Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691.

Bild:
<< vorherige Seite

Das 6. Hauptstück von denen
deren Sinnen/ als der/ die durch die thätli-
chen
Gedancken erhalten und ausgeübet wird/
denn ein Blinder/ Rasender/ Schlaffender rai-
sonni
ret nicht allein von individuis, sondern
auch von abwesenden universalibus übel.

32. Jedoch ist unter diesen dreyen reqvi-
sitis
ein mercklicher Unterscheid. Der
Schlaff hindert mich natürlicher Weise an
Erkäntnüß aller Warheiten/ weil nehmlich
der Anfang aller Erkäntnüß/ ich meine/ das
Gesicht/ Gehör und Gefühl durch denselben
verschlossen werden. Und es sey nun/ daß der
Schlaff ohne Träume ist/ so gedenckt der
Mensch weder was wahres noch falsches/ o-
der daß er mit Träumen vergesellschafft sey/
fo weiset es einem jeden sein eigen Gewissen/
wenn er erwacht ist/ daß dieselbigen entweder
gantz falsch/ oder doch durch und durch mit fal-
schen vermischte Dinge vorgestellet haben.

33. Bey rasenden und verruckten Leuten
sind die innerlichen theils des Gehirnes mehr
verderbet/ verruckt als die euserlichen Gliedma-
sen/ und obgleich mehrentheils dadurch die im-
pressiones
der euserlichen Gliedmassen gantz
gehindert werden/ so geschiehet es doch zuwei-
len/ daß diese innerliche Verwirrung nur eine

ein-

Das 6. Hauptſtuͤck von denen
deren Sinnen/ als der/ die durch die thaͤtli-
chen
Gedancken erhalten und ausgeuͤbet wird/
denn ein Blinder/ Raſender/ Schlaffender rai-
ſonni
ret nicht allein von individuis, ſondern
auch von abweſenden univerſalibus uͤbel.

32. Jedoch iſt unter dieſen dreyen reqvi-
ſitis
ein mercklicher Unterſcheid. Der
Schlaff hindert mich natuͤrlicher Weiſe an
Erkaͤntnuͤß aller Warheiten/ weil nehmlich
der Anfang aller Erkaͤntnuͤß/ ich meine/ das
Geſicht/ Gehoͤr und Gefuͤhl durch denſelben
verſchloſſen werden. Und es ſey nun/ daß der
Schlaff ohne Traͤume iſt/ ſo gedenckt der
Menſch weder was wahres noch falſches/ o-
der daß er mit Traͤumen vergeſellſchafft ſey/
fo weiſet es einem jeden ſein eigen Gewiſſen/
wenn er erwacht iſt/ daß dieſelbigen entweder
gantz falſch/ oder doch durch und durch mit fal-
ſchen vermiſchte Dinge vorgeſtellet haben.

33. Bey raſenden und verruckten Leuten
ſind die innerlichen theils des Gehirnes mehr
verderbet/ verruckt als die euſerlichen Gliedma-
ſen/ und obgleich mehrentheils dadurch die im-
preſſiones
der euſerlichen Gliedmaſſen gantz
gehindert werden/ ſo geſchiehet es doch zuwei-
len/ daß dieſe innerliche Verwirrung nur eine

