Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

Bild:
<< vorherige Seite

Das 13. H. von Neid und desselben
schändlicher und doch auff Schulen fast noch
freqventer ist. Mich dünckt/ daß der Herr
Weigel
in seinem Wurtzelzug der auf den Schu-
len in schwang gehenden Laster schon davon aus-
führlicher gehandelt/ welches Büchlein von de-
nen/ die die Warheit lieben/ wohl meritirt ge-
lesen zu werden.

49. Hernach ist ein anderer Affect, den
man indignation zu nennen pfleget. Dieser
ist überhaupt nichts anders meines Erachtens/
als was die Teutschen Verdruß nennen/ und
ein kleiner Anfang von dem Schmertzen/ oder
der Schmertz in einen geringen Grad. Wie
aber wegen vieler Dinge ein Mensch verdrieß-
lich seyn kan; Also wird auch die Indignation
bey denen Moralisten bald so bald anders ge-
nommen. Jnsonderheit aber pfleget sie dann
und wann von der Verdrießlichkeit über das
Böse daß unsern Freunden von andern
wie-
derfahren ist/ oder von der Verdrießlichkeit
über das Gute/ das unverdiente Leute be-
sitzen/
da hingegen Wohlverdiente dessen man-
geln/ genommen zu werden. Die erste Art ist
Geschwister Kind mit dem Zorn/ und ist nur so
weit von ihm entschieden/ daß die Indignation
ein Zorn ist über das Unrecht/ das andern wieder-
fähret/ der Zorn aber eine Indignation über das
uns angethane Unrecht. (a) Die andre Art aber
ist Geschwister Kind mit dem Neid/ und nur von

sel-
(a) vide c. 2. §. 40. p. 67.

Das 13. H. von Neid und deſſelben
ſchaͤndlicher und doch auff Schulen faſt noch
freqventer iſt. Mich duͤnckt/ daß der Herr
Weigel
in ſeinem Wurtzelzug der auf den Schu-
len in ſchwang gehenden Laſter ſchon davon aus-
fuͤhrlicher gehandelt/ welches Buͤchlein von de-
nen/ die die Warheit lieben/ wohl meritirt ge-
leſen zu werden.

49. Hernach iſt ein anderer Affect, den
man indignation zu nennen pfleget. Dieſer
iſt uͤberhaupt nichts anders meines Erachtens/
als was die Teutſchen Verdruß nennen/ und
ein kleiner Anfang von dem Schmertzen/ oder
der Schmertz in einen geringen Grad. Wie
aber wegen vieler Dinge ein Menſch verdrieß-
lich ſeyn kan; Alſo wird auch die Indignation
bey denen Moraliſten bald ſo bald anders ge-
nommen. Jnſonderheit aber pfleget ſie dann
und wann von der Verdrießlichkeit uͤber das
Boͤſe daß unſern Freunden von andern
wie-
derfahren iſt/ oder von der Verdrießlichkeit
uͤber das Gute/ das unverdiente Leute be-
ſitzen/
da hingegen Wohlverdiente deſſen man-
geln/ genommen zu werden. Die erſte Art iſt
Geſchwiſter Kind mit dem Zorn/ und iſt nur ſo
weit von ihm entſchieden/ daß die Indignation
ein Zorn iſt uͤber das Unrecht/ das andern wieder-
faͤhret/ der Zorn aber eine Indignation uͤber das
uns angethane Unrecht. (a) Die andre Art aber
iſt Geſchwiſter Kind mit dem Neid/ und nur von

