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Thomasius, Christian: Discours Welcher Gestalt man denen Frantzosen im gemeinen Leben und Wandel nachahmen solle. [Leipzig], [1690].

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sion machen/ etliche sich in täglicher conversation hauptsächlich
beliebt zu machen wissen/ etliche aber zu wichtigen Verrichtun-
gen für andern gebraucht werden können. Zu der ersten Art
erfordert er/ daß ein Gelehrter/ so sich dieses Titels würdig
machen will/ einen Verstand haben müsse/ qui soit solide, bril-
lant, penetrant, delicat, fertile, juste, universel, clair &
modeste;
daß er geschickt sey alle Sachen wohl zu unterschei-
den/ und selbige wie sie au selbst sind zubetrachten/ nicht aber wie
der gemeine Pöbel sich durch das euserliche Ansehen betriegen zu
lassen/ oder durch all zu subtiles nachsinnen sich eitele und vergeb-
liche Einbildungen davon zu machen/ daß er nicht verdrießlich
und mürrisch/ sondern lustig und lebhafft sey; das er die Grund-
Regeln derer Wissenschafften wohl verstehe/ auch dadurch die dun-
ckelsten Fragen entscheiden könne/ und nicht an allen zweiffele/
oder solche Wahrheiten/ so offenbahr und am Tage sind/ durch
unzeitiges disputiren ümbzustossen suche; daß er seine Gedan-
cken nicht plump und unangenehm sondern mit guter manier
und Anmuthigkeit fürzubringen wisse; daß er einen guten Vor-
rath habe von fürfallenden Sachen häuffig und doch nicht ver-
schwenderisch zu raisonniren, und nicht seine locos commu-
nes
auff einmahl ausschütte/ sondern denen jenigen sich verglei-
che/ die reich und propre gekleidet sind/ aber niemahls närrische
Unkosten auff ihre Kleidung wenden; daß er seine eigene Ge-
schickligkeit zu Marckte bringe/ und sich mit anderer Gelehrten
Gute nicht bereichere/ oder seine Sachen mit nichts als Sprü-
chelgen/ die er aus denen alten und neuen Scribenten zusammen
gesucht/ ausschmücke; daß er in allen guten Wissenschafften be-
wandert sey; daß er seine Gedancken andern klar und deutlich an
Tag geben könne/ und nicht so zweydeutig oder dunckel rede/ wie
ehe dessen die Oracula, oder als wenn er wolte lauter Rätzel auff-
zurathen geben; endlich daß er bescheiden sey und weder zu viel

von
B

ſion machen/ etliche ſich in taͤglicher converſation hauptſaͤchlich
beliebt zu machen wiſſen/ etliche aber zu wichtigen Verrichtun-
gen fuͤr andern gebraucht werden koͤnnen. Zu der erſten Art
erfordert er/ daß ein Gelehrter/ ſo ſich dieſes Titels wuͤrdig
machen will/ einen Verſtand haben muͤſſe/ qui ſoit ſolide, bril-
lant, penetrant, delicat, fertile, juſte, univerſel, clair &
modeſte;
daß er geſchickt ſey alle Sachen wohl zu unterſchei-
den/ und ſelbige wie ſie au ſelbſt ſind zubetrachten/ nicht aber wie
der gemeine Poͤbel ſich durch das euſerliche Anſehen betriegen zu
laſſen/ oder durch all zu ſubtiles nachſinnen ſich eitele und vergeb-
liche Einbildungen davon zu machen/ daß er nicht verdrießlich
und muͤrriſch/ ſondern luſtig und lebhafft ſey; das er die Grund-
Regeln derer Wiſſenſchafften wohl verſtehe/ auch dadurch die dun-
ckelſten Fragen entſcheiden koͤnne/ und nicht an allen zweiffele/
oder ſolche Wahrheiten/ ſo offenbahr und am Tage ſind/ durch
unzeitiges diſputiren uͤmbzuſtoſſen ſuche; daß er ſeine Gedan-
cken nicht plump und unangenehm ſondern mit guter manier
und Anmuthigkeit fuͤrzubringen wiſſe; daß er einen guten Vor-
rath habe von fuͤrfallenden Sachen haͤuffig und doch nicht ver-
ſchwenderiſch zu raiſonniren, und nicht ſeine locos commu-
nes
auff einmahl ausſchuͤtte/ ſondern denen jenigen ſich verglei-
che/ die reich und propre gekleidet ſind/ aber niemahls naͤrriſche
Unkoſten auff ihre Kleidung wenden; daß er ſeine eigene Ge-
ſchickligkeit zu Marckte bringe/ und ſich mit anderer Gelehrten
Gute nicht bereichere/ oder ſeine Sachen mit nichts als Spruͤ-
chelgen/ die er aus denen alten und neuen Scribenten zuſammen
geſucht/ ausſchmuͤcke; daß er in allen guten Wiſſenſchafften be-
wandert ſey; daß er ſeine Gedancken andern klar und deutlich an
Tag geben koͤnne/ und nicht ſo zweydeutig oder dunckel rede/ wie
ehe deſſen die Oracula, oder als wenn er wolte lauter Raͤtzel auff-
zurathen geben; endlich daß er beſcheiden ſey und weder zu viel

