Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

Bild:
<< vorherige Seite

Das 15. H. von der Unzulängligkeit
schen Sitten-Lehren von der doppelten Frey-
heit des Menschlichen Willens in Bestrei-
tung der
Affecten/ (de libertate Contradictio-
nis & contrarietatis,)
von ihnen vorgegeben und
gelehret wird/ daß durch diese Freyheit der
Mensch von denen unvernünfftigen Thieren
hauptsächlich entschieden werde: Daß in dieser
Freyheit sich alle Imputation gründe/ krafft
welcher man einen Menschen vor den Urheber
seines Thun und Lassens halte/ und ihn deswe-
gen nach Gelegenheit lobe oder straffe: Daß in
dem Proceß des Menschen Thun und Lassens
der Wille gleichsam auf einem Throne sitze/ und
nachdem ihn die sinnliche Begierde zum Bösen
angetrieben/ die Vernunfft hingegen ihn davon
abgehalten/ allemahl aus freyer Willkühr sich
zum Guten oder Bösen determinire. Und was
dergleichen Lehren mehr seyn mögen/ die/ ob-
wohl nicht mit Worten doch in der That eben
dasjenige sagen/ was wir zuvorher aus dem
Cartesio angeführet/ wodurch dann ein Mensch
schnur stracks/ er mag es nun gestehen wollen
oder nicht/ zum Stoicismo, und Pelagianismo
verleitet wird. Jch weiß ja wohl/ daß man ins-
gemein diese Schande zu dedecken sich unter den
Mantel der Distinction unter Philosophischen
und geistlichen Tugenden zu verbergen suchet/
dergestalt/ daß man in jenen zwar den Menschen
einen freyen Willen zulässet/ in diesen aber das
natürliche Unvermögen bekennet. Aber zu ge-

schwei-

Das 15. H. von der Unzulaͤngligkeit
ſchen Sitten-Lehren von der doppelten Frey-
heit des Menſchlichen Willens in Beſtrei-
tung der
Affecten/ (de libertate Contradictio-
nis & contrarietatis,)
von ihnen vorgegeben und
gelehret wird/ daß durch dieſe Freyheit der
Menſch von denen unvernuͤnfftigen Thieren
hauptſaͤchlich entſchieden werde: Daß in dieſer
Freyheit ſich alle Imputation gruͤnde/ krafft
welcher man einen Menſchen vor den Urheber
ſeines Thun und Laſſens halte/ und ihn deswe-
gen nach Gelegenheit lobe oder ſtraffe: Daß in
dem Proceß des Menſchen Thun und Laſſens
der Wille gleichſam auf einem Throne ſitze/ und
nachdem ihn die ſinnliche Begierde zum Boͤſen
angetrieben/ die Vernunfft hingegen ihn davon
abgehalten/ allemahl aus freyer Willkuͤhr ſich
zum Guten oder Boͤſen determinire. Und was
dergleichen Lehren mehr ſeyn moͤgen/ die/ ob-
wohl nicht mit Worten doch in der That eben
dasjenige ſagen/ was wir zuvorher aus dem
Carteſio angefuͤhret/ wodurch dann ein Menſch
ſchnur ſtracks/ er mag es nun geſtehen wollen
oder nicht/ zum Stoiciſmo, und Pelagianiſmo
verleitet wird. Jch weiß ja wohl/ daß man ins-
gemein dieſe Schande zu dedecken ſich unter den
Mantel der Diſtinction unter Philoſophiſchen
und geiſtlichen Tugenden zu verbergen ſuchet/
dergeſtalt/ daß man in jenen zwar den Menſchen
einen freyen Willen zulaͤſſet/ in dieſen aber das
natuͤrliche Unvermoͤgen bekennet. Aber zu ge-

