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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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böse Affecten zu dämpffen.
Anleitung geben. Ein Wohllüstiger Mensch
hat vonnöthen/ 1. Die grosse Eitelkeit der Lust/
die aus Essen und Trincken oder Conversa-
tion
mit Frauen-Volcke und lustiger Gesell-
schafft entstehet/ zu erwegen/ und wie hierbey
viel Dinge/ mehr in einer närrischen Einbildung
und seinen eigenen Gedancken bestehen/ als in der
That selbsten. 2. Muß er wohl betrachten/ daß
nach denen Grund-Regeln der Sitten-Lehre/
in einem nüchternen und keuschen Leben eine viel
warhafftigere und grössere/ zwar nicht so empfind-
liche/ aber viel dauerhafftere Belustigung bestehe.
3. Muß er rechtschaffen überschlagen/ was das
unmäßige wohllüstige Leben vor vielen Verdrieß-
ligkeiten unterworffen sey/ auch im Gebrauch
und Geniessung der Wohllust selbst. 4. Muß
er alsdann reifflich bedencken/ was noch für
grössern Verdruß und Unlust das wohllüstige
Leben/ als seine Früchte nach sich ziehe. 5. Her-
nach muß er sich vornehmen/ nicht allein die Ge-
sellschafft lustiger und versoffener Brüder und
geiler oder verlöffelter Weibes-Personen und
Coquetten, sondern auch sonst erbare Gaste-
reyen oder Schmäuße/ ingleichen alles delicate
Essen und Trincken/ nicht weniger die Gesell-
schafft auch ehrlicher Weibes-Personen/ zu-
mahl wann selbige artig und schön sind/ zu
meyden. 6. Wird er sich vielmehr angelegen
seyn lassen/ die Gesellschafft keuscher und mäßi-
ger Mannes-Personen zu suchen: Er wird sich

üben/
H h 2

boͤſe Affecten zu daͤmpffen.
Anleitung geben. Ein Wohlluͤſtiger Menſch
hat vonnoͤthen/ 1. Die groſſe Eitelkeit der Luſt/
die aus Eſſen und Trincken oder Converſa-
tion
mit Frauen-Volcke und luſtiger Geſell-
ſchafft entſtehet/ zu erwegen/ und wie hierbey
viel Dinge/ mehr in einer naͤrriſchen Einbildung
und ſeinen eigenen Gedancken beſtehen/ als in der
That ſelbſten. 2. Muß er wohl betrachten/ daß
nach denen Grund-Regeln der Sitten-Lehre/
in einem nuͤchternen und keuſchen Leben eine viel
warhafftigere und groͤſſere/ zwar nicht ſo empfind-
liche/ aber viel dauerhafftere Beluſtigung beſtehe.
3. Muß er rechtſchaffen uͤberſchlagen/ was das
unmaͤßige wohlluͤſtige Leben vor vielen Verdrieß-
ligkeiten unterworffen ſey/ auch im Gebrauch
und Genieſſung der Wohlluſt ſelbſt. 4. Muß
er alsdann reifflich bedencken/ was noch fuͤr
groͤſſern Verdruß und Unluſt das wohlluͤſtige
Leben/ als ſeine Fruͤchte nach ſich ziehe. 5. Her-
nach muß er ſich vornehmen/ nicht allein die Ge-
ſellſchafft luſtiger und verſoffener Bruͤder und
geiler oder verloͤffelter Weibes-Perſonen und
Coquetten, ſondern auch ſonſt erbare Gaſte-
reyen oder Schmaͤuße/ ingleichen alles delicate
Eſſen und Trincken/ nicht weniger die Geſell-
ſchafft auch ehrlicher Weibes-Perſonen/ zu-
mahl wann ſelbige artig und ſchoͤn ſind/ zu
meyden. 6. Wird er ſich vielmehr angelegen
ſeyn laſſen/ die Geſellſchafft keuſcher und maͤßi-
ger Mannes-Perſonen zu ſuchen: Er wird ſich

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[483/0495] boͤſe Affecten zu daͤmpffen. Anleitung geben. Ein Wohlluͤſtiger Menſch hat vonnoͤthen/ 1. Die groſſe Eitelkeit der Luſt/ die aus Eſſen und Trincken oder Converſa- tion mit Frauen-Volcke und luſtiger Geſell- ſchafft entſtehet/ zu erwegen/ und wie hierbey viel Dinge/ mehr in einer naͤrriſchen Einbildung und ſeinen eigenen Gedancken beſtehen/ als in der That ſelbſten. 2. Muß er wohl betrachten/ daß nach denen Grund-Regeln der Sitten-Lehre/ in einem nuͤchternen und keuſchen Leben eine viel warhafftigere und groͤſſere/ zwar nicht ſo empfind- liche/ aber viel dauerhafftere Beluſtigung beſtehe. 3. Muß er rechtſchaffen uͤberſchlagen/ was das unmaͤßige wohlluͤſtige Leben vor vielen Verdrieß- ligkeiten unterworffen ſey/ auch im Gebrauch und Genieſſung der Wohlluſt ſelbſt. 4. Muß er alsdann reifflich bedencken/ was noch fuͤr groͤſſern Verdruß und Unluſt das wohlluͤſtige Leben/ als ſeine Fruͤchte nach ſich ziehe. 5. Her- nach muß er ſich vornehmen/ nicht allein die Ge- ſellſchafft luſtiger und verſoffener Bruͤder und geiler oder verloͤffelter Weibes-Perſonen und Coquetten, ſondern auch ſonſt erbare Gaſte- reyen oder Schmaͤuße/ ingleichen alles delicate Eſſen und Trincken/ nicht weniger die Geſell- ſchafft auch ehrlicher Weibes-Perſonen/ zu- mahl wann ſelbige artig und ſchoͤn ſind/ zu meyden. 6. Wird er ſich vielmehr angelegen ſeyn laſſen/ die Geſellſchafft keuſcher und maͤßi- ger Mannes-Perſonen zu ſuchen: Er wird ſich uͤben/ H h 2

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 483. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/495>, abgerufen am 23.07.2024.