1) Die Preise der Lebensbedürfnisse. Der Arbeiter muß nothwen-Wodurch der Arbeitslohn steige und falle? Es bleibt und muß in einem gewissen Ver- hältnisse mit dem Preise der Lebensmittel bleiben. dig so viel verdienen, daß er und wenigstens noch eine Person oder zwei Kinder davon leben und zwar so leben können, daß sie bei Kräften und gesund bleiben, auch ihre Kinder davon aufziehen. Hätten sie vorher nichts mehr als dieses Nothdürftige ge- habt, und stiegen nun die Lebensbedürfnisse, ohne daß der Arbeitslohn erhöht würde, so würden sie bald so verkümmern und verarmen, daß sie unbrauchbar würden, ihre Kinder nicht gesund aufziehen könnten, und somit würde sich ihre Zahl bald so vermin- dern, daß nun die wenigen übrigbleibenden einen desto höhern Lohn fordern könnten. Es muß also nothwendig ein gewisses Verhältniß zwischen dem Preise der Lebensmittel und dem Preise der Arbeit bleiben, und dieses Verhältniß kann nur auf kurze Zeit und dann immer nachtheilig aufgehoben werden, setzt sich aber bald von selbst wieder ins Gleichgewicht.
Steigt der Arbeitspreis aus einer der andern Ursachen in einer Gegend über das Verhältniß gegen die Lebensmittel in die Höhe, verdienen folglich die Arbeiter mehr, als sie zur Nothdurft gebrauchen, so werden sie früher heirathen, mehrere Kinder er- zeugen und aufziehen, und somit wird sich diese Klasse und die Zahl der Arbeitsuchen- den so vermehren, daß der Lohn wieder fallen muß.
Indessen erfolgt diese Wirkung nicht schnell, und richtet sich nicht nach den jäh- rig wechselnden Preisen des Getreides, sondern nur nach dem aus einer längern Reihe von Jahren auszumittelnden Durchschnitte. Vielmehr kann ein augenblickliches Sinken der Preise der Lebensmittel das Gegentheil bewirken, indem solche Arbeiter welche nur die Nothdurft kennen und für Ersparung keinen Sinn haben, nun in drei Tagen so viel verdienen können, als zu ihrer Nothdurft hinreicht, wozu vorher fünf Tage Arbeit erforderlich war. Sie werden sich nun leicht verleitet finden, zwei Tage die Woche weniger zu arbeiten, wodurch sich die Arbeit im Ganzen beträchtlich ver- mindert; derjenige also, welcher sie nöthig hat, solche um so theurer bezahlen muß. Allein vorübergehend ist auch dieses nur, weil doch da, wo höherer Verdienst ist, sich mehrere Menschen erzeugen und hinziehen, und mit höherem Verdienst der Wunsch, noch mehr zu verdienen und sich etwas zu ersparen, bei den meisten doch rege wird, der vorher wegen der Unmöglichkeit ihn zu befriedigen unter- drückt war.
Die Arbeit im Allgemeinen.
§. 147.
1) Die Preiſe der Lebensbeduͤrfniſſe. Der Arbeiter muß nothwen-Wodurch der Arbeitslohn ſteige und falle? Es bleibt und muß in einem gewiſſen Ver- haͤltniſſe mit dem Preiſe der Lebensmittel bleiben. dig ſo viel verdienen, daß er und wenigſtens noch eine Perſon oder zwei Kinder davon leben und zwar ſo leben koͤnnen, daß ſie bei Kraͤften und geſund bleiben, auch ihre Kinder davon aufziehen. Haͤtten ſie vorher nichts mehr als dieſes Nothduͤrftige ge- habt, und ſtiegen nun die Lebensbeduͤrfniſſe, ohne daß der Arbeitslohn erhoͤht wuͤrde, ſo wuͤrden ſie bald ſo verkuͤmmern und verarmen, daß ſie unbrauchbar wuͤrden, ihre Kinder nicht geſund aufziehen koͤnnten, und ſomit wuͤrde ſich ihre Zahl bald ſo vermin- dern, daß nun die wenigen uͤbrigbleibenden einen deſto hoͤhern Lohn fordern koͤnnten. Es muß alſo nothwendig ein gewiſſes Verhaͤltniß zwiſchen dem Preiſe der Lebensmittel und dem Preiſe der Arbeit bleiben, und dieſes Verhaͤltniß kann nur auf kurze Zeit und dann immer nachtheilig aufgehoben werden, ſetzt ſich aber bald von ſelbſt wieder ins Gleichgewicht.
Steigt der Arbeitspreis aus einer der andern Urſachen in einer Gegend uͤber das Verhaͤltniß gegen die Lebensmittel in die Hoͤhe, verdienen folglich die Arbeiter mehr, als ſie zur Nothdurft gebrauchen, ſo werden ſie fruͤher heirathen, mehrere Kinder er- zeugen und aufziehen, und ſomit wird ſich dieſe Klaſſe und die Zahl der Arbeitſuchen- den ſo vermehren, daß der Lohn wieder fallen muß.
