten eben nichts ungewöhnliches, ja vielmehr in Franckreich gewöhnlich seyn soll, daß Gebärerinnen, zumahl bey schwerer Geburt, die Kinder in Bette zu gebähren pflegen. Wolte man aber gleich, wie es fast das Ansehen gewinnen wil, auff eine Erstickung des Kindes argumentiren, so wäre doch solches nicht nur ab eo, quod fit per accidens, hergenommen, fondern es würde auch solches deßhalben nicht pro Indicio ad Torturam passiren können, weil die Constitutio Carolina, so hier als Norma billich

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[98/0114] se-Mutter zu ihr kommen, derselben nicht offenbahret, sondern die Geburt ausser gegen die Mutter gantz heimlich gehalten, wird geantwortet, daß (1) abermahls bey der Consequenz, so hieraus ad torturam gemacht werden will, zu erinnern sey, daß der lmp. durch die phrasin: heimlich zur Welt bringen in d. Art. 131. nicht so wohl eine stillschweigende Geburt, als eine so mit Verbergung der Gebährerin an einem einsamen oder ohngewöhnlichen Ort geschiehet, verstanden haben wolle (per dicta puncto 4.) Ingleichen, daß durch die verba: alleine und ohne iemands Beyseyn, der Legislator nur von dem Casu rede, da ein Weibs-Bild keinen lebendigen Menschen, auch die Mutter selbst nicht umb sich hat (per dicta puncto 3.) Wannenhero auch diese ratio decidendi, quod pace Dnn. Concipp. dictum sit, ad inferendam Torturam noch nicht erheblich gnung zu seyn scheinet, zugeschweigen, daß (2) quoad factum in voriger Defension zur Genüge angeführet worden, daß Inquisitin ihre Geburt nicht alleine, nicht heimlich gehalten, sintemahl sie iedermann, der nur zu Ihr gehen wollen, zu sich in die Kammer gelassen (per punctum 8.) sondern sie hat auch ihren Zustand der R. oder Käse-Mutter allerdings offenbahret, indem sie sich von derselbrn nicht allein auff den Leib fühlen lassen, sondern sie auch gefragt; ob es bald werden würde, die Käse-Mutter aber geantwortet, sie müste noch besser daran, wie solches nicht allein der Praeceptor Vol. 1. Act. fol. 24. a. sondern auch die Köchin d. Vol. 1. fol. 33. a. Gerichtlich ausgesaget, auch allbereit in Defensione l. weitläufftig angeführet ist. Aus welchen Worten ja nichts anders geschlossen werden kan, als daß Anna Vogtin der R. daß sie in Geburts-Schmertzen laborire, entdecket, oder zum wenigsten doch für selbiger nicht heimlich gehalten haben müsse, zumahlen da die Käse-Mutter (wie das Urtheil in rationibus dubitandi circa finem selbsten agnosciret, quod acceptatur) damahls so genau Achtung geben, ob das Kind sich in dem Leibe gereget habe oder nicht? welches nicht würde geschehen seyn, wenn sie nicht gewust hätte, daß Anna Vogtin in Geburts-Schmertzen arbeitete. Daß (3) in sententia inter rationes decidendi mit angeführet wird, daß Anna das Kind in Bette bekommen, gestehet Inquisitin gar gerne, daß sie nicht genau penetriren könne, was hieraus wieder sie für eine praesumtion ad Infanticidium oder Torturam wolle gemacht werden; Ja sie bildet sich vielmehr ein, daß dieses zu ihren Vortheil gedeyen solle, dieweil solchergestalt das Kind an nichts hartes anstossen und etwa verletzet werden können, auch sonsten eben nichts ungewöhnliches, ja vielmehr in Franckreich gewöhnlich seyn soll, daß Gebärerinnen, zumahl bey schwerer Geburt, die Kinder in Bette zu gebähren pflegen. Wolte man aber gleich, wie es fast das Ansehen gewinnen wil, auff eine Erstickung des Kindes argumentiren, so wäre doch solches nicht nur ab eo, quod fit per accidens, hergenommen, fondern es würde auch solches deßhalben nicht pro Indicio ad Torturam passiren können, weil die Constitutio Carolina, so hier als Norma billich

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/114>, abgerufen am 29.03.2024.