Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorrede.
dern Sprachen geschrieben zuverstehen/ und in
Sachen/ die von der autorität einer gewissen
Schrifft dependiren/ nicht wohl unterlassen
werden solte/ dergleichen ich doch hier zu tra-
cti
ren nicht Vorhabens bin; aber daß in Sa-
chen/ die durch die/ allen nationen auff gemei-
ne Arteingepflantzte Vernunfft/ erkennet wer-
den die Erkäntnüß ausländischer Sprachen
gar nicht von nöthen sey. Die Weltweißhei[t]
ist so leichte/ daß dieselbige von allen Leuten/ sie
mögen seyn/ von was für Stande oder Ge-
schlecht sie wollen/ begriffen werden kan. So
schrieben auch nicht die Griechischen Philo-
sophi Hebrae
isch/ noch die Römischen Grie-
chisch; sondern ein jeder gebraucht sich seiner:
Mutter-Sprache. Die Frantzosen wissen
sich dieses Vortheils heut zu Tage sehr wohl zu
bedienen. Warumb sollen denn wir Teut-
schen stets während von andern uns wegen die-
ses Vortheils auslachen lassen/ als ob die Phi-
losophie
und Gelahrheit nicht in unserer
Sprache vorgetragen werden könte. Daß
diese Schreib-Art vor diesen nicht gebraucht
worden/ oder von andern verworffen wird/ ist
wohl die Ursach/ weil man gemeinet/ oder noch
sich heredet/ als wenn Aristoteles, Thomas,

Sco-

Vorrede.
dern Sprachen geſchrieben zuverſtehen/ und in
Sachen/ die von der autoritt einer gewiſſen
Schrifft dependiren/ nicht wohl unterlaſſen
werden ſolte/ dergleichen ich doch hier zu tra-
cti
ren nicht Vorhabens bin; aber daß in Sa-
chen/ die durch die/ allen nationen auff gemei-
ne Arteingepflantzte Vernunfft/ erkennet wer-
den die Erkaͤntnuͤß auslaͤndiſcher Sprachen
gar nicht von noͤthen ſey. Die Weltweißhei[t]
iſt ſo leichte/ daß dieſelbige von allen Leuten/ ſie
moͤgen ſeyn/ von was fuͤr Stande oder Ge-
ſchlecht ſie wollen/ begriffen werden kan. So
ſchrieben auch nicht die Griechiſchen Philo-
ſophi Hebræ
iſch/ noch die Roͤmiſchen Grie-
chiſch; ſondern ein jeder gebraucht ſich ſeiner:
Mutter-Sprache. Die Frantzoſen wiſſen
ſich dieſes Vortheils heut zu Tage ſehr wohl zu
bedienen. Warumb ſollen denn wir Teut-
ſchen ſtets waͤhrend von andern uns wegen die-
ſes Vortheils auslachen laſſen/ als ob die Phi-
loſophie
und Gelahrheit nicht in unſerer
Sprache vorgetragen werden koͤnte. Daß
dieſe Schreib-Art vor dieſen nicht gebraucht
worden/ oder von andern verworffen wird/ iſt
wohl die Urſach/ weil man gemeinet/ oder noch
ſich heredet/ als wenn Ariſtoteles, Thomas,

