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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Die Arbeit im Allgemeinen.

Im Allgemeinen also richtet sich in allen nicht entvölkerten Gegenden der Preis
der Arbeit nach dem Preise der Lebensmittel, und man wird für 4 Scheffel Korn,
beim gewöhnlichen Laufe der Dinge, fast allenthalben und zu allen Zeiten dieselbe
Masse von natürlicher (kunstloser) Arbeit haben können, obwohl der Nominal- oder
Geldpreis sehr verschieden ist.

Um den Zustand der Arbeiter also gleich zu erhalten, handelt der Landwirth,
der die nöthige Anzahl von arbeitenden Familien auf seiner Besitzung angesetzt hat,
sowohl richtig für sich, als billig für sie, der ihnen statt eines Theils des Geldlohns
ihre Lebensbedürfnisse zu einem feststehenden Preise giebt, oder aber den Geldlohn
nach dem Verhältnisse, wozu er ihnen diese Bedürfnisse verkauft, erhöhet oder ver-
mindert, wenn er sich anders der Arbeit dieser Leute zu jeder Zeit versichert hat.
Wenn auch der Staat den Arbeits- und Gesindelohn durch Polizeianordnungen be-
stimmen will, -- wovon der Nutzen sehr zweifelhaft ist -- so müßte es nicht nach
Gelde, sondern nach dem Preise des gewöhnlichsten Lebensmittels, des Rockens,
geschehen.

Annahme
einer ideali-
schen Münze
oder eines an-
dern Maaßsta-
bes des
Werths der
Dinge.
Wenn ein Arbeiter sich ernähren, und bei zureichenden Kräften erhalten und
dabei zwei Kinder aufbringen soll, so muß er in 9 Arbeitstagen mit unangestrengter
kunstloser Arbeit einen Berliner Scheffel Rocken verdienen, wobei angenommen
wird, daß sein Weib sich ihren Unterhalt selbst erwerbe. Erhalten die Tagelöhner
gleich hin und wieder weniger, insbesondere seitdem die Preise des Getreides so be-
trächtlich gestiegen waren, so hat man ihnen andere Vortheile gewährt, die ihre Er-
haltung möglich machten, welche aber allerdings mit in Anschlag zu bringen sind,
wenn man von den Kosten der Arbeit redet. 1/9 Scheffel Rocken nehme ich daher als
den geringsten Lohn für eine gewöhnliche Tagearbeit eines Mannes an. Und da der
Preis der Arbeit und des Getreides ein weit beständigeres, sich zu allen Zeiten und
an allen Orten mehr gleichbleibendes Verhältniß bei den Berechnungen der Wirth-
schaft abgiebt, als der wandelbare Werth des Geldes; so nehmen wir diesen Preis
einer Tagearbeit oder eines Neuntel Berliner Scheffels Rocken als eine idea-
lische
Münze bei unsern Wirthschaftsberechnungen an, und bezeichnen sie mit
einem #.


Wenn
Die Arbeit im Allgemeinen.

Im Allgemeinen alſo richtet ſich in allen nicht entvoͤlkerten Gegenden der Preis
der Arbeit nach dem Preiſe der Lebensmittel, und man wird fuͤr 4 Scheffel Korn,
beim gewoͤhnlichen Laufