Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.böse Affecten zu dämpffen. wir durch Fortfahren in schweren Dingen nichtsmehr gewinnen/ so üben wir uns doch zum we- nigsten in der Gedult/ und erlangen etwas da- von. Die Gedult aber ist die vornehmste Tu- gend der vernünfftigen Liebe/ und vielleicht nichts anders als die Ruhe selbst u. s. w. 20. Nach diesem ist es vernünfftig/ daß der mei-
boͤſe Affecten zu daͤmpffen. wir durch Fortfahren in ſchweren Dingen nichtsmehr gewinnen/ ſo uͤben wir uns doch zum we- nigſten in der Gedult/ und erlangen etwas da- von. Die Gedult aber iſt die vornehmſte Tu- gend der vernuͤnfftigen Liebe/ und vielleicht nichts anders als die Ruhe ſelbſt u. ſ. w. 20. Nach dieſem iſt es vernuͤnfftig/ daß der mei-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0489" n="477"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">boͤſe <hi rendition="#aq">Affect</hi>en zu daͤmpffen.</hi></fw><lb/> wir durch Fortfahren in ſchweren Dingen nichts<lb/> mehr gewinnen/ ſo uͤben wir uns doch zum we-<lb/> nigſten in der Gedult/ und erlangen etwas da-<lb/> von. Die Gedult aber iſt die vornehmſte Tu-<lb/> gend der vernuͤnfftigen Liebe/ und vielleicht nichts<lb/> anders als die Ruhe ſelbſt u. ſ. w.</p><lb/> <p>20. Nach dieſem iſt es vernuͤnfftig/ daß der<lb/> Menſch ſeine herrſchende <hi rendition="#fr">Begierde ſelbſt an-<lb/> greiffe/</hi> und das Fuͤnckgen ſeiner vernuͤnfftigen<lb/> Liebe <hi rendition="#fr">anzufeuern</hi> ſich angelegen ſeyn laſſe/ wie<lb/> etwan ein kluger Krancker ſolche Artzneyen nim̃t/<lb/> die die Kranckheit ſchwaͤchen und die Natur ſtaͤr-<lb/> cken. Und dieſes iſt es/ wenn die alten <hi rendition="#aq">Philo-<lb/> ſophi,</hi> ſonderlich die Stoicker/ die Regeln eines<lb/> tugendhafften Lebens in zwey Worten einge-<lb/> ſchloſſen: <hi rendition="#aq">Suſtine & abſtine.</hi> Das Laſter der herr-<lb/> ſchenden Begierde wird dadurch <hi rendition="#fr">geſchwaͤchet/</hi><lb/> wenn man denen beyden Vorurtheilen des Wil-<lb/> lens/ die daſſelbige taͤglich ſtaͤrcken/ <hi rendition="#fr">die Nah-<lb/> rung entziehet.</hi> Die Nahrung des Vorur-<lb/> theils der N<hi rendition="#fr">achahmung</hi> ſind <hi rendition="#fr">boͤſe Exempel/</hi><lb/> und die Nahrung des Vorurtheils der <hi rendition="#fr">Unge-<lb/> dult</hi> iſt die <hi rendition="#fr">Gelegenheit/</hi> oder die Gegenwaͤr-<lb/> tigkeit der Sache/ die die Begierde reitzet. Da-<lb/> her entſtehen die Sprichwoͤrter: Boͤſe Exempel<lb/> verderben gute Sitten: Jngleichen/ Gelegen-<lb/> heit macht Diebe. Derowegen wird er ſich<lb/> nach und nach <hi rendition="#fr">der Geſellſchafft</hi> ſolcher Leute/<lb/> die mit gleichem Laſter behafftet ſind/ und mit<lb/> denen er bisher umgegangen/ entziehen/ und ſie<lb/> <fw place="bottom" type="catch">mei-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [477/0489]
boͤſe Affecten zu daͤmpffen.
wir durch Fortfahren in ſchweren Dingen nichts
mehr gewinnen/ ſo uͤben wir uns doch zum we-
nigſten in der Gedult/ und erlangen etwas da-
von. Die Gedult aber iſt die vornehmſte Tu-
gend der vernuͤnfftigen Liebe/ und vielleicht nichts
anders als die Ruhe ſelbſt u. ſ. w.
20. Nach dieſem iſt es vernuͤnfftig/ daß der
Menſch ſeine herrſchende Begierde ſelbſt an-
greiffe/ und das Fuͤnckgen ſeiner vernuͤnfftigen
Liebe anzufeuern ſich angelegen ſeyn laſſe/ wie
etwan ein kluger Krancker ſolche Artzneyen nim̃t/
die die Kranckheit ſchwaͤchen und die Natur ſtaͤr-
cken. Und dieſes iſt es/ wenn die alten Philo-
ſophi, ſonderlich die Stoicker/ die Regeln eines
tugendhafften Lebens in zwey Worten einge-
ſchloſſen: Suſtine & abſtine. Das Laſter der herr-
ſchenden Begierde wird dadurch geſchwaͤchet/
wenn man denen beyden Vorurtheilen des Wil-
lens/ die daſſelbige taͤglich ſtaͤrcken/ die Nah-
rung entziehet. Die Nahrung des Vorur-
theils der Nachahmung ſind boͤſe Exempel/
und die Nahrung des Vorurtheils der Unge-
dult iſt die Gelegenheit/ oder die Gegenwaͤr-
tigkeit der Sache/ die die Begierde reitzet. Da-
her entſtehen die Sprichwoͤrter: Boͤſe Exempel
verderben gute Sitten: Jngleichen/ Gelegen-
heit macht Diebe. Derowegen wird er ſich
nach und nach der Geſellſchafft ſolcher Leute/
die mit gleichem Laſter behafftet ſind/ und mit
denen er bisher umgegangen/ entziehen/ und ſie
mei-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/489 |
Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/489>, abgerufen am 23.07.2024. |