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Thomé de Gamond, Louis-Joseph-Aimé: Leben Davids, ersten Malers Napoleons. Übers. v. E. S. Leipzig u. a., 1827.

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Davids.
ge gegen sich selbst. "Vielleicht," sagte er,
"habe ich bei den Horatiern zu viel Kunst
in den Gliedern verschwendet. Jn den Sabi-
nern
glaube ich dieselbe geschickter und mit mehr
Geschmack verborgen zu haben. Dieses Gemäl-
de wird mehr griechisch seyn."

David fällte in der Folge über einen sei-
ner ausgezeichnetsten Schüler ein Urtheil, das
einen ähnlichen Gedanken ausdrückt. "Er hat,"
sagte er, "mehr Talent, als zur Kunst erfor-
derlich ist. Er würde größern Ruhm erlangen,
wenn er weniger Theorie und etwas mehr Ge-
schmack besäße."

Jn diesem Gemälde: "die Sabiner," in
welchem sich der reinste Geschmack neben der
strengen Feile des Alterthums und einem hohen
Grade von Kraft offenbart, schien David das
schöne Jdeal der Griechen erreicht zu haben.
Dieses bewundernswürdige Stück wurde anfangs
auf das Bitterste getadelt; aber jetzt hat es
vom Publiko sowohl als von Kennern die Stelle
erhalten, welche ihm die leider für seinen Mei-
ster schon begonnene Nachwelt anweisen wird.
Wenig Gemälde sind so oft copirt und in Kupfer

Davids.
ge gegen ſich ſelbſt. „Vielleicht,“ ſagte er,
„habe ich bei den Horatiern zu viel Kunſt
in den Gliedern verſchwendet. Jn den Sabi-
nern
glaube ich dieſelbe geſchickter und mit mehr
Geſchmack verborgen zu haben. Dieſes Gemaͤl-
de wird mehr griechiſch ſeyn.“

David faͤllte in der Folge uͤber einen ſei-
ner ausgezeichnetſten Schuͤler ein Urtheil, das
einen aͤhnlichen Gedanken ausdruͤckt. „Er hat,“
ſagte er, „mehr Talent, als zur Kunſt erfor-
derlich iſt. Er wuͤrde groͤßern Ruhm erlangen,
wenn er weniger Theorie und etwas mehr Ge-
ſchmack beſaͤße.“

Jn dieſem Gemaͤlde: „die Sabiner,“ in
welchem ſich der reinſte Geſchmack neben der
ſtrengen Feile des Alterthums und einem hohen
Grade von Kraft offenbart, ſchien David das
ſchoͤne Jdeal der Griechen erreicht zu haben.
Dieſes bewundernswuͤrdige Stuͤck wurde anfangs
auf das Bitterſte getadelt; aber jetzt hat es
vom Publiko ſowohl als von Kennern die Stelle
erhalten, welche ihm die leider fuͤr ſeinen Mei-
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[109/0123] Davids. ge gegen ſich ſelbſt. „Vielleicht,“ ſagte er, „habe ich bei den Horatiern zu viel Kunſt in den Gliedern verſchwendet. Jn den Sabi- nern glaube ich dieſelbe geſchickter und mit mehr Geſchmack verborgen zu haben. Dieſes Gemaͤl- de wird mehr griechiſch ſeyn.“ David faͤllte in der Folge uͤber einen ſei- ner ausgezeichnetſten Schuͤler ein Urtheil, das einen aͤhnlichen Gedanken ausdruͤckt. „Er hat,“ ſagte er, „mehr Talent, als zur Kunſt erfor- derlich iſt. Er wuͤrde groͤßern Ruhm erlangen, wenn er weniger Theorie und etwas mehr Ge- ſchmack beſaͤße.“ Jn dieſem Gemaͤlde: „die Sabiner,“ in welchem ſich der reinſte Geſchmack neben der ſtrengen Feile des Alterthums und einem hohen Grade von Kraft offenbart, ſchien David das ſchoͤne Jdeal der Griechen erreicht zu haben. Dieſes bewundernswuͤrdige Stuͤck wurde anfangs auf das Bitterſte getadelt; aber jetzt hat es vom Publiko ſowohl als von Kennern die Stelle erhalten, welche ihm die leider fuͤr ſeinen Mei- ſter ſchon begonnene Nachwelt anweiſen wird. Wenig Gemaͤlde ſind ſo oft copirt und in Kupfer

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Zitationshilfe: Thomé de Gamond, Louis-Joseph-Aimé: Leben Davids, ersten Malers Napoleons. Übers. v. E. S. Leipzig u. a., 1827, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thiers_david_1827/123>, abgerufen am 05.05.2024.