Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691].

Bild:
<< vorherige Seite

andere zuverstehen.
sondern meinen eignen Kopff dran strecken;
Also kehre ich mich nichts daran/ wenn gleich
Ulpianus und Tribonianus sagen/ daß dieses die
Ursach sey/ warumb der Usufructuarius die
Kinder der Magd/ derer Gebrauch ihm ver-
macht ist/ nich für sich behalten könne/ weil es
sich nicht schicke/ daß ein Mensch den an-
dern Menschen als eine Nutzung behalten
könne.
Oder/ wenn Tribonianus anderswo
sagt/ daß man ehedessen einen minderjährigen
nicht vergönnet seinen Knecht ohne gewisse
Solennitäten frey zu lassen/ weil die Freyheit
ein unschätzbares Gut sey
u. s. w.

88. Wir müssen aber auch allhier wieder-
hohlen/ daß unsere Regel nur eine Muthmas-
sung
in der Auslegung mache/ und dannen-
hero nicht allenthalben darauff/ als auff eine
unbetrügliche Sache/ fussen. Dannenhero
wenn wir sehen/ daß der Fürstunsere Ausle-
gung über sein Gesetze verwirfft/ und derer
Gegentheil gut heisset/ so müssen wir nicht un-
billig nachgeben/ wenn gleich unsere Ausle-
gung mit denen gegebenen Regeln noch so wohl
überein käme. Denn da heist es alsdenn: Res
qvidem dura, sed ita lex scripta est.

89. Also wenn verboten ist/ daß eine Frau die

Ehe-
N 3

andere zuverſtehen.
ſondern meinen eignen Kopff dran ſtrecken;
Alſo kehre ich mich nichts daran/ wenn gleich
Ulpianus und Tribonianus ſagen/ daß dieſes die
Urſach ſey/ warumb der Uſufructuarius die
Kinder der Magd/ derer Gebrauch ihm ver-
macht iſt/ nich fuͤr ſich behalten koͤnne/ weil es
ſich nicht ſchicke/ daß ein Menſch den an-
dern Menſchen als eine Nutzung behalten
koͤnne.
Oder/ wenn Tribonianus anderswo
ſagt/ daß man ehedeſſen einen minderjaͤhrigen
nicht vergoͤnnet ſeinen Knecht ohne gewiſſe
Solennitaͤten frey zu laſſen/ weil die Freyheit
ein unſchaͤtzbares Gut ſey
u. ſ. w.

88. Wir muͤſſen aber auch allhier wieder-
hohlen/ daß unſere Regel nur eine Muthmaſ-
ſung
in der Auslegung mache/ und dannen-
hero nicht allenthalben darauff/ als auff eine
unbetruͤgliche Sache/ fuſſen. Dannenhero
wenn wir ſehen/ daß der Fuͤrſtunſere Ausle-
gung uͤber ſein Geſetze verwirfft/ und derer
Gegentheil gut heiſſet/ ſo muͤſſen wir nicht un-
billig nachgeben/ wenn gleich unſere Ausle-
gung mit denen gegebenen Regeln noch ſo wohl
uͤberein kaͤme. Denn da heiſt es alsdenn: Res
qvidem dura, ſed ita lex ſcripta eſt.