ſchwei-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0510" n="498"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das 15. H. von der Unzula&#x0364;ngligkeit</hi></fw><lb/>
&#x017F;chen Sitten-Lehren von der <hi rendition="#fr">doppelten Frey-<lb/>
heit des Men&#x017F;chlichen Willens in Be&#x017F;trei-<lb/>
tung der</hi> <hi rendition="#aq">Affect</hi><hi rendition="#fr">en/</hi> <hi rendition="#aq">(de libertate Contradictio-<lb/>
nis &amp; contrarietatis,)</hi> von ihnen vorgegeben und<lb/>
gelehret wird/ daß durch die&#x017F;e <hi rendition="#fr">Freyheit</hi> der<lb/>
Men&#x017F;ch von denen <hi rendition="#fr">unvernu&#x0364;nfftigen Thieren</hi><lb/>
haupt&#x017F;a&#x0364;chlich ent&#x017F;chieden werde: Daß in die&#x017F;er<lb/>
Freyheit &#x017F;ich alle <hi rendition="#aq">Imputation</hi> gru&#x0364;nde/ krafft<lb/>
welcher man einen Men&#x017F;chen vor den Urheber<lb/>
&#x017F;eines Thun und La&#x017F;&#x017F;ens halte/ und ihn deswe-<lb/>
gen nach Gelegenheit lobe oder &#x017F;traffe: Daß in<lb/>
dem <hi rendition="#aq">Proceß</hi> des Men&#x017F;chen Thun und La&#x017F;&#x017F;ens<lb/>
der Wille gleich&#x017F;am auf einem Throne &#x017F;itze/ und<lb/>
nachdem ihn die &#x017F;innliche Begierde zum Bo&#x0364;&#x017F;en<lb/>
angetrieben/ die Vernunfft hingegen ihn davon<lb/>
abgehalten/ allemahl <hi rendition="#fr">aus freyer Willku&#x0364;hr</hi> &#x017F;ich<lb/>
zum Guten oder Bo&#x0364;&#x017F;en <hi rendition="#aq">determini</hi>re. Und was<lb/>
dergleichen Lehren mehr &#x017F;eyn mo&#x0364;gen/ die/ ob-<lb/>
wohl nicht mit Worten doch in der That eben<lb/>
dasjenige &#x017F;agen/ was wir zuvorher aus dem<lb/><hi rendition="#aq">Carte&#x017F;io</hi> angefu&#x0364;hret/ wodurch dann ein Men&#x017F;ch<lb/>
&#x017F;chnur &#x017F;tracks/ er mag es nun ge&#x017F;tehen wollen<lb/>
oder nicht/ zum <hi rendition="#aq">Stoici&#x017F;mo,</hi> und <hi rendition="#aq">Pelagiani&#x017F;mo</hi><lb/>
verleitet wird. Jch weiß ja wohl/ daß man ins-<lb/>
gemein die&#x017F;e Schande zu dedecken &#x017F;ich unter den<lb/>
Mantel der <hi rendition="#aq">Di&#x017F;tinction</hi> unter <hi rendition="#aq">Philo&#x017F;ophi</hi><hi rendition="#fr">&#x017F;chen</hi><lb/>
und <hi rendition="#fr">gei&#x017F;tlichen Tugenden</hi> zu verbergen &#x017F;uchet/<lb/>
derge&#x017F;talt/ daß man in jenen zwar den Men&#x017F;chen<lb/>
einen freyen Willen zula&#x0364;&#x017F;&#x017F;et/ in die&#x017F;en aber das<lb/>
natu&#x0364;rliche Unvermo&#x0364;gen bekennet. Aber zu ge-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chwei-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[498/0510] Das 15. H. von der Unzulaͤngligkeit ſchen Sitten-Lehren von der doppelten Frey- heit des Menſchlichen Willens in Beſtrei- tung der Affecten/ (de libertate Contradictio- nis & contrarietatis,) von ihnen vorgegeben und gelehret wird/ daß durch dieſe Freyheit der Menſch von denen unvernuͤnfftigen Thieren hauptſaͤchlich entſchieden werde: Daß in dieſer Freyheit ſich alle Imputation gruͤnde/ krafft welcher man einen Menſchen vor den Urheber ſeines Thun und Laſſens halte/ und ihn deswe- gen nach Gelegenheit lobe oder ſtraffe: Daß in dem Proceß des Menſchen Thun und Laſſens der Wille gleichſam auf einem Throne ſitze/ und nachdem ihn die ſinnliche Begierde zum Boͤſen angetrieben/ die Vernunfft hingegen ihn davon abgehalten/ allemahl aus freyer Willkuͤhr ſich zum Guten oder Boͤſen determinire. Und was dergleichen Lehren mehr ſeyn moͤgen/ die/ ob- wohl nicht mit Worten doch in der That eben dasjenige ſagen/ was wir zuvorher aus dem Carteſio angefuͤhret/ wodurch dann ein Menſch ſchnur ſtracks/ er mag es nun geſtehen wollen oder nicht/ zum Stoiciſmo, und Pelagianiſmo verleitet wird. Jch weiß ja wohl/ daß man ins- gemein dieſe Schande zu dedecken ſich unter den Mantel der Diſtinction unter Philoſophiſchen und geiſtlichen Tugenden zu verbergen ſuchet/ dergeſtalt/ daß man in jenen zwar den Menſchen einen freyen Willen zulaͤſſet/ in dieſen aber das natuͤrliche Unvermoͤgen bekennet. Aber zu ge- ſchwei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/510
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/510>, abgerufen am 22.11.2024.