Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691.Vorrede. Thaler Gnadengelder/ wie sie/ verehrt bekömmt/kan wohl mit frölichen Muthe collegia gra- tuita halten. Aber diese Mode ist schon vor- längst abkommen/ und heut zu Tage dürffen wir uns für dergleichen Versuchungen nicht leichte fürchten. Uber dieses so stände es auch noch dahin/ ob es rathsam wäre der studirenden Jugend/ heut zu Tage viel collegia gratis zu- halten. Es ist ein alt Sprüchwort: Quotidia- na & Vulgaria vilescunt. Die menschliche Hochachtung siehet selten die Nutzbarkeit eines Dinges in Formirung des Werths davon an/ sondern sie urtheilet von der Hochachtung aus der Rarität der Dinge/ und aus anderer ihrer/ nicht allemahl wohlgegründeten Einbildung. Das edle Geträide/ ohne welches wir ein elen- des Leben führen würden/ wird bey wohlfeiler Zeit wohl mit Füssen getreten/ und eine schnöde Perle/ die an den Ort ihres Ursprungs um Kinder-Puppen ist gegeben worden/ wird als was sonderliches geachtet. Einer buntfarbi- gen Tulipanen-Zwiebel wird/ wenn sie unge- mein ist/ wohl umb 800. Gülden bezahlet/ wenn aber alle Gärten damit prangen/ kan man für einen Groschen ihrer viel damit erhandeln. Die unverständige Jugend denckt/ wenn ein Leh- B 4
Vorrede. Thaler Gnadengelder/ wie ſie/ verehrt bekoͤm̃t/kan wohl mit froͤlichen Muthe collegia gra- tuita halten. Aber dieſe Mode iſt ſchon vor- laͤngſt abkommen/ und heut zu Tage duͤrffen wir uns fuͤr dergleichen Verſuchungen nicht leichte fuͤrchten. Uber dieſes ſo ſtaͤnde es auch noch dahin/ ob es rathſam waͤre der ſtudirenden Jugend/ heut zu Tage viel collegia gratis zu- halten. Es iſt ein alt Spruͤchwort: Quotidia- na & Vulgaria vileſcunt. Die menſchliche Hochachtung ſiehet ſelten die Nutzbarkeit eines Dinges in Formirung des Werths davon an/ ſondern ſie urtheilet von der Hochachtung aus der Raritaͤt der Dinge/ und aus anderer ihrer/ nicht allemahl wohlgegruͤndeten Einbildung. Das edle Getraͤide/ ohne welches wir ein elen- des Leben fuͤhren wuͤrden/ wird bey wohlfeiler Zeit wohl mit Fuͤſſen getreten/ und eine ſchnoͤde Perle/ die an den Ort ihres Urſprungs um Kinder-Puppen iſt gegeben worden/ wird als was ſonderliches geachtet. Einer buntfarbi- gen Tulipanen-Zwiebel wird/ wenn ſie unge- mein iſt/ wohl umb 800. Guͤlden bezahlet/ weñ aber alle Gaͤrten damit prangen/ kan man fuͤr einen Groſchen ihrer viel damit erhandeln. Die unverſtaͤndige Jugend denckt/ wenn ein Leh- B 4
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Vorrede.
Thaler Gnadengelder/ wie ſie/ verehrt bekoͤm̃t/
kan wohl mit froͤlichen Muthe collegia gra-
tuita halten. Aber dieſe Mode iſt ſchon vor-
laͤngſt abkommen/ und heut zu Tage duͤrffen
wir uns fuͤr dergleichen Verſuchungen nicht
leichte fuͤrchten. Uber dieſes ſo ſtaͤnde es auch
noch dahin/ ob es rathſam waͤre der ſtudirenden
Jugend/ heut zu Tage viel collegia gratis zu-
halten. Es iſt ein alt Spruͤchwort: Quotidia-
na & Vulgaria vileſcunt. Die menſchliche
Hochachtung ſiehet ſelten die Nutzbarkeit eines
Dinges in Formirung des Werths davon an/
ſondern ſie urtheilet von der Hochachtung aus
der Raritaͤt der Dinge/ und aus anderer ihrer/
nicht allemahl wohlgegruͤndeten Einbildung.
Das edle Getraͤide/ ohne welches wir ein elen-
des Leben fuͤhren wuͤrden/ wird bey wohlfeiler
Zeit wohl mit Fuͤſſen getreten/ und eine ſchnoͤde
Perle/ die an den Ort ihres Urſprungs um
Kinder-Puppen iſt gegeben worden/ wird als
was ſonderliches geachtet. Einer buntfarbi-
gen Tulipanen-Zwiebel wird/ wenn ſie unge-
mein iſt/ wohl umb 800. Guͤlden bezahlet/ weñ
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/41>, abgerufen am 16.07.2024. |