Sco-
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0031" n="13"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorrede.</hi></fw><lb/>
dern Sprachen ge&#x017F;chrieben zuver&#x017F;tehen/ und in<lb/>
Sachen/ die von der <hi rendition="#aq">autorit</hi>a&#x0364;<hi rendition="#aq">t</hi> einer gewi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Schrifft <hi rendition="#aq">dependi</hi>ren/ nicht wohl unterla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
werden &#x017F;olte/ dergleichen ich doch hier zu <hi rendition="#aq">tra-<lb/>
cti</hi>ren nicht Vorhabens bin; aber daß in Sa-<lb/>
chen/ die durch die/ allen <hi rendition="#aq">nationen</hi> auff gemei-<lb/>
ne Arteingepflantzte Vernunfft/ erkennet wer-<lb/>
den die Erka&#x0364;ntnu&#x0364;ß ausla&#x0364;ndi&#x017F;cher Sprachen<lb/>
gar nicht von no&#x0364;then &#x017F;ey. Die Weltweißhei<supplied>t</supplied><lb/>
i&#x017F;t &#x017F;o leichte/ daß die&#x017F;elbige von allen Leuten/ &#x017F;ie<lb/>
mo&#x0364;gen &#x017F;eyn/ von was fu&#x0364;r Stande oder Ge-<lb/>
&#x017F;chlecht &#x017F;ie wollen/ begriffen werden kan. So<lb/>
&#x017F;chrieben auch nicht die Griechi&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Philo-<lb/>
&#x017F;ophi Hebræ</hi>i&#x017F;ch/ noch die Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Grie-<lb/>
chi&#x017F;ch; &#x017F;ondern ein jeder gebraucht &#x017F;ich &#x017F;einer:<lb/>
Mutter-Sprache. Die Frantzo&#x017F;en wi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ich die&#x017F;es Vortheils heut zu Tage &#x017F;ehr wohl zu<lb/>
bedienen. Warumb &#x017F;ollen denn wir Teut-<lb/>
&#x017F;chen &#x017F;tets wa&#x0364;hrend von andern uns wegen die-<lb/>
&#x017F;es Vortheils auslachen la&#x017F;&#x017F;en/ als ob die <hi rendition="#aq">Phi-<lb/>
lo&#x017F;ophie</hi> und Gelahrheit nicht in un&#x017F;erer<lb/>
Sprache vorgetragen werden ko&#x0364;nte. Daß<lb/>
die&#x017F;e Schreib-Art vor die&#x017F;en nicht gebraucht<lb/>
worden/ oder von andern verworffen wird/ i&#x017F;t<lb/>
wohl die Ur&#x017F;ach/ weil man gemeinet/ oder noch<lb/>
&#x017F;ich heredet/ als wenn <hi rendition="#aq">Ari&#x017F;toteles, Thomas,</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">Sco-</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[13/0031] Vorrede. dern Sprachen geſchrieben zuverſtehen/ und in Sachen/ die von der autoritaͤt einer gewiſſen Schrifft dependiren/ nicht wohl unterlaſſen werden ſolte/ dergleichen ich doch hier zu tra- ctiren nicht Vorhabens bin; aber daß in Sa- chen/ die durch die/ allen nationen auff gemei- ne Arteingepflantzte Vernunfft/ erkennet wer- den die Erkaͤntnuͤß auslaͤndiſcher Sprachen gar nicht von noͤthen ſey. Die Weltweißheit iſt ſo leichte/ daß dieſelbige von allen Leuten/ ſie moͤgen ſeyn/ von was fuͤr Stande oder Ge- ſchlecht ſie wollen/ begriffen werden kan. So ſchrieben auch nicht die Griechiſchen Philo- ſophi Hebræiſch/ noch die Roͤmiſchen Grie- chiſch; ſondern ein jeder gebraucht ſich ſeiner: Mutter-Sprache. Die Frantzoſen wiſſen ſich dieſes Vortheils heut zu Tage ſehr wohl zu bedienen. Warumb ſollen denn wir Teut- ſchen ſtets waͤhrend von andern uns wegen die- ſes Vortheils auslachen laſſen/ als ob die Phi- loſophie und Gelahrheit nicht in unſerer Sprache vorgetragen werden koͤnte. Daß dieſe Schreib-Art vor dieſen nicht gebraucht worden/ oder von andern verworffen wird/ iſt wohl die Urſach/ weil man gemeinet/ oder noch ſich heredet/ als wenn Ariſtoteles, Thomas, Sco-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/31
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/31>, abgerufen am 30.04.2024.