Indeſſen erfolgt dieſe Wirkung nicht ſchnell, und richtet ſich nicht nach den jaͤh- rig wechſelnden Preiſen des Getreides, ſondern nur nach dem aus einer laͤngern Reihe von Jahren auszumittelnden Durchſchnitte. Vielmehr kann ein augenblickliches Sinken der Preiſe der Lebensmittel das Gegentheil bewirken, indem ſolche Arbeiter welche nur die Nothdurft kennen und fuͤr Erſparung keinen Sinn haben, nun in drei Tagen ſo viel verdienen koͤnnen, als zu ihrer Nothdurft hinreicht, wozu vorher fuͤnf Tage Arbeit erforderlich war. Sie werden ſich nun leicht verleitet finden, zwei Tage die Woche weniger zu arbeiten, wodurch ſich die Arbeit im Ganzen betraͤchtlich ver- mindert; derjenige alſo, welcher ſie noͤthig hat, ſolche um ſo theurer bezahlen muß. Allein voruͤbergehend iſt auch dieſes nur, weil doch da, wo hoͤherer Verdienſt iſt, ſich mehrere Menſchen erzeugen und hinziehen, und mit hoͤherem Verdienſt der Wunſch, noch mehr zu verdienen und ſich etwas zu erſparen, bei den meiſten doch rege wird, der vorher wegen der Unmoͤglichkeit ihn zu befriedigen unter- druͤckt war.
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Die Arbeit im Allgemeinen.
§. 147.
1) Die Preiſe der Lebensbeduͤrfniſſe. Der Arbeiter muß nothwen-
dig ſo viel verdienen, daß er und wenigſtens noch eine Perſon oder zwei Kinder davon
leben und zwar ſo leben koͤnnen, daß ſie bei Kraͤften und geſund bleiben, auch ihre
Kinder davon aufziehen. Haͤtten ſie vorher nichts mehr als dieſes Nothduͤrftige ge-
habt, und ſtiegen nun die Lebensbeduͤrfniſſe, ohne daß der Arbeitslohn erhoͤht wuͤrde,
ſo wuͤrden ſie bald ſo verkuͤmmern und verarmen, daß ſie unbrauchbar wuͤrden, ihre
Kinder nicht geſund aufziehen koͤnnten, und ſomit wuͤrde ſich ihre Zahl bald ſo vermin-
dern, daß nun die wenigen uͤbrigbleibenden einen deſto hoͤhern Lohn fordern koͤnnten.
Es muß alſo nothwendig ein gewiſſes Verhaͤltniß zwiſchen dem Preiſe der Lebensmittel
und dem Preiſe der Arbeit bleiben, und dieſes Verhaͤltniß kann nur auf kurze Zeit und
dann immer nachtheilig aufgehoben werden, ſetzt ſich aber bald von ſelbſt wieder ins
Gleichgewicht.
Wodurch der
Arbeitslohn
ſteige und
falle?
Es bleibt und
muß in einem
gewiſſen Ver-
haͤltniſſe mit
dem Preiſe der
Lebensmittel
bleiben.
Steigt der Arbeitspreis aus einer der andern Urſachen in einer Gegend uͤber das
Verhaͤltniß gegen die Lebensmittel in die Hoͤhe, verdienen folglich die Arbeiter mehr,
als ſie zur Nothdurft gebrauchen, ſo werden ſie fruͤher heirathen, mehrere Kinder er-
zeugen und aufziehen, und ſomit wird ſich dieſe Klaſſe und die Zahl der Arbeitſuchen-
den ſo vermehren, daß der Lohn wieder fallen muß.
Indeſſen erfolgt dieſe Wirkung nicht ſchnell, und richtet ſich nicht nach den jaͤh-
rig wechſelnden Preiſen des Getreides, ſondern nur nach dem aus einer laͤngern Reihe
von Jahren auszumittelnden Durchſchnitte. Vielmehr kann ein augenblickliches
Sinken der Preiſe der Lebensmittel das Gegentheil bewirken, indem ſolche Arbeiter
welche nur die Nothdurft kennen und fuͤr Erſparung keinen Sinn haben, nun in drei
Tagen ſo viel verdienen koͤnnen, als zu ihrer Nothdurft hinreicht, wozu vorher fuͤnf
Tage Arbeit erforderlich war. Sie werden ſich nun leicht verleitet finden, zwei Tage
die Woche weniger zu arbeiten, wodurch ſich die Arbeit im Ganzen betraͤchtlich ver-
mindert; derjenige alſo, welcher ſie noͤthig hat, ſolche um ſo theurer bezahlen muß.
Allein voruͤbergehend iſt auch dieſes nur, weil doch da, wo hoͤherer Verdienſt iſt,
ſich mehrere Menſchen erzeugen und hinziehen, und mit hoͤherem Verdienſt der
Wunſch, noch mehr zu verdienen und ſich etwas zu erſparen, bei den meiſten
doch rege wird, der vorher wegen der Unmoͤglichkeit ihn zu befriedigen unter-
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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/133>, abgerufen am 24.04.2024.
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