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[9/0011] ſion machen/ etliche ſich in taͤglicher converſation hauptſaͤchlich beliebt zu machen wiſſen/ etliche aber zu wichtigen Verrichtun- gen fuͤr andern gebraucht werden koͤnnen. Zu der erſten Art erfordert er/ daß ein Gelehrter/ ſo ſich dieſes Titels wuͤrdig machen will/ einen Verſtand haben muͤſſe/ qui ſoit ſolide, bril- lant, penetrant, delicat, fertile, juſte, univerſel, clair & modeſte; daß er geſchickt ſey alle Sachen wohl zu unterſchei- den/ und ſelbige wie ſie au ſelbſt ſind zubetrachten/ nicht aber wie der gemeine Poͤbel ſich durch das euſerliche Anſehen betriegen zu laſſen/ oder durch all zu ſubtiles nachſinnen ſich eitele und vergeb- liche Einbildungen davon zu machen/ daß er nicht verdrießlich und muͤrriſch/ ſondern luſtig und lebhafft ſey; das er die Grund- Regeln derer Wiſſenſchafften wohl verſtehe/ auch dadurch die dun- ckelſten Fragen entſcheiden koͤnne/ und nicht an allen zweiffele/ oder ſolche Wahrheiten/ ſo offenbahr und am Tage ſind/ durch unzeitiges diſputiren uͤmbzuſtoſſen ſuche; daß er ſeine Gedan- cken nicht plump und unangenehm ſondern mit guter manier und Anmuthigkeit fuͤrzubringen wiſſe; daß er einen guten Vor- rath habe von fuͤrfallenden Sachen haͤuffig und doch nicht ver- ſchwenderiſch zu raiſonniren, und nicht ſeine locos commu- nes auff einmahl ausſchuͤtte/ ſondern denen jenigen ſich verglei- che/ die reich und propre gekleidet ſind/ aber niemahls naͤrriſche Unkoſten auff ihre Kleidung wenden; daß er ſeine eigene Ge- ſchickligkeit zu Marckte bringe/ und ſich mit anderer Gelehrten Gute nicht bereichere/ oder ſeine Sachen mit nichts als Spruͤ- chelgen/ die er aus denen alten und neuen Scribenten zuſammen geſucht/ ausſchmuͤcke; daß er in allen guten Wiſſenſchafften be- wandert ſey; daß er ſeine Gedancken andern klar und deutlich an Tag geben koͤnne/ und nicht ſo zweydeutig oder dunckel rede/ wie ehe deſſen die Oracula, oder als wenn er wolte lauter Raͤtzel auff- zurathen geben; endlich daß er beſcheiden ſey und weder zu viel von B

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Discours Welcher Gestalt man denen Frantzosen im gemeinen Leben und Wandel nachahmen solle. [Leipzig], [1690], S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_discours_1690/11>, abgerufen am 24.11.2024.