sie hervorbrachte, und noch ungleicher war wohl die Würkung, welche die Erklärung, die nun Jesus that, auf die Herzen der Anwesenden machte. Darin lag wohl selbst für die Maria sehr viel Ueberraschendes.
Einige seiner Jünger schien diese Salbung, als eine unnöthige Verschwendung, zu verdriessen, und namentlich ließ Judas seinen Unwillen so darüber aus. Unter dem Mantel der Liebe, worin er seine Rede hüllte, verbarg er die nie- drigste Habsucht. Aber wie geschrekt ward wohl, zum wenigsten auf einen Augenblik der Besinnung, sein scheeler Blik, und wie verzog sich auch wohl die Miene der übrigen Jünger, als Jesus zur Antwort gab: "laßt sie doch nur &q;machen; sie balsamirt mich schon ein zu meinem &q;Begräbnis." Und die schöne Verheissung, die er nun der Maria, die freilich hier es am aller- wenigsten verdiente, beschämt zu werden, womit er ihr den feinsten Lobspruch ertheilte, wie rich- tig ist sie, gleich iener, damals für sie traurigen, Verheissung in Erfüllung gegangen!
Während dieses stillen Aufenthalts Jesu in Bethanien kamen noch viele Juden dorthin, um den, vom Tod erstandnen, Lazarus zu sehen, und den Todtenauferwekkrr und Lebensprediger Jesus zu hören. Es scheint aber, als habe sich Jesus, wo nicht selbst ihrem Anblik entzo- gen, doch mit ihnen nicht mehr in ein umständ- liches Gespräch eingelassen. Es war nun der
Abend
Unſer Herr
ſie hervorbrachte, und noch ungleicher war wohl die Würkung, welche die Erklärung, die nun Jeſus that, auf die Herzen der Anweſenden machte. Darin lag wohl ſelbſt für die Maria ſehr viel Ueberraſchendes.
Einige ſeiner Jünger ſchien dieſe Salbung, als eine unnöthige Verſchwendung, zu verdrieſſen, und namentlich ließ Judas ſeinen Unwillen ſo darüber aus. Unter dem Mantel der Liebe, worin er ſeine Rede hüllte, verbarg er die nie- drigſte Habſucht. Aber wie geſchrekt ward wohl, zum wenigſten auf einen Augenblik der Beſinnung, ſein ſcheeler Blik, und wie verzog ſich auch wohl die Miene der übrigen Jünger, als Jeſus zur Antwort gab: “laßt ſie doch nur &q;machen; ſie balſamirt mich ſchon ein zu meinem &q;Begräbnis.” Und die ſchöne Verheiſſung, die er nun der Maria, die freilich hier es am aller- wenigſten verdiente, beſchämt zu werden, womit er ihr den feinſten Lobſpruch ertheilte, wie rich- tig iſt ſie, gleich iener, damals für ſie traurigen, Verheiſſung in Erfüllung gegangen!
Während dieſes ſtillen Aufenthalts Jeſu in Bethanien kamen noch viele Juden dorthin, um den, vom Tod erſtandnen, Lazarus zu ſehen, und den Todtenauferwekkrr und Lebensprediger Jeſus zu hören. Es ſcheint aber, als habe ſich Jeſus, wo nicht ſelbſt ihrem Anblik entzo- gen, doch mit ihnen nicht mehr in ein umſtänd- liches Geſpräch eingelaſſen. Es war nun der
Abend
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Unſer Herr
ſie hervorbrachte, und noch ungleicher war wohl
die Würkung, welche die Erklärung, die nun
Jeſus that, auf die Herzen der Anweſenden
machte. Darin lag wohl ſelbſt für die Maria
ſehr viel Ueberraſchendes.
Einige ſeiner Jünger ſchien dieſe Salbung,
als eine unnöthige Verſchwendung, zu verdrieſſen,
und namentlich ließ Judas ſeinen Unwillen ſo
darüber aus. Unter dem Mantel der Liebe,
worin er ſeine Rede hüllte, verbarg er die nie-
drigſte Habſucht. Aber wie geſchrekt ward
wohl, zum wenigſten auf einen Augenblik der
Beſinnung, ſein ſcheeler Blik, und wie verzog
ſich auch wohl die Miene der übrigen Jünger,
als Jeſus zur Antwort gab: “laßt ſie doch nur
&q;machen; ſie balſamirt mich ſchon ein zu meinem
&q;Begräbnis.” Und die ſchöne Verheiſſung, die
er nun der Maria, die freilich hier es am aller-
wenigſten verdiente, beſchämt zu werden, womit
er ihr den feinſten Lobſpruch ertheilte, wie rich-
tig iſt ſie, gleich iener, damals für ſie traurigen,
Verheiſſung in Erfüllung gegangen!
Während dieſes ſtillen Aufenthalts Jeſu
in Bethanien kamen noch viele Juden dorthin,
um den, vom Tod erſtandnen, Lazarus zu ſehen,
und den Todtenauferwekkrr und Lebensprediger
Jeſus zu hören. Es ſcheint aber, als habe
ſich Jeſus, wo nicht ſelbſt ihrem Anblik entzo-
gen, doch mit ihnen nicht mehr in ein umſtänd-
liches Geſpräch eingelaſſen. Es war nun der
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Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thiess_andachtsbuch_1794/28>, abgerufen am 21.06.2024.
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