ein-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0176" n="158"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das 6. Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck von denen</hi></fw><lb/>
deren <hi rendition="#fr">Sinnen/</hi> als der/ die durch die <hi rendition="#fr">tha&#x0364;tli-<lb/>
chen</hi> Gedancken erhalten und ausgeu&#x0364;bet wird/<lb/>
denn ein Blinder/ Ra&#x017F;ender/ Schlaffender <hi rendition="#aq">rai-<lb/>
&#x017F;onni</hi>ret nicht allein von <hi rendition="#aq">individuis,</hi> &#x017F;ondern<lb/>
auch von abwe&#x017F;enden <hi rendition="#aq">univer&#x017F;alibus</hi> u&#x0364;bel.</p><lb/>
        <p>32. Jedoch i&#x017F;t unter die&#x017F;en dreyen <hi rendition="#aq">reqvi-<lb/>
&#x017F;itis</hi> ein mercklicher Unter&#x017F;cheid. Der<lb/>
Schlaff hindert mich natu&#x0364;rlicher Wei&#x017F;e an<lb/>
Erka&#x0364;ntnu&#x0364;ß aller Warheiten/ weil nehmlich<lb/>
der Anfang aller Erka&#x0364;ntnu&#x0364;ß/ ich meine/ das<lb/>
Ge&#x017F;icht/ Geho&#x0364;r und Gefu&#x0364;hl durch den&#x017F;elben<lb/>
ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en werden. Und es &#x017F;ey nun/ daß der<lb/><hi rendition="#fr">Schlaff ohne Tra&#x0364;ume</hi> i&#x017F;t/ &#x017F;o gedenckt der<lb/>
Men&#x017F;ch weder was wahres noch fal&#x017F;ches/ o-<lb/>
der daß er <hi rendition="#fr">mit Tra&#x0364;umen</hi> verge&#x017F;ell&#x017F;chafft &#x017F;ey/<lb/>
fo wei&#x017F;et es einem jeden &#x017F;ein eigen Gewi&#x017F;&#x017F;en/<lb/>
wenn er erwacht i&#x017F;t/ daß die&#x017F;elbigen entweder<lb/>
gantz fal&#x017F;ch/ oder doch durch und durch mit fal-<lb/>
&#x017F;chen vermi&#x017F;chte Dinge vorge&#x017F;tellet haben.</p><lb/>
        <p>33. <hi rendition="#fr">Bey ra&#x017F;enden</hi> und verruckten Leuten<lb/>
&#x017F;ind die innerlichen theils des Gehirnes mehr<lb/>
verderbet/ verruckt als die eu&#x017F;erlichen Gliedma-<lb/>
&#x017F;en/ und obgleich mehrentheils dadurch die <hi rendition="#aq">im-<lb/>
pre&#x017F;&#x017F;iones</hi> der eu&#x017F;erlichen Gliedma&#x017F;&#x017F;en gantz<lb/>
gehindert werden/ &#x017F;o ge&#x017F;chiehet es doch zuwei-<lb/>
len/ daß die&#x017F;e innerliche Verwirrung nur eine<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ein-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[158/0176] Das 6. Hauptſtuͤck von denen deren Sinnen/ als der/ die durch die thaͤtli- chen Gedancken erhalten und ausgeuͤbet wird/ denn ein Blinder/ Raſender/ Schlaffender rai- ſonniret nicht allein von individuis, ſondern auch von abweſenden univerſalibus uͤbel. 32. Jedoch iſt unter dieſen dreyen reqvi- ſitis ein mercklicher Unterſcheid. Der Schlaff hindert mich natuͤrlicher Weiſe an Erkaͤntnuͤß aller Warheiten/ weil nehmlich der Anfang aller Erkaͤntnuͤß/ ich meine/ das Geſicht/ Gehoͤr und Gefuͤhl durch denſelben verſchloſſen werden. Und es ſey nun/ daß der Schlaff ohne Traͤume iſt/ ſo gedenckt der Menſch weder was wahres noch falſches/ o- der daß er mit Traͤumen vergeſellſchafft ſey/ fo weiſet es einem jeden ſein eigen Gewiſſen/ wenn er erwacht iſt/ daß dieſelbigen entweder gantz falſch/ oder doch durch und durch mit fal- ſchen vermiſchte Dinge vorgeſtellet haben. 33. Bey raſenden und verruckten Leuten ſind die innerlichen theils des Gehirnes mehr verderbet/ verruckt als die euſerlichen Gliedma- ſen/ und obgleich mehrentheils dadurch die im- preſſiones der euſerlichen Gliedmaſſen gantz gehindert werden/ ſo geſchiehet es doch zuwei- len/ daß dieſe innerliche Verwirrung nur eine ein-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/176
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/176>, abgerufen am 24.11.2024.