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Thomasius, Christian: Discours Welcher Gestalt man denen Frantzosen im gemeinen Leben und Wandel nachahmen solle. [Leipzig], [1690].

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homme betrifft; halte ich wohl dafür/ daß sie gemeiniglich einen
chrlichen und gerechten Mann dadurch verstehen/ der niemand
mit Vorsatz beleidiget oder vervortheilet/ seyn gegebenes Wort
genau beobachtet/ denen dürfftigen/ so seine Hülffe von nöthen
haben/ willig und gerne beyspringe/ auch von seinen Guthaten
nicht viel Wesens machet/ noch dieselbe wieder vorrücket &c.
und wird ohne Zweiffel des Farets Tractätgen/ welches er d'un
honnete homme
geschrieben dieses alles weiter erläutern; wie
wohl jener Frantzose meinte/ dieses wäre ein honnete homme
der zugleich eine Maitreße/ einen verwirrten Proceß/ und eine
qverelle hätte/ und sich bey allen dreyen wohl betrüge. So
bemercken sie auch mit dem Titel Scavant einen Gelehrten/ aber
einen solchen/ der mit schönen und den menschlichen Geschlecht
nützlichen Wissenschafften gezieret ist/ denn denjenigen/ der im
Gegentheil den Kopff voll unnöhtige Grillen und Sophifte-
reien hat/ welche zu nichts nütz seyn/ als die so dieselben
lernen/ bey der klugen Welt zu prostituiren, nennen sie
Scavantas, welches fast dem klange nach mit unserm Wort
phantast übereinkommt. So viel un bel esprit betrifft/ muß
man nicht meinen/ daß mit diesem Titel die jenigen beleget wer-
den sollen/ welche in Gesellschafft einen lustigen Schwanck artig
zu erzehlen oder aus dem steigreiff ein Verßgen oder Liedgen zu
machen wissen/ obschon ins gemein solche Leute für beaux esprits
ausgeruffen werden/ so gar/ daß es bey denen Frantzosen fast da-
hin gekommen/ daß verständige Leute sich es für eine Schande ge-
halten mit diesen Namen gerühmet zu werden. Le Pere Bou-
hours
ein bekanter Jesuite hat die Eigenschafften/ welche zu
der wahrhafftigen Schönheit des Verstands eigendlich erfordert
werden/ weitläufftig beschrieben. Er machet dreyerley Arten
derer Leute/ die mit so einem schönen Geiste begabet sind/ derer
etliche fürnemlich vom studiren und der Gelehrsamkeit profes-

sion

homme betrifft; halte ich wohl dafuͤr/ daß ſie gemeiniglich einen
chrlichen und gerechten Mann dadurch verſtehen/ der niemand
mit Vorſatz beleidiget oder vervortheilet/ ſeyn gegebenes Wort
genau beobachtet/ denen duͤrfftigen/ ſo ſeine Huͤlffe von noͤthen
haben/ willig und gerne beyſpringe/ auch von ſeinen Guthaten
nicht viel Weſens machet/ noch dieſelbe wieder vorruͤcket &c.
und wird ohne Zweiffel des Farets Tractätgen/ welches er d’un
honnête homme
geſchrieben dieſes alles weiter erlaͤutern; wie
wohl jener Frantzoſe meinte/ dieſes waͤre ein honnête homme
der zugleich eine Maitreße/ einen verwirrten Proceß/ und eine
qverelle haͤtte/ und ſich bey allen dreyen wohl betruͤge. So
bemercken ſie auch mit dem Titel Scavant einen Gelehrten/ aber
einen ſolchen/ der mit ſchoͤnen und den menſchlichen Geſchlecht
nuͤtzlichen Wiſſenſchafften gezieret iſt/ denn denjenigen/ der im
Gegentheil den Kopff voll unnoͤhtige Grillen und Sophifte-
reien hat/ welche zu nichts nuͤtz ſeyn/ als die ſo dieſelben
lernen/ bey der klugen Welt zu proſtituiren, nennen ſie
Scavantas, welches faſt dem klange nach mit unſerm Wort
phantaſt uͤbereinkom̄t. So viel un bel esprit betrifft/ muß
man nicht meinen/ daß mit dieſem Titel die jenigen beleget wer-
den ſollen/ welche in Geſellſchafft einen luſtigen Schwanck artig
zu erzehlen oder aus dem ſteigreiff ein Verßgen oder Liedgen zu
machen wiſſen/ obſchon ins gemein ſolche Leute fuͤr beaux esprits
ausgeruffen werden/ ſo gar/ daß es bey denen Frantzoſen faſt da-
hin gekommen/ daß verſtaͤndige Leute ſich es fuͤr eine Schande ge-
halten mit dieſen Namen geruͤhmet zu werden. Le Pere Bou-
hours
ein bekanter Jeſuite hat die Eigenſchafften/ welche zu
der wahrhafftigen Schoͤnheit des Verſtands eigendlich erfordert
werden/ weitlaͤufftig beſchrieben. Er machet dreyerley Arten
derer Leute/ die mit ſo einem ſchoͤnen Geiſte begabet ſind/ derer
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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Discours Welcher Gestalt man denen Frantzosen im gemeinen Leben und Wandel nachahmen solle. [Leipzig], [1690], S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_discours_1690/10>, abgerufen am 29.03.2024.