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Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691.

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Das 8. Hauptst. von denen ersten
reale atqve actuale, & non ens. Denn die
Warheit ist warhafftig etwas/ und die
Unwarheit ist gar nichts.

15. Ey sprichst du/ wie kan das seyn? Wenn
die Unwarheit oder das Falsche gar nichts wä-
re/ so würden ja so viel kluge Leute das Fal-
sche nicht einen Augenblick für wahr halten
können/ und also wäre mein Tage kein Jrr-
thum
in der Welt/ als unter unmündigen
Kindern oder offenbahren Narren. Denn
wer wolte sich/ zum Exempel/ bereden/ daß
er einen Menschen sähe/ wenn kein Mensch
da wäre/ oder hundert Thaler bekommen
hätte/ wenn ihm der andere eine leere Hand
gegeben.

16. Mein lieber Freund/ dieses ist alles
gar wohl möglich. Denn ich will dir nicht zu
Gemüthe führen/ daß man grosse Leute bere-
den könne/ daß ein Mensch gegenwärtig sey/
ob sie gleich nichts sehen/ ja daß in gemeinen
Leben die klügsten Leute öffters eiteln Wind
für baar Geld annehmen/ giebt es doch viel
gelehrte Gecken/ die sich feste bereden/ sie hät-
ten einen conceptum de nibilo oder non ente,
und dieses wäre würcklich in ihrer Vernunfft/
und nennen es deßwegen ens rationis im-
possibile.

17. Denn

Das 8. Hauptſt. von denen erſten
reale atqve actuale, & non ens. Denn die
Warheit iſt warhafftig etwas/ und die
Unwarheit iſt gar nichts.

15. Ey ſprichſt du/ wie kan das ſeyn? Wenn
die Unwarheit oder das Falſche gar nichts waͤ-
re/ ſo wuͤrden ja ſo viel kluge Leute das Fal-
ſche nicht einen Augenblick fuͤr wahr halten
koͤnnen/ und alſo waͤre mein Tage kein Jrr-
thum
in der Welt/ als unter unmuͤndigen
Kindern oder offenbahren Narren. Denn
wer wolte ſich/ zum Exempel/ bereden/ daß
er einen Menſchen ſaͤhe/ wenn kein Menſch
da waͤre/ oder hundert Thaler bekommen
haͤtte/ wenn ihm der andere eine leere Hand
gegeben.

16. Mein lieber Freund/ dieſes iſt alles
gar wohl moͤglich. Denn ich will dir nicht zu
Gemuͤthe fuͤhren/ daß man groſſe Leute bere-
den koͤnne/ daß ein Menſch gegenwaͤrtig ſey/
ob ſie gleich nichts ſehen/ ja daß in gemeinen
Leben die kluͤgſten Leute oͤffters eiteln Wind
fuͤr baar Geld annehmen/ giebt es doch viel
gelehrte Gecken/ die ſich feſte bereden/ ſie haͤt-
ten einen conceptum de nibilo oder non ente,
und dieſes waͤre wuͤrcklich in ihrer Vernunfft/
und nennen es deßwegen ens rationis im-
posſibile.

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[206/0224] Das 8. Hauptſt. von denen erſten reale atqve actuale, & non ens. Denn die Warheit iſt warhafftig etwas/ und die Unwarheit iſt gar nichts. 15. Ey ſprichſt du/ wie kan das ſeyn? Wenn die Unwarheit oder das Falſche gar nichts waͤ- re/ ſo wuͤrden ja ſo viel kluge Leute das Fal- ſche nicht einen Augenblick fuͤr wahr halten koͤnnen/ und alſo waͤre mein Tage kein Jrr- thum in der Welt/ als unter unmuͤndigen Kindern oder offenbahren Narren. Denn wer wolte ſich/ zum Exempel/ bereden/ daß er einen Menſchen ſaͤhe/ wenn kein Menſch da waͤre/ oder hundert Thaler bekommen haͤtte/ wenn ihm der andere eine leere Hand gegeben. 16. Mein lieber Freund/ dieſes iſt alles gar wohl moͤglich. Denn ich will dir nicht zu Gemuͤthe fuͤhren/ daß man groſſe Leute bere- den koͤnne/ daß ein Menſch gegenwaͤrtig ſey/ ob ſie gleich nichts ſehen/ ja daß in gemeinen Leben die kluͤgſten Leute oͤffters eiteln Wind fuͤr baar Geld annehmen/ giebt es doch viel gelehrte Gecken/ die ſich feſte bereden/ ſie haͤt- ten einen conceptum de nibilo oder non ente, und dieſes waͤre wuͤrcklich in ihrer Vernunfft/ und nennen es deßwegen ens rationis im- posſibile. 17. Denn

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/224>, abgerufen am 25.11.2024.