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Thomasius, Christian: Discours Welcher Gestalt man denen Frantzosen im gemeinen Leben und Wandel nachahmen solle. [Leipzig], [1690].

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den wir wenig ausrichten/ weil bißher schon eine geraume Zeit so
viel kluge Köpffe/ so viel edele Mitglieder der Fruchtbringenden
Gesellschafft vergebens daran gearbeitet haben. Was für Hin-
berungen im Wege stehen/ wäre anietzo zu weitläufftig zu erzehlen.
Jch wil nur dieses berühren: Jn Franckreich redet niemand
teutsch/ ausser etwan die Teutschen untereinander/ so sich darinne
auffhalten; Alleine bey uns Teutschen ist die Frantzösische Spra-
che so gemein worden/ daß an vielen Orten bereits Schuster und
Schneider/ Kinder und Gesinde dieselbige gut genung reden;
Solche eingerissene Gewonheit auszutilgen stehet bey keiner pri-
vat-
Person. kommet auch derselben im geringsten nicht zu. Wir
solten uns lieber derselben als eines Mittels bedienen/ die Gelehr-
samkeit dadurch fortzupflantzen. Der Jesuite Bouhours rüh-
met die Frantzösische Sprache weitläufftig/ daß sic fähig sey/ eben
dasjenige zu verrichten/ was man durch die Lateinische und Grie-
chische zu wege bringen kan/ dieweilen/ wie bereits erwehnet/ von
allen nöthigen Wissenschafften Bücher genung in Frantzösischer
Sprache ediret werden. Wir haben ja auch noch gute teutsche
Bücher/ obgleich nicht so häuffig. Warum solte es nicht angehen/
daß man durch Hülffe der Teutschen und Frantzösischen Sprache/
welche letztere fast bey uns naturalisiret worden/ Leute/ die sonsten
einen guten natürlichen Verstand haben/ in kurtzer Zeit viel weiter
in der Gelehrsamkeit brächte/ als daß man sie erst so viel Jahre
mit dem Lateinischen placket. Sprachen sind wohl Zierrathen
eines Gelehrten/ aber an sich selbst machen sie niemand gelehrt.

Man lasse diejenigen/ so Lust darzu haben/ und die vom stu-
di
ren die Zeit ihres Lebens profession machen wollen/ Latein
und Griechisch genung lernen/ denen andern aber/ so man im ge-
meinen Leben braüchen wil/ oder die nichts als Frantzösisch und
Teutsch gelernet haben/ und denen das studiren wegen des Latei-
nischen sauer und verdrießlich wird/ helffe man ohne Verdrießlich-

keit/
C 3

den wir wenig ausrichten/ weil bißher ſchon eine geraume Zeit ſo
viel kluge Koͤpffe/ ſo viel edele Mitglieder der Fruchtbringenden
Geſellſchafft vergebens daran gearbeitet haben. Was fuͤr Hin-
berungen im Wege ſtehen/ waͤre anietzo zu weitlaͤufftig zu erzehlen.
Jch wil nur dieſes beruͤhren: Jn Franckreich redet niemand
teutſch/ auſſer etwan die Teutſchen untereinander/ ſo ſich darinne
auffhalten; Alleine bey uns Teutſchen iſt die Frantzoͤſiſche Spra-
che ſo gemein worden/ daß an vielen Orten bereits Schuſter und
Schneider/ Kinder und Geſinde dieſelbige gut genung reden;
Solche eingeriſſene Gewonheit auszutilgen ſtehet bey keiner pri-
vat-
Perſon. kommet auch derſelben im geringſten nicht zu. Wir
ſolten uns lieber derſelben als eines Mittels bedienen/ die Gelehr-
ſamkeit dadurch fortzupflantzen. Der Jeſuite Bouhours ruͤh-
met die Frantzoͤſiſche Sprache weitlaͤufftig/ daß ſic faͤhig ſey/ eben
dasjenige zu verrichten/ was man durch die Lateiniſche und Grie-
chiſche zu wege bringen kan/ dieweilen/ wie bereits erwehnet/ von
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Sprache ediret werden. Wir haben ja auch noch gute teutſche
Buͤcher/ obgleich nicht ſo haͤuffig. Warum ſolte es nicht angehen/
daß man durch Huͤlffe der Teutſchen und Frantzoͤſiſchen Sprache/
welche letztere faſt bey uns naturaliſiret worden/ Leute/ die ſonſten
einen guten natuͤrlichen Verſtand haben/ in kurtzer Zeit viel weiter
in der Gelehrſamkeit braͤchte/ als daß man ſie erſt ſo viel Jahre
mit dem Lateiniſchen placket. Sprachen ſind wohl Zierrathen
eines Gelehrten/ aber an ſich ſelbſt machen ſie niemand gelehrt.

