Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691.

Bild:
<< vorherige Seite

Das 13. Hauptstück von denen
Stück gleiche Fehler/ indem unter so viel tau-
send Eltern die meisten die Warheit selbst nicht
erkennen/ sondern in den praejudiciis biß an
den Hals stecken. Wie solte nun ein Blin-
der dem andern den Weg weisen.

24. Und wie offte geschiehets/ daß die El-
tern den Kindern was imprimiren, daß sie
selbst wohl wissen/ daß es nicht wahr sey/ und
dennoch die Kinder dergleichen bereden/ ent-
weder mit ihnen zu spielen/ oder aber mehren-
theils zwar zu einem guten Absehen/ welches
aber doch/ wenn man es genau besiehet/ ein
thörichtes Mittel ist darzu zu gelangen. z. e.
Die Fabeln von dem heillgen Christ; viel eite-
le persvasiones die gebraucht werden/ der
Kinder ihre affecten zu besänffeigen u. s. w.

25. Gesetzt aber/ der weiseste Mann bemü-
hete sich seine Kinder dergestalt auffzuerziehen/
daß er ihnen nichts als eitel Warheiten/ deren
ihr Verstand fähig ist/ beybrächte/ (welches
doch eine conditio ist/ die unter 10000.
Menschen kaum ein einig mahl zu hoffen ist/)
wie ist es möglich/ daß ein solcher weiser Mann
stetig um seine Kinder ist/ und also abwehret/
daß/ ich will nicht sagen/ durch sein Weib/ son-
dern durch sein Gesinde und durch andere

Men-

Das 13. Hauptſtuͤck von denen
Stuͤck gleiche Fehler/ indem unter ſo viel tau-
ſend Eltern die meiſten die Warheit ſelbſt nicht
erkennen/ ſondern in den præjudiciis biß an
den Hals ſtecken. Wie ſolte nun ein Blin-
der dem andern den Weg weiſen.

24. Und wie offte geſchiehets/ daß die El-
tern den Kindern was imprimiren, daß ſie
ſelbſt wohl wiſſen/ daß es nicht wahr ſey/ und
dennoch die Kinder dergleichen bereden/ ent-
weder mit ihnen zu ſpielen/ oder aber mehren-
theils zwar zu einem guten Abſehen/ welches
aber doch/ wenn man es genau beſiehet/ ein
thoͤrichtes Mittel iſt darzu zu gelangen. z. e.
Die Fabeln von dem heillgen Chriſt; viel eite-
le perſvaſiones die gebraucht werden/ der
Kinder ihre affecten zu beſaͤnffeigen u. ſ. w.

25. Geſetzt aber/ der weiſeſte Mann bemuͤ-
hete ſich ſeine Kinder dergeſtalt auffzuerziehen/
daß er ihnen nichts als eitel Warheiten/ deren
ihr Verſtand faͤhig iſt/ beybraͤchte/ (welches
doch eine conditio iſt/ die unter 10000.
Menſchen kaum ein einig mahl zu hoffen iſt/)
wie iſt es moͤglich/ daß ein ſolcher weiſer Mann
ſtetig um ſeine Kinder iſt/ und alſo abwehret/
daß/ ich will nicht ſagen/ durch ſein Weib/ ſon-
dern durch ſein Geſinde und durch andere