ſel-
(a) vide c. 2. §. 40. p. 67.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0456" n="444"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das 13. H. von Neid und de&#x017F;&#x017F;elben</hi></fw><lb/>
&#x017F;cha&#x0364;ndlicher und doch auff Schulen fa&#x017F;t noch<lb/><hi rendition="#aq">freqven</hi>ter i&#x017F;t. Mich du&#x0364;nckt/ daß der <hi rendition="#fr">Herr<lb/>
Weigel</hi> in &#x017F;einem Wurtzelzug der auf den Schu-<lb/>
len in &#x017F;chwang gehenden La&#x017F;ter &#x017F;chon davon aus-<lb/>
fu&#x0364;hrlicher gehandelt/ welches Bu&#x0364;chlein von de-<lb/>
nen/ die die Warheit lieben/ wohl <hi rendition="#aq">meriti</hi>rt ge-<lb/>
le&#x017F;en zu werden.</p><lb/>
        <p>49. Hernach i&#x017F;t ein anderer <hi rendition="#aq">Affect,</hi> den<lb/>
man <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">indignation</hi></hi> zu nennen pfleget. Die&#x017F;er<lb/>
i&#x017F;t u&#x0364;berhaupt nichts anders meines Erachtens/<lb/>
als was die Teut&#x017F;chen <hi rendition="#fr">Verdruß</hi> nennen/ und<lb/>
ein kleiner Anfang von dem <hi rendition="#fr">Schmertzen/</hi> oder<lb/>
der Schmertz in einen geringen Grad. Wie<lb/>
aber wegen vieler Dinge ein Men&#x017F;ch verdrieß-<lb/>
lich &#x017F;eyn kan; Al&#x017F;o wird auch die <hi rendition="#aq">Indignation</hi><lb/>
bey denen <hi rendition="#aq">Morali</hi>&#x017F;ten bald &#x017F;o bald anders ge-<lb/>
nommen. Jn&#x017F;onderheit aber pfleget &#x017F;ie dann<lb/>
und wann von der <hi rendition="#fr">Verdrießlichkeit u&#x0364;ber das<lb/>
Bo&#x0364;&#x017F;e daß un&#x017F;ern Freunden von andern</hi> wie-<lb/><hi rendition="#fr">derfahren i&#x017F;t/</hi> oder von der Verdrießlichkeit<lb/><hi rendition="#fr">u&#x0364;ber das Gute/ das unverdiente Leute be-<lb/>
&#x017F;itzen/</hi> da hingegen Wohlverdiente de&#x017F;&#x017F;en man-<lb/>
geln/ genommen zu werden. Die <hi rendition="#fr">er&#x017F;te Art</hi> i&#x017F;t<lb/>
Ge&#x017F;chwi&#x017F;ter Kind mit dem <hi rendition="#fr">Zorn/</hi> und i&#x017F;t nur &#x017F;o<lb/>
weit von ihm ent&#x017F;chieden/ daß die <hi rendition="#aq">Indignation</hi><lb/>
ein Zorn i&#x017F;t u&#x0364;ber das Unrecht/ das andern wieder-<lb/>
fa&#x0364;hret/ der Zorn aber eine <hi rendition="#aq">Indignation</hi> u&#x0364;ber das<lb/>
uns angethane Unrecht. <note place="foot" n="(a)"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">vide c. 2. §. 40. p.</hi> 67.</hi></note> Die <hi rendition="#fr">andre Art</hi> aber<lb/>
i&#x017F;t Ge&#x017F;chwi&#x017F;ter Kind mit dem <hi rendition="#fr">Neid/</hi> und nur von<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;el-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[444/0456] Das 13. H. von Neid und deſſelben ſchaͤndlicher und doch auff Schulen faſt noch freqventer iſt. Mich duͤnckt/ daß der Herr Weigel in ſeinem Wurtzelzug der auf den Schu- len in ſchwang gehenden Laſter ſchon davon aus- fuͤhrlicher gehandelt/ welches Buͤchlein von de- nen/ die die Warheit lieben/ wohl meritirt ge- leſen zu werden. 49. Hernach iſt ein anderer Affect, den man indignation zu nennen pfleget. Dieſer iſt uͤberhaupt nichts anders meines Erachtens/ als was die Teutſchen Verdruß nennen/ und ein kleiner Anfang von dem Schmertzen/ oder der Schmertz in einen geringen Grad. Wie aber wegen vieler Dinge ein Menſch verdrieß- lich ſeyn kan; Alſo wird auch die Indignation bey denen Moraliſten bald ſo bald anders ge- nommen. Jnſonderheit aber pfleget ſie dann und wann von der Verdrießlichkeit uͤber das Boͤſe daß unſern Freunden von andern wie- derfahren iſt/ oder von der Verdrießlichkeit uͤber das Gute/ das unverdiente Leute be- ſitzen/ da hingegen Wohlverdiente deſſen man- geln/ genommen zu werden. Die erſte Art iſt Geſchwiſter Kind mit dem Zorn/ und iſt nur ſo weit von ihm entſchieden/ daß die Indignation ein Zorn iſt uͤber das Unrecht/ das andern wieder- faͤhret/ der Zorn aber eine Indignation uͤber das uns angethane Unrecht. (a) Die andre Art aber iſt Geſchwiſter Kind mit dem Neid/ und nur von ſel- (a) vide c. 2. §. 40. p. 67.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/456
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/456>, abgerufen am 28.04.2024.