89. Alſo wenn verboten iſt/ daß eine Frau die

Ehe-
N 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0223" n="197"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">andere zuver&#x017F;tehen.</hi></fw><lb/>
&#x017F;ondern meinen eignen Kopff dran &#x017F;trecken;<lb/>
Al&#x017F;o kehre ich mich nichts daran/ wenn gleich<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Ulpianus</hi></hi> und <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Tribonianus</hi></hi> &#x017F;agen/ daß die&#x017F;es die<lb/>
Ur&#x017F;ach &#x017F;ey/ warumb der <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">U&#x017F;ufructuarius</hi></hi> die<lb/>
Kinder der Magd/ derer Gebrauch ihm ver-<lb/>
macht i&#x017F;t/ nich fu&#x0364;r &#x017F;ich behalten ko&#x0364;nne/ <hi rendition="#fr">weil es<lb/>
&#x017F;ich nicht &#x017F;chicke/ daß ein Men&#x017F;ch den an-<lb/>
dern Men&#x017F;chen als eine Nutzung behalten<lb/>
ko&#x0364;nne.</hi> Oder/ wenn <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Tribonianus</hi></hi> anderswo<lb/>
&#x017F;agt/ daß man ehede&#x017F;&#x017F;en einen minderja&#x0364;hrigen<lb/>
nicht vergo&#x0364;nnet &#x017F;einen Knecht ohne gewi&#x017F;&#x017F;e<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Solennit</hi></hi>a&#x0364;ten frey zu la&#x017F;&#x017F;en/ <hi rendition="#fr">weil die Freyheit<lb/>
ein un&#x017F;cha&#x0364;tzbares Gut &#x017F;ey</hi> u. &#x017F;. w.</p><lb/>
        <p>88. Wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en aber auch allhier wieder-<lb/>
hohlen/ daß un&#x017F;ere Regel nur eine <hi rendition="#fr">Muthma&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ung</hi> in der Auslegung mache/ und dannen-<lb/>
hero nicht allenthalben darauff/ als auff eine<lb/><hi rendition="#fr">unbetru&#x0364;gliche</hi> Sache/ fu&#x017F;&#x017F;en. Dannenhero<lb/>
wenn wir &#x017F;ehen/ daß der Fu&#x0364;r&#x017F;tun&#x017F;ere Ausle-<lb/>
gung u&#x0364;ber &#x017F;ein Ge&#x017F;etze verwirfft/ und derer<lb/>
Gegentheil gut hei&#x017F;&#x017F;et/ &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir nicht un-<lb/>
billig <hi rendition="#fr">nachgeben/</hi> wenn gleich un&#x017F;ere Ausle-<lb/>
gung mit denen gegebenen Regeln noch &#x017F;o wohl<lb/>
u&#x0364;berein ka&#x0364;me. Denn da hei&#x017F;t es alsdenn: <hi rendition="#aq">Res<lb/>
qvidem dura, &#x017F;ed ita lex &#x017F;cripta e&#x017F;t.</hi></p><lb/>
        <p>89. Al&#x017F;o wenn verboten i&#x017F;t/ daß eine Frau die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">N</hi> 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Ehe-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[197/0223] andere zuverſtehen. ſondern meinen eignen Kopff dran ſtrecken; Alſo kehre ich mich nichts daran/ wenn gleich Ulpianus und Tribonianus ſagen/ daß dieſes die Urſach ſey/ warumb der Uſufructuarius die Kinder der Magd/ derer Gebrauch ihm ver- macht iſt/ nich fuͤr ſich behalten koͤnne/ weil es ſich nicht ſchicke/ daß ein Menſch den an- dern Menſchen als eine Nutzung behalten koͤnne. Oder/ wenn Tribonianus anderswo ſagt/ daß man ehedeſſen einen minderjaͤhrigen nicht vergoͤnnet ſeinen Knecht ohne gewiſſe Solennitaͤten frey zu laſſen/ weil die Freyheit ein unſchaͤtzbares Gut ſey u. ſ. w. 88. Wir muͤſſen aber auch allhier wieder- hohlen/ daß unſere Regel nur eine Muthmaſ- ſung in der Auslegung mache/ und dannen- hero nicht allenthalben darauff/ als auff eine unbetruͤgliche Sache/ fuſſen. Dannenhero wenn wir ſehen/ daß der Fuͤrſtunſere Ausle- gung uͤber ſein Geſetze verwirfft/ und derer Gegentheil gut heiſſet/ ſo muͤſſen wir nicht un- billig nachgeben/ wenn gleich unſere Ausle- gung mit denen gegebenen Regeln noch ſo wohl uͤberein kaͤme. Denn da heiſt es alsdenn: Res qvidem dura, ſed ita lex ſcripta eſt. 89. Alſo wenn verboten iſt/ daß eine Frau die Ehe- N 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/223
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691], S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/223>, abgerufen am 25.11.2024.