Men-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0316" n="298"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das 13. Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck von denen</hi></fw><lb/>
Stu&#x0364;ck gleiche Fehler/ indem unter &#x017F;o viel tau-<lb/>
&#x017F;end Eltern die mei&#x017F;ten die Warheit &#x017F;elb&#x017F;t nicht<lb/><hi rendition="#fr">erkennen/</hi> &#x017F;ondern in den <hi rendition="#aq">præjudiciis</hi> biß an<lb/>
den Hals &#x017F;tecken. Wie &#x017F;olte nun ein Blin-<lb/>
der dem andern den Weg wei&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>24. Und wie offte ge&#x017F;chiehets/ daß die El-<lb/>
tern den Kindern was <hi rendition="#aq">imprimiren,</hi> daß &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t wohl <hi rendition="#fr">wi&#x017F;&#x017F;en/</hi> daß es nicht wahr &#x017F;ey/ und<lb/>
dennoch die Kinder dergleichen bereden/ ent-<lb/>
weder mit ihnen zu &#x017F;pielen/ oder aber mehren-<lb/>
theils zwar zu einem guten Ab&#x017F;ehen/ welches<lb/>
aber doch/ wenn man es genau be&#x017F;iehet/ ein<lb/>
tho&#x0364;richtes Mittel i&#x017F;t darzu zu gelangen. z. <hi rendition="#aq">e.</hi><lb/>
Die Fabeln von dem heillgen Chri&#x017F;t; viel eite-<lb/>
le <hi rendition="#aq">per&#x017F;va&#x017F;iones</hi> die gebraucht werden/ der<lb/>
Kinder ihre <hi rendition="#aq">affecten</hi> zu be&#x017F;a&#x0364;nffeigen u. &#x017F;. w.</p><lb/>
        <p>25. Ge&#x017F;etzt aber/ der wei&#x017F;e&#x017F;te Mann bemu&#x0364;-<lb/>
hete &#x017F;ich &#x017F;eine Kinder derge&#x017F;talt auffzuerziehen/<lb/>
daß er ihnen nichts als eitel Warheiten/ deren<lb/>
ihr Ver&#x017F;tand fa&#x0364;hig i&#x017F;t/ beybra&#x0364;chte/ (welches<lb/>
doch eine <hi rendition="#aq">conditio</hi> i&#x017F;t/ die unter 10000.<lb/>
Men&#x017F;chen kaum ein einig mahl zu hoffen i&#x017F;t/)<lb/>
wie i&#x017F;t es mo&#x0364;glich/ daß ein &#x017F;olcher wei&#x017F;er Mann<lb/>
&#x017F;tetig um &#x017F;eine Kinder i&#x017F;t/ und al&#x017F;o abwehret/<lb/>
daß/ ich will nicht &#x017F;agen/ durch &#x017F;ein <hi rendition="#fr">Weib/</hi> &#x017F;on-<lb/>
dern durch &#x017F;ein <hi rendition="#fr">Ge&#x017F;inde</hi> und durch <hi rendition="#fr">andere</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Men-</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[298/0316] Das 13. Hauptſtuͤck von denen Stuͤck gleiche Fehler/ indem unter ſo viel tau- ſend Eltern die meiſten die Warheit ſelbſt nicht erkennen/ ſondern in den præjudiciis biß an den Hals ſtecken. Wie ſolte nun ein Blin- der dem andern den Weg weiſen. 24. Und wie offte geſchiehets/ daß die El- tern den Kindern was imprimiren, daß ſie ſelbſt wohl wiſſen/ daß es nicht wahr ſey/ und dennoch die Kinder dergleichen bereden/ ent- weder mit ihnen zu ſpielen/ oder aber mehren- theils zwar zu einem guten Abſehen/ welches aber doch/ wenn man es genau beſiehet/ ein thoͤrichtes Mittel iſt darzu zu gelangen. z. e. Die Fabeln von dem heillgen Chriſt; viel eite- le perſvaſiones die gebraucht werden/ der Kinder ihre affecten zu beſaͤnffeigen u. ſ. w. 25. Geſetzt aber/ der weiſeſte Mann bemuͤ- hete ſich ſeine Kinder dergeſtalt auffzuerziehen/ daß er ihnen nichts als eitel Warheiten/ deren ihr Verſtand faͤhig iſt/ beybraͤchte/ (welches doch eine conditio iſt/ die unter 10000. Menſchen kaum ein einig mahl zu hoffen iſt/) wie iſt es moͤglich/ daß ein ſolcher weiſer Mann ſtetig um ſeine Kinder iſt/ und alſo abwehret/ daß/ ich will nicht ſagen/ durch ſein Weib/ ſon- dern durch ſein Geſinde und durch andere Men-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/316
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/316>, abgerufen am 23.11.2024.