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Thomé de Gamond, Louis-Joseph-Aimé: Leben Davids, ersten Malers Napoleons. Übers. v. E. S. Leipzig u. a., 1827.

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Vorbericht.
serer Thaten, wird dagegen den Beherrschern der
Völker dereinst nur das Unrecht zurechnen, was
sie entweder wissentlich verübten, oder als
schwache, sinnliche, der Täuschung und dem Jrr-
thum unterworfene, Sterbliche, verhüten konn-
ten, und nicht verhüteten. Wäre Ludwig XVI.
wirklich ein Tyrann gewesen, die Nation hätte
es nicht gewagt, ihn hinzurichten. Und so sind
meistens die Könige nur unschuldige Opfer ihrer
Menschlichkeit. David sagt S. 94: "Die Men-
schen sind nur das, was die Regierung aus ih-
nen macht." Durch diesen Ausspruch erklärt er
die Völker offenbar selbst für unmündig, also ei-
nes Herrschers bedürftig, und dennoch will er
das Königthum überall verbannt und eine Volks-
regierung eingeführt wissen. Dies ist ein offen-
barer Widerspruch. Es gibt nur ein Mittel,
alle Regierung entbehrlich zu machen und wirk-
lich frei zu werden, und dies ist, daß Jeder für
sich einen Menschen, nämlich sich selbst regiert
und bessert, und der ihm von Gott gegebenen
Vernunft gemäß nach Vollkommenheit strebt.
Eine Volksregierung in diesem Sinne ist ohne
Zweifel die einzige, welche zum Heil führt.
So lange aber Jeder es nur auf Andere, und

Vorbericht.
ſerer Thaten, wird dagegen den Beherrſchern der
Voͤlker dereinſt nur das Unrecht zurechnen, was
ſie entweder wiſſentlich veruͤbten, oder als
ſchwache, ſinnliche, der Taͤuſchung und dem Jrr-
thum unterworfene, Sterbliche, verhuͤten konn-
ten, und nicht verhuͤteten. Waͤre Ludwig XVI.
wirklich ein Tyrann geweſen, die Nation haͤtte
es nicht gewagt, ihn hinzurichten. Und ſo ſind
meiſtens die Koͤnige nur unſchuldige Opfer ihrer
Menſchlichkeit. David ſagt S. 94: „Die Men-
ſchen ſind nur das, was die Regierung aus ih-
nen macht.“ Durch dieſen Ausſpruch erklaͤrt er
die Voͤlker offenbar ſelbſt fuͤr unmuͤndig, alſo ei-
nes Herrſchers beduͤrftig, und dennoch will er
das Koͤnigthum uͤberall verbannt und eine Volks-
regierung eingefuͤhrt wiſſen. Dies iſt ein offen-
barer Widerſpruch. Es gibt nur ein Mittel,
alle Regierung entbehrlich zu machen und wirk-
lich frei zu werden, und dies iſt, daß Jeder fuͤr
ſich einen Menſchen, naͤmlich ſich ſelbſt regiert
und beſſert, und der ihm von Gott gegebenen
Vernunft gemaͤß nach Vollkommenheit ſtrebt.
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Zweifel die einzige, welche zum Heil fuͤhrt.
So lange aber Jeder es nur auf Andere, und

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[VI/0012] Vorbericht. ſerer Thaten, wird dagegen den Beherrſchern der Voͤlker dereinſt nur das Unrecht zurechnen, was ſie entweder wiſſentlich veruͤbten, oder als ſchwache, ſinnliche, der Taͤuſchung und dem Jrr- thum unterworfene, Sterbliche, verhuͤten konn- ten, und nicht verhuͤteten. Waͤre Ludwig XVI. wirklich ein Tyrann geweſen, die Nation haͤtte es nicht gewagt, ihn hinzurichten. Und ſo ſind meiſtens die Koͤnige nur unſchuldige Opfer ihrer Menſchlichkeit. David ſagt S. 94: „Die Men- ſchen ſind nur das, was die Regierung aus ih- nen macht.“ Durch dieſen Ausſpruch erklaͤrt er die Voͤlker offenbar ſelbſt fuͤr unmuͤndig, alſo ei- nes Herrſchers beduͤrftig, und dennoch will er das Koͤnigthum uͤberall verbannt und eine Volks- regierung eingefuͤhrt wiſſen. Dies iſt ein offen- barer Widerſpruch. Es gibt nur ein Mittel, alle Regierung entbehrlich zu machen und wirk- lich frei zu werden, und dies iſt, daß Jeder fuͤr ſich einen Menſchen, naͤmlich ſich ſelbſt regiert und beſſert, und der ihm von Gott gegebenen Vernunft gemaͤß nach Vollkommenheit ſtrebt. Eine Volksregierung in dieſem Sinne iſt ohne Zweifel die einzige, welche zum Heil fuͤhrt. So lange aber Jeder es nur auf Andere, und

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Zitationshilfe: Thomé de Gamond, Louis-Joseph-Aimé: Leben Davids, ersten Malers Napoleons. Übers. v. E. S. Leipzig u. a., 1827, S. VI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thiers_david_1827/12>, abgerufen am 29.03.2024.