Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691.Vorrede. solche Wörter verdeutschen wolte. Jch redeviel vernehmlicher/ wenn ich spräche/ dieses Frauen-Zimmer trägt eine grosse fon- tange, als wenn ich sagte: Sie trägt einen grossen gegossenen Engel auff dem Kopffe. Ebener massen ist es auch mit denen Künsten und Wissenschafften bewand/ derer Lehren von andern Völckern auff uns gepflantzt worden. Wer in des Ciceronis Schrifften bewandert ist/ wird sich entsinnen daß in philosophischen Dingen er zum öfftern Griechische Wörter/ die er nicht wohl lateinisch geben können/ behal- ten/ ob er gleich sonsten der vornehmste derer lateinischen Scribenten ist. Ein Teutscher Fechtmeister thut deßwegen seiner Sprache keinen Schimpff an/ wenn er von Primen, Secunden, Tertien und Quarten redet/ und derjenige würde von jederman für einen Tho- ren gehalten werden/ oder wohl gar die Ge- fahr eines processus ausstehen müssen/ der einen Musicanten einen Spielmann nen- nen/ und von ihm an statt einer courante simple einen einfältigen oder einfachen Schritt-Lauff begehren solte. Es ist aber nichts destoweniger auch nicht zu leugnen/ daß unterschiedene Kunst-Wörter in deutsche Sprache
Vorrede. ſolche Woͤrter verdeutſchen wolte. Jch redeviel vernehmlicher/ wenn ich ſpraͤche/ dieſes Frauen-Zimmer traͤgt eine groſſe fon- tange, als wenn ich ſagte: Sie traͤgt einen groſſen gegoſſenen Engel auff dem Kopffe. Ebener maſſen iſt es auch mit denen Kuͤnſten und Wiſſenſchafften bewand/ derer Lehren von andern Voͤlckern auff uns gepflantzt worden. Wer in des Ciceronis Schrifften bewandert iſt/ wird ſich entſinnen daß in philoſophiſchen Dingen er zum oͤfftern Griechiſche Woͤrter/ die er nicht wohl lateiniſch geben koͤnnen/ behal- ten/ ob er gleich ſonſten der vornehmſte derer lateiniſchen Scribenten iſt. Ein Teutſcher Fechtmeiſter thut deßwegen ſeiner Sprache keinen Schimpff an/ wenn er von Primen, Secunden, Tertien und Quarten redet/ und derjenige wuͤrde von jederman fuͤr einen Tho- ren gehalten werden/ oder wohl gar die Ge- fahr eines proceſſus ausſtehen muͤſſen/ der einen Muſicanten einen Spielmann nen- nen/ und von ihm an ſtatt einer courante ſimple einen einfaͤltigen oder einfachen Schritt-Lauff begehren ſolte. Es iſt aber nichts deſtoweniger auch nicht zu leugnen/ daß unterſchiedene Kunſt-Woͤrter in deutſche Sprache
<TEI> <text> <front> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0033" n="15"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorrede.</hi></fw><lb/> ſolche Woͤrter verdeutſchen wolte. Jch rede<lb/> viel vernehmlicher/ wenn ich ſpraͤche/ <hi rendition="#fr">dieſes<lb/> Frauen-Zimmer traͤgt eine groſſe</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">fon-<lb/> tange</hi>,</hi> als wenn ich ſagte: Sie traͤgt einen<lb/> groſſen <hi rendition="#fr">gegoſſenen Engel</hi> auff dem Kopffe.<lb/> Ebener maſſen iſt es auch mit denen Kuͤnſten<lb/> und Wiſſenſchafften bewand/ derer Lehren von<lb/> andern Voͤlckern auff uns gepflantzt worden.<lb/> Wer in des <hi rendition="#aq">Ciceronis</hi> Schrifften bewandert<lb/> iſt/ wird ſich entſinnen daß in <hi rendition="#aq">philoſophi</hi>ſchen<lb/> Dingen er zum oͤfftern Griechiſche Woͤrter/<lb/> die er nicht wohl lateiniſch geben koͤnnen/ behal-<lb/> ten/ ob er gleich ſonſten der vornehmſte derer<lb/> lateiniſchen <hi rendition="#aq">Scribenten</hi> iſt. Ein Teutſcher<lb/> Fechtmeiſter thut deßwegen ſeiner Sprache<lb/> keinen Schimpff an/ wenn er von <hi rendition="#aq">Primen,<lb/> Secunden, Terti</hi>en und <hi rendition="#aq">Quarten</hi> redet/ und<lb/> derjenige wuͤrde von jederman fuͤr einen Tho-<lb/> ren gehalten werden/ oder wohl gar die Ge-<lb/> fahr eines <hi rendition="#aq">proceſſus</hi> ausſtehen muͤſſen/ der<lb/> einen <hi rendition="#aq">Muſicanten</hi> einen Spielmann nen-<lb/> nen/ und von ihm an ſtatt einer <hi rendition="#aq">courante<lb/> ſimple</hi> einen <hi rendition="#fr">einfaͤltigen oder einfachen<lb/> Schritt-Lauff</hi> begehren ſolte. Es iſt aber<lb/> nichts deſtoweniger auch nicht zu leugnen/ daß<lb/> unterſchiedene Kunſt-Woͤrter in deutſche<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Sprache</fw><lb/></p> </div> </div> </front> </text> </TEI> [15/0033]
Vorrede.
ſolche Woͤrter verdeutſchen wolte. Jch rede
viel vernehmlicher/ wenn ich ſpraͤche/ dieſes
Frauen-Zimmer traͤgt eine groſſe fon-
tange, als wenn ich ſagte: Sie traͤgt einen
groſſen gegoſſenen Engel auff dem Kopffe.
Ebener maſſen iſt es auch mit denen Kuͤnſten
und Wiſſenſchafften bewand/ derer Lehren von
andern Voͤlckern auff uns gepflantzt worden.
Wer in des Ciceronis Schrifften bewandert
iſt/ wird ſich entſinnen daß in philoſophiſchen
Dingen er zum oͤfftern Griechiſche Woͤrter/
die er nicht wohl lateiniſch geben koͤnnen/ behal-
ten/ ob er gleich ſonſten der vornehmſte derer
lateiniſchen Scribenten iſt. Ein Teutſcher
Fechtmeiſter thut deßwegen ſeiner Sprache
keinen Schimpff an/ wenn er von Primen,
Secunden, Tertien und Quarten redet/ und
derjenige wuͤrde von jederman fuͤr einen Tho-
ren gehalten werden/ oder wohl gar die Ge-
fahr eines proceſſus ausſtehen muͤſſen/ der
einen Muſicanten einen Spielmann nen-
nen/ und von ihm an ſtatt einer courante
ſimple einen einfaͤltigen oder einfachen
Schritt-Lauff begehren ſolte. Es iſt aber
nichts deſtoweniger auch nicht zu leugnen/ daß
unterſchiedene Kunſt-Woͤrter in deutſche
Sprache
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/33 |
Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/33>, abgerufen am 17.02.2025. |