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Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691.

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Vorrede.
ist/ vorstellen/ auch zu diesem Ende zu Bewei-
sung meiner Lehr-Sätze mich nichts anders als
der einem jeden von ihnen eingepflantzten Ver-
nunfft bedienen/ keines weges aber mit der Au-
torität/ derer die etwa solches vor mir gelehret/
pochen/ weil ich sonsten das praejudicium au-
toritatis humanae,
das für andern die Jugend
an Erkäntnüß der Warheit hindert/ nimmer-
mehr würde in einen mercklichen Grad aus-
rotten können. Gleich wie ich aber mich fleißig
bemühen werde/ daß in dieser Stunde alle
nothwendige Stücke (partes necessariae) zu
der ihnen von mir versprochenen Gelahrheit
meinen Zuhörern beygebracht werden könne/
also wolte ich auch gerne die zu jeden studio ge-
hörige attention bey ihnen durch etwas er-
wecken/ oder vielmehr dieselbige befördern und
erleichtern.

3. Durch blosses zuhören eines discurses
eine doctrin vollständig zufassen/ ist fast mo-
raliter
unmöglich/ theils weil an gehöriger
Auffmercksamkeit uns gar öffters frembde Ge-
dancken hindern; theils/ weil doch unser Ge-
dächtnüß so geartet ist/ daß/ wenn es keine sub-
sidia
zum Grunde hat/ es die connexion der
Warheiten und Lehren gar leicht wieder aus

der
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Vorrede.
iſt/ vorſtellen/ auch zu dieſem Ende zu Bewei-
ſung meiner Lehr-Saͤtze mich nichts anders als
der einem jeden von ihnen eingepflantzten Ver-
nunfft bedienen/ keines weges aber mit der Au-
toritaͤt/ derer die etwa ſolches vor mir gelehret/
pochen/ weil ich ſonſten das præjudicium au-
toritatis humanæ,
das fuͤr andern die Jugend
an Erkaͤntnuͤß der Warheit hindert/ nimmer-
mehr wuͤrde in einen mercklichen Grad aus-
rotten koͤnnen. Gleich wie ich aber mich fleißig
bemuͤhen werde/ daß in dieſer Stunde alle
nothwendige Stuͤcke (partes neceſſariæ) zu
der ihnen von mir verſprochenen Gelahrheit
meinen Zuhoͤrern beygebracht werden koͤnne/
alſo wolte ich auch gerne die zu jeden ſtudio ge-
hoͤrige attention bey ihnen durch etwas er-
wecken/ oder vielmehr dieſelbige befoͤrdern und
erleichtern.

3. Durch bloſſes zuhoͤren eines diſcurſes
eine doctrin vollſtaͤndig zufaſſen/ iſt faſt mo-
raliter
unmoͤglich/ theils weil an gehoͤriger
Auffmerckſamkeit uns gar oͤffters frembde Ge-
dancken hindern; theils/ weil doch unſer Ge-
daͤchtnuͤß ſo geartet iſt/ daß/ wenn es keine ſub-
ſidia
zum Grunde hat/ es die connexion der
Warheiten und Lehren gar leicht wieder aus

der
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[5/0023] Vorrede. iſt/ vorſtellen/ auch zu dieſem Ende zu Bewei- ſung meiner Lehr-Saͤtze mich nichts anders als der einem jeden von ihnen eingepflantzten Ver- nunfft bedienen/ keines weges aber mit der Au- toritaͤt/ derer die etwa ſolches vor mir gelehret/ pochen/ weil ich ſonſten das præjudicium au- toritatis humanæ, das fuͤr andern die Jugend an Erkaͤntnuͤß der Warheit hindert/ nimmer- mehr wuͤrde in einen mercklichen Grad aus- rotten koͤnnen. Gleich wie ich aber mich fleißig bemuͤhen werde/ daß in dieſer Stunde alle nothwendige Stuͤcke (partes neceſſariæ) zu der ihnen von mir verſprochenen Gelahrheit meinen Zuhoͤrern beygebracht werden koͤnne/ alſo wolte ich auch gerne die zu jeden ſtudio ge- hoͤrige attention bey ihnen durch etwas er- wecken/ oder vielmehr dieſelbige befoͤrdern und erleichtern. 3. Durch bloſſes zuhoͤren eines diſcurſes eine doctrin vollſtaͤndig zufaſſen/ iſt faſt mo- raliter unmoͤglich/ theils weil an gehoͤriger Auffmerckſamkeit uns gar oͤffters frembde Ge- dancken hindern; theils/ weil doch unſer Ge- daͤchtnuͤß ſo geartet iſt/ daß/ wenn es keine ſub- ſidia zum Grunde hat/ es die connexion der Warheiten und Lehren gar leicht wieder aus der A 3

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/23>, abgerufen am 30.04.2024.