Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

Bild:
<< vorherige Seite

böse Affecten zu dämpffen.
hütet/ daß er die Gelegenheit meide/ dadurch der
ohne dem geringe lasterhaffte Affect irritiret
werden möge/ oder daß er/ wenn er darzu ohn-
gefehr eine Gelegenheit überkömmt/ sich bey zei-
ten davon abreisse/ oder selbige mit seiner herr-
schenden Passion bestreite/ wodurch dann die
herrschende Begierde trefflich gestärcket
wird/
und also der Mensch nothwendig in sei-
nem Elend sich immer mehr und mehr vertieffet/
das Laster nicht dämpffet/ auch vernünfftige
Liebe nicht erhebet/ weil doch die herrschende Be-
gierde dieselbe nach wie vor unterdrückt.

7. Es ist ja wohl an dem/ daß die herr-
schende Begierde zur Natur
des Menschen
mit gehöret/ weil sie aus dem Wesen seines Gei-
stes und seines Geblütes/ ingleichen aus der
structur seines Leibes mit bestehet. Aber der
Mensch solte auch bedencken/ daß er von Ju-
gend auf
durch alle sein Thun und Lassen diese
seine Begierde täglich gestärcket
habe/ und
daß also seiner Gewohnheit/ wo nicht mehr/
doch ja so viel/ als seiner Natur zuzuschreiben
sey/ und daß dannenhero durch Unterlassung
des gewöhnlichen oder durch Angewohnheit
eines andern Thun und Lassens/ das dem bishe-
rigen sehr zu wider sey/ er diese herrschende Be-
gierde/ wo nicht gäntzlich tilgen/ doch mercklich
dämpffen könne.

8. Dieweil dann die herrschende Begierde
theils als jetzt gemeldet/ sich bey uns unter dem

Na-
G g

boͤſe Affecten zu daͤmpffen.
huͤtet/ daß er die Gelegenheit meide/ dadurch der
ohne dem geringe laſterhaffte Affect irritiret
werden moͤge/ oder daß er/ wenn er darzu ohn-
gefehr eine Gelegenheit uͤberkoͤmmt/ ſich bey zei-
ten davon abreiſſe/ oder ſelbige mit ſeiner herr-
ſchenden Paſſion beſtreite/ wodurch dann die
herrſchende Begierde trefflich geſtaͤrcket
wird/
und alſo der Menſch nothwendig in ſei-
nem Elend ſich immer mehr und mehr vertieffet/
das Laſter nicht daͤmpffet/ auch vernuͤnfftige
Liebe nicht erhebet/ weil doch die herrſchende Be-
gierde dieſelbe nach wie vor unterdruͤckt.

7. Es iſt ja wohl an dem/ daß die herr-
ſchende Begierde zur Natur
des Menſchen
mit gehoͤret/ weil ſie aus dem Weſen ſeines Gei-
ſtes und ſeines Gebluͤtes/ ingleichen aus der
ſtructur ſeines Leibes mit beſtehet. Aber der
Menſch ſolte auch bedencken/ daß er von Ju-
gend auf
durch alle ſein Thun und Laſſen dieſe
ſeine Begierde taͤglich geſtaͤrcket
habe/ und
daß alſo ſeiner Gewohnheit/ wo nicht mehr/
doch ja ſo viel/ als ſeiner Natur zuzuſchreiben
ſey/ und daß dannenhero durch Unterlaſſung
des gewoͤhnlichen oder durch Angewohnheit
eines andern Thun und Laſſens/ das dem bishe-
rigen ſehr zu wider ſey/ er dieſe herrſchende Be-
gierde/ wo nicht gaͤntzlich tilgen/ doch mercklich
daͤmpffen koͤnne.

