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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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der drey Haupt-Laster.
rigen Anmerckungen erweisen das Gegentheil.
Und dieses ist der nächste Weg zur Atheisterey
wenn man ohne Anmerckung auff die täglichen
Exempel Göttlicher Vorsehung das Glück und
Unglück eines Menschen/ oder vielmehr/ ob es
ihm nach seinem Willen gehe oder nicht/
Menschlichem Witz zuschreiben wil/ wiewohl
solche Atheisten die gröste figur in der Welt
machen. Wenn es aber so verstanden wird/ daß
wenn sich ein Mensch in die Zeit schicket/ seinen
Willen in Gottes Willen stellet/ und den guten
Tag frölich ist/ aber mit bösen Tagen auch vor-
lieb nimt/ und also nichts vor Unglück annimt/
was ihn Gott zuschickt/ da hingegen ein anderer
mit dem was ihn vorfället nie zu frieden ist/ so
kan man wohl sagen/ daß nichts Warhafftiger
sey/ als daß sich die Menschen ihr Glück und Un-
glück selbsten (so ferne dieses selbst nicht Gotte
sondern andern Menschen entgegen gesetzet wird)
machen. Ein vergnügter Mensch kan sich mit
guten Fug rühmen/ wie jener Hofmann. Sein
Fürst mache alles nach seinem des Dieners Kopfe:
Denn er lasse sich alles gefallen wie es sein Fürst
mache.

27. Und dieses giebt uns gute Gelegenheit an-
zumercken/ daß ob wol unter denen die sich Chri-
sten nennen/ man gemeiniglich darinnen einig ist/
daß durch das Glücke der Heyden bey denen
Christen nichts anders als die Göttliche Vor-
sehung
verstanden werde; dennoch die Nah-

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der drey Haupt-Laſter.
rigen Anmerckungen erweiſen das Gegentheil.
Und dieſes iſt der naͤchſte Weg zur Atheiſterey
wenn man ohne Anmerckung auff die taͤglichen
Exempel Goͤttlicher Vorſehung das Gluͤck und
Ungluͤck eines Menſchen/ oder vielmehr/ ob es
ihm nach ſeinem Willen gehe oder nicht/
Menſchlichem Witz zuſchreiben wil/ wiewohl
ſolche Atheiſten die groͤſte figur in der Welt
machen. Wenn es aber ſo verſtanden wird/ daß
wenn ſich ein Menſch in die Zeit ſchicket/ ſeinen
Willen in Gottes Willen ſtellet/ und den guten
Tag froͤlich iſt/ aber mit boͤſen Tagen auch vor-
lieb nimt/ und alſo nichts vor Ungluͤck annimt/
was ihn Gott zuſchickt/ da hingegen ein anderer
mit dem was ihn vorfaͤllet nie zu frieden iſt/ ſo
kan man wohl ſagen/ daß nichts Warhafftiger
ſey/ als daß ſich die Menſchen ihr Gluͤck und Un-
gluͤck ſelbſten (ſo ferne dieſes ſelbſt nicht Gotte
ſondern andern Menſchen entgegen geſetzet wird)
machen. Ein vergnuͤgter Menſch kan ſich mit
guten Fug ruͤhmen/ wie jener Hofmann. Sein
Fuͤꝛſt mache alles nach ſeinem des Dieneꝛs Kopfe:
Denn er laſſe ſich alles gefallen wie es ſein Fuͤrſt
mache.

27. Und dieſes giebt uns gute Gelegenheit an-
zumercken/ daß ob wol unter denen die ſich Chri-
ſten nennen/ man gemeiniglich darinnen einig iſt/
daß durch das Gluͤcke der Heyden bey denen
Chriſten nichts anders als die Goͤttliche Vor-
ſehung
verſtanden werde; dennoch die Nah-

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[339/0351] der drey Haupt-Laſter. rigen Anmerckungen erweiſen das Gegentheil. Und dieſes iſt der naͤchſte Weg zur Atheiſterey wenn man ohne Anmerckung auff die taͤglichen Exempel Goͤttlicher Vorſehung das Gluͤck und Ungluͤck eines Menſchen/ oder vielmehr/ ob es ihm nach ſeinem Willen gehe oder nicht/ Menſchlichem Witz zuſchreiben wil/ wiewohl ſolche Atheiſten die groͤſte figur in der Welt machen. Wenn es aber ſo verſtanden wird/ daß wenn ſich ein Menſch in die Zeit ſchicket/ ſeinen Willen in Gottes Willen ſtellet/ und den guten Tag froͤlich iſt/ aber mit boͤſen Tagen auch vor- lieb nimt/ und alſo nichts vor Ungluͤck annimt/ was ihn Gott zuſchickt/ da hingegen ein anderer mit dem was ihn vorfaͤllet nie zu frieden iſt/ ſo kan man wohl ſagen/ daß nichts Warhafftiger ſey/ als daß ſich die Menſchen ihr Gluͤck und Un- gluͤck ſelbſten (ſo ferne dieſes ſelbſt nicht Gotte ſondern andern Menſchen entgegen geſetzet wird) machen. Ein vergnuͤgter Menſch kan ſich mit guten Fug ruͤhmen/ wie jener Hofmann. Sein Fuͤꝛſt mache alles nach ſeinem des Dieneꝛs Kopfe: Denn er laſſe ſich alles gefallen wie es ſein Fuͤrſt mache. 27. Und dieſes giebt uns gute Gelegenheit an- zumercken/ daß ob wol unter denen die ſich Chri- ſten nennen/ man gemeiniglich darinnen einig iſt/ daß durch das Gluͤcke der Heyden bey denen Chriſten nichts anders als die Goͤttliche Vor- ſehung verſtanden werde; dennoch die Nah- men Y 2

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/351>, abgerufen am 24.11.2024.