Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.und denen daraus fliessenden Untug. sion ist ein Laster/ das den Wollüstigen an-treibt/ andern Menschen/ als ein Sclave/ oder Hund zu schmeicheln/ und sich ihren Willen zu unterwerffen/ damit sie seine Wollust befördern oder doch dieselbe nicht verhindern. Ein Wollüstiger schmeichelt einen Reichen und erweiset ihm alle ersinnliche Ehrer- bietung umb ein Glaß Wein oder einen Braten. Und was für hündisches liebkosen braucht ein Mensch nicht/ dessen Hertz an einer Huren henget/ oder wenn er das Hertz einer Weibes- Person zur Hurerey bereden wil. Daß aber dieses Laster aus der Wollust fliesse/ ist offenbahr. Ein jeder Mensch trachtet/ das seiner Einbildung nach höchste Gut/ durch solche Mittel zu erlangen die darzu beförderlich sind/ und daran nicht hindern. Nun giebts aber die Natur und Er- fahrung/ daß solche hündische submission zwar schädlich ist/ grosse Ehre und Geld zu verdienen/ aber beförderlich zu Erhaltung unserer Lust; also muß ein Wollüstiger auch zu diesem Laster ge- neigt seyn. 49. Ein Wollüstiger ist ungeduldig und Furcht/ O 4
und denen daraus flieſſenden Untug. ſion iſt ein Laſter/ das den Wolluͤſtigen an-treibt/ andern Menſchen/ als ein Sclave/ oder Hund zu ſchmeicheln/ und ſich ihren Willen zu unterwerffen/ damit ſie ſeine Wolluſt befoͤrdern oder doch dieſelbe nicht verhindern. Ein Wolluͤſtiger ſchmeichelt einen Reichen und erweiſet ihm alle erſinnliche Ehrer- bietung umb ein Glaß Wein oder einen Braten. Und was fuͤr huͤndiſches liebkoſen braucht ein Menſch nicht/ deſſen Hertz an einer Huren henget/ oder wenn er das Hertz einer Weibes- Perſon zur Hurerey bereden wil. Daß aber dieſes Laſter aus der Wolluſt flieſſe/ iſt offenbahr. Ein jeder Menſch trachtet/ das ſeiner Einbildung nach hoͤchſte Gut/ durch ſolche Mittel zu erlangen die darzu befoͤrderlich ſind/ und daran nicht hindern. Nun giebts aber die Natur und Er- fahrung/ daß ſolche huͤndiſche ſubmiſſion zwar ſchaͤdlich iſt/ groſſe Ehre und Geld zu verdienen/ aber befoͤrderlich zu Erhaltung unſerer Luſt; alſo muß ein Wolluͤſtiger auch zu dieſem Laſter ge- neigt ſeyn. 49. Ein Wolluͤſtiger iſt ungeduldig und Furcht/ O 4
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und denen daraus flieſſenden Untug.
ſion iſt ein Laſter/ das den Wolluͤſtigen an-
treibt/ andern Menſchen/ als ein Sclave/
oder Hund zu ſchmeicheln/ und ſich ihren
Willen zu unterwerffen/ damit ſie ſeine
Wolluſt befoͤrdern oder doch dieſelbe nicht
verhindern. Ein Wolluͤſtiger ſchmeichelt einen
Reichen und erweiſet ihm alle erſinnliche Ehrer-
bietung umb ein Glaß Wein oder einen Braten.
Und was fuͤr huͤndiſches liebkoſen braucht ein
Menſch nicht/ deſſen Hertz an einer Huren
henget/ oder wenn er das Hertz einer Weibes-
Perſon zur Hurerey bereden wil. Daß aber
dieſes Laſter aus der Wolluſt flieſſe/ iſt offenbahr.
Ein jeder Menſch trachtet/ das ſeiner Einbildung
nach hoͤchſte Gut/ durch ſolche Mittel zu erlangen
die darzu befoͤrderlich ſind/ und daran nicht
hindern. Nun giebts aber die Natur und Er-
fahrung/ daß ſolche huͤndiſche ſubmiſſion zwar
ſchaͤdlich iſt/ groſſe Ehre und Geld zu verdienen/
aber befoͤrderlich zu Erhaltung unſerer Luſt; alſo
muß ein Wolluͤſtiger auch zu dieſem Laſter ge-
neigt ſeyn.
49. Ein Wolluͤſtiger iſt ungeduldig und
verzagt. Ungeduldige Zaghafftigkeit iſt ein
Laſter/ das einen Wolluͤſtigen antreibet/
alles/ was der Beluſtigung ſeiner Sinnen
ein wenig zuwider iſt/ vor einen Schmer-
tzen und Ungluͤck zu halten und druͤber zu
murren/ auch ſich zubeklagen/ und die zu Ab-
wendung deſſelben dienliche Mittel aus
Furcht/
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/227>, abgerufen am 16.02.2025. |