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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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Das 14. H. von der vernünfft. Kunst/
üben/ wenig oder gar nicht delicate Speise und
Tranck zu gebrauchen/ der Faulläntzerey sich
zu entschlagen/ und so wohl den Leib als das Ge-
müthe nach und nach zu mäßiger Arbeit zu ge-
wöhnen/ biß er sich getrauet/ der Reitzung lu-
stiger Gesellschafft oder delicater Speise und
schönes Weibes-Volcks Widerstand zu thun.

27. Wenn der Ehr-Geitz die herrschende
Gemüths-Neigung ist/ muß der Mensch 1. wohl
betrachten die Eitelkeit desjenigen/ was von der
Welt Ehre genennet wird/ und wie wenig rea-
les
und warhafftig Vergnügendes darunter sey?
2. Wird er überlegen/ wie bey dem mittel- oder
geringen Stande mehr Freyheit und weniger
Unruhe sey/ und wie ein Mensch in einem jeden
Stande Gelegenheit genung habe/ tugendhafft
sich gegen andere zu erweisen/ worinnen der Grund
der wahren Ehre bestehet. 3. Daß bey dem Ehr-
süchtigen Leben nichts als würcklicher Verdruß
und äusserste Unruhe sey/ und daß/ je grösser
die Ehre sey/ je grösser auch der Verdruß werde/
dergestalt/ daß z. e. die gröste Ehre bey Hofe mit
einer überaus grossen und der Sclaverey nicht
unähnlichen Mühseligkeit vergesellschafftet sey.
4. Und daß ein Ehr-Geitziger endlich noch mehr
Verdruß/ ja äusserste Schmach und Schande/
als die Früchte seines Ehr-Geitzes zu gewarten
habe. 5. Wird er nicht allein die Gesellschafft
Ehrgeitziger Leute/ sondern auch grosse und Lob-
würdige Thaten meyden/ und sich der Gelegen-

heit

Das 14. H. von der vernuͤnfft. Kunſt/
uͤben/ wenig oder gar nicht delicate Speiſe und
Tranck zu gebrauchen/ der Faullaͤntzerey ſich
zu entſchlagen/ und ſo wohl den Leib als das Ge-
muͤthe nach und nach zu maͤßiger Arbeit zu ge-
woͤhnen/ biß er ſich getrauet/ der Reitzung lu-
ſtiger Geſellſchafft oder delicater Speiſe und
ſchoͤnes Weibes-Volcks Widerſtand zu thun.

27. Wenn der Ehr-Geitz die herrſchende
Gemuͤths-Neigung iſt/ muß der Menſch 1. wohl
betrachten die Eitelkeit desjenigen/ was von der
Welt Ehre genennet wird/ und wie wenig rea-
les
und warhafftig Vergnuͤgendes darunter ſey?
2. Wird er uͤberlegen/ wie bey dem mittel- oder
geringen Stande mehr Freyheit und weniger
Unruhe ſey/ und wie ein Menſch in einem jeden
Stande Gelegenheit genung habe/ tugendhafft
ſich gegen andere zu erweiſen/ woriñen der Grund
der wahren Ehre beſtehet. 3. Daß bey dem Ehr-
ſuͤchtigen Leben nichts als wuͤrcklicher Verdruß
und aͤuſſerſte Unruhe ſey/ und daß/ je groͤſſer
die Ehre ſey/ je groͤſſer auch der Verdruß werde/
dergeſtalt/ daß z. e. die groͤſte Ehre bey Hofe mit
einer uͤberaus groſſen und der Sclaverey nicht
unaͤhnlichen Muͤhſeligkeit vergeſellſchafftet ſey.
4. Und daß ein Ehr-Geitziger endlich noch mehr
Verdruß/ ja aͤuſſerſte Schmach und Schande/
als die Fruͤchte ſeines Ehr-Geitzes zu gewarten
habe. 5. Wird er nicht allein die Geſellſchafft
Ehrgeitziger Leute/ ſondern auch groſſe und Lob-
wuͤrdige Thaten meyden/ und ſich der Gelegen-

heit
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[484/0496] Das 14. H. von der vernuͤnfft. Kunſt/ uͤben/ wenig oder gar nicht delicate Speiſe und Tranck zu gebrauchen/ der Faullaͤntzerey ſich zu entſchlagen/ und ſo wohl den Leib als das Ge- muͤthe nach und nach zu maͤßiger Arbeit zu ge- woͤhnen/ biß er ſich getrauet/ der Reitzung lu- ſtiger Geſellſchafft oder delicater Speiſe und ſchoͤnes Weibes-Volcks Widerſtand zu thun. 27. Wenn der Ehr-Geitz die herrſchende Gemuͤths-Neigung iſt/ muß der Menſch 1. wohl betrachten die Eitelkeit desjenigen/ was von der Welt Ehre genennet wird/ und wie wenig rea- les und warhafftig Vergnuͤgendes darunter ſey? 2. Wird er uͤberlegen/ wie bey dem mittel- oder geringen Stande mehr Freyheit und weniger Unruhe ſey/ und wie ein Menſch in einem jeden Stande Gelegenheit genung habe/ tugendhafft ſich gegen andere zu erweiſen/ woriñen der Grund der wahren Ehre beſtehet. 3. Daß bey dem Ehr- ſuͤchtigen Leben nichts als wuͤrcklicher Verdruß und aͤuſſerſte Unruhe ſey/ und daß/ je groͤſſer die Ehre ſey/ je groͤſſer auch der Verdruß werde/ dergeſtalt/ daß z. e. die groͤſte Ehre bey Hofe mit einer uͤberaus groſſen und der Sclaverey nicht unaͤhnlichen Muͤhſeligkeit vergeſellſchafftet ſey. 4. Und daß ein Ehr-Geitziger endlich noch mehr Verdruß/ ja aͤuſſerſte Schmach und Schande/ als die Fruͤchte ſeines Ehr-Geitzes zu gewarten habe. 5. Wird er nicht allein die Geſellſchafft Ehrgeitziger Leute/ ſondern auch groſſe und Lob- wuͤrdige Thaten meyden/ und ſich der Gelegen- heit

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/496>, abgerufen am 28.04.2024.