Man laſſe diejenigen/ ſo Luſt darzu haben/ und die vom ſtu-
di
ren die Zeit ihres Lebens profeſſion machen wollen/ Latein
und Griechiſch genung lernen/ denen andern aber/ ſo man im ge-
meinen Leben brauͤchen wil/ oder die nichts als Frantzoͤſiſch und
Teutſch gelernet haben/ und denen das ſtudiren wegen des Latei-
niſchen ſauer und verdrießlich wird/ helffe man ohne Verdrießlich-

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[21/0023] den wir wenig ausrichten/ weil bißher ſchon eine geraume Zeit ſo viel kluge Koͤpffe/ ſo viel edele Mitglieder der Fruchtbringenden Geſellſchafft vergebens daran gearbeitet haben. Was fuͤr Hin- berungen im Wege ſtehen/ waͤre anietzo zu weitlaͤufftig zu erzehlen. Jch wil nur dieſes beruͤhren: Jn Franckreich redet niemand teutſch/ auſſer etwan die Teutſchen untereinander/ ſo ſich darinne auffhalten; Alleine bey uns Teutſchen iſt die Frantzoͤſiſche Spra- che ſo gemein worden/ daß an vielen Orten bereits Schuſter und Schneider/ Kinder und Geſinde dieſelbige gut genung reden; Solche eingeriſſene Gewonheit auszutilgen ſtehet bey keiner pri- vat-Perſon. kommet auch derſelben im geringſten nicht zu. Wir ſolten uns lieber derſelben als eines Mittels bedienen/ die Gelehr- ſamkeit dadurch fortzupflantzen. Der Jeſuite Bouhours ruͤh- met die Frantzoͤſiſche Sprache weitlaͤufftig/ daß ſic faͤhig ſey/ eben dasjenige zu verrichten/ was man durch die Lateiniſche und Grie- chiſche zu wege bringen kan/ dieweilen/ wie bereits erwehnet/ von allen noͤthigen Wiſſenſchafften Bücher genung in Frantzoͤſiſcher Sprache ediret werden. Wir haben ja auch noch gute teutſche Buͤcher/ obgleich nicht ſo haͤuffig. Warum ſolte es nicht angehen/ daß man durch Huͤlffe der Teutſchen und Frantzoͤſiſchen Sprache/ welche letztere faſt bey uns naturaliſiret worden/ Leute/ die ſonſten einen guten natuͤrlichen Verſtand haben/ in kurtzer Zeit viel weiter in der Gelehrſamkeit braͤchte/ als daß man ſie erſt ſo viel Jahre mit dem Lateiniſchen placket. Sprachen ſind wohl Zierrathen eines Gelehrten/ aber an ſich ſelbſt machen ſie niemand gelehrt. Man laſſe diejenigen/ ſo Luſt darzu haben/ und die vom ſtu- diren die Zeit ihres Lebens profeſſion machen wollen/ Latein und Griechiſch genung lernen/ denen andern aber/ ſo man im ge- meinen Leben brauͤchen wil/ oder die nichts als Frantzoͤſiſch und Teutſch gelernet haben/ und denen das ſtudiren wegen des Latei- niſchen ſauer und verdrießlich wird/ helffe man ohne Verdrießlich- keit/ C 3

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Discours Welcher Gestalt man denen Frantzosen im gemeinen Leben und Wandel nachahmen solle. [Leipzig], [1690], S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_discours_1690/23>, abgerufen am 22.11.2024.