8. Dieweil dann die herrſchende Begierde
theils als jetzt gemeldet/ ſich bey uns unter dem

Na-
G g
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0477" n="465"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">bo&#x0364;&#x017F;e <hi rendition="#aq">Affect</hi>en zu da&#x0364;mpffen.</hi></fw><lb/>
hu&#x0364;tet/ daß er die Gelegenheit meide/ dadurch der<lb/>
ohne dem geringe la&#x017F;terhaffte <hi rendition="#aq">Affect irritir</hi>et<lb/>
werden mo&#x0364;ge/ oder daß er/ wenn er darzu ohn-<lb/>
gefehr eine Gelegenheit u&#x0364;berko&#x0364;mmt/ &#x017F;ich bey zei-<lb/>
ten davon abrei&#x017F;&#x017F;e/ oder &#x017F;elbige mit &#x017F;einer herr-<lb/>
&#x017F;chenden <hi rendition="#aq">Pa&#x017F;&#x017F;ion</hi> be&#x017F;treite/ wodurch dann <hi rendition="#fr">die<lb/>
herr&#x017F;chende Begierde trefflich ge&#x017F;ta&#x0364;rcket<lb/>
wird/</hi> und al&#x017F;o der Men&#x017F;ch nothwendig in &#x017F;ei-<lb/>
nem Elend &#x017F;ich immer mehr und mehr vertieffet/<lb/>
das La&#x017F;ter nicht da&#x0364;mpffet/ auch vernu&#x0364;nfftige<lb/>
Liebe nicht erhebet/ weil doch die herr&#x017F;chende Be-<lb/>
gierde die&#x017F;elbe nach wie vor unterdru&#x0364;ckt.</p><lb/>
        <p>7. Es i&#x017F;t ja wohl an dem/ daß <hi rendition="#fr">die herr-<lb/>
&#x017F;chende Begierde zur Natur</hi> des Men&#x017F;chen<lb/>
mit geho&#x0364;ret/ weil &#x017F;ie aus dem We&#x017F;en &#x017F;eines Gei-<lb/>
&#x017F;tes und &#x017F;eines Geblu&#x0364;tes/ ingleichen aus der<lb/><hi rendition="#aq">&#x017F;tructur</hi> &#x017F;eines Leibes mit be&#x017F;tehet. Aber der<lb/>
Men&#x017F;ch &#x017F;olte auch bedencken/ daß er <hi rendition="#fr">von Ju-<lb/>
gend auf</hi> durch alle &#x017F;ein Thun und La&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#fr">die&#x017F;e<lb/>
&#x017F;eine Begierde ta&#x0364;glich ge&#x017F;ta&#x0364;rcket</hi> habe/ und<lb/>
daß al&#x017F;o &#x017F;einer <hi rendition="#fr">Gewohnheit/</hi> wo nicht mehr/<lb/>
doch ja &#x017F;o viel/ als &#x017F;einer <hi rendition="#fr">Natur</hi> zuzu&#x017F;chreiben<lb/>
&#x017F;ey/ und daß dannenhero durch <hi rendition="#fr">Unterla&#x017F;&#x017F;ung</hi><lb/>
des gewo&#x0364;hnlichen oder durch <hi rendition="#fr">Angewohnheit</hi><lb/>
eines andern Thun und La&#x017F;&#x017F;ens/ das dem bishe-<lb/>
rigen &#x017F;ehr zu wider &#x017F;ey/ er die&#x017F;e herr&#x017F;chende Be-<lb/>
gierde/ wo nicht ga&#x0364;ntzlich tilgen/ doch mercklich<lb/>
da&#x0364;mpffen ko&#x0364;nne.</p><lb/>
        <p>8. Dieweil dann die herr&#x017F;chende Begierde<lb/>
theils als jetzt gemeldet/ &#x017F;ich bey uns unter dem<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G g</fw><fw place="bottom" type="catch">Na-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[465/0477] boͤſe Affecten zu daͤmpffen. huͤtet/ daß er die Gelegenheit meide/ dadurch der ohne dem geringe laſterhaffte Affect irritiret werden moͤge/ oder daß er/ wenn er darzu ohn- gefehr eine Gelegenheit uͤberkoͤmmt/ ſich bey zei- ten davon abreiſſe/ oder ſelbige mit ſeiner herr- ſchenden Paſſion beſtreite/ wodurch dann die herrſchende Begierde trefflich geſtaͤrcket wird/ und alſo der Menſch nothwendig in ſei- nem Elend ſich immer mehr und mehr vertieffet/ das Laſter nicht daͤmpffet/ auch vernuͤnfftige Liebe nicht erhebet/ weil doch die herrſchende Be- gierde dieſelbe nach wie vor unterdruͤckt. 7. Es iſt ja wohl an dem/ daß die herr- ſchende Begierde zur Natur des Menſchen mit gehoͤret/ weil ſie aus dem Weſen ſeines Gei- ſtes und ſeines Gebluͤtes/ ingleichen aus der ſtructur ſeines Leibes mit beſtehet. Aber der Menſch ſolte auch bedencken/ daß er von Ju- gend auf durch alle ſein Thun und Laſſen dieſe ſeine Begierde taͤglich geſtaͤrcket habe/ und daß alſo ſeiner Gewohnheit/ wo nicht mehr/ doch ja ſo viel/ als ſeiner Natur zuzuſchreiben ſey/ und daß dannenhero durch Unterlaſſung des gewoͤhnlichen oder durch Angewohnheit eines andern Thun und Laſſens/ das dem bishe- rigen ſehr zu wider ſey/ er dieſe herrſchende Be- gierde/ wo nicht gaͤntzlich tilgen/ doch mercklich daͤmpffen koͤnne. 8. Dieweil dann die herrſchende Begierde theils als jetzt gemeldet/ ſich bey uns unter dem Na- G g

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/477
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/477>, abgerufen am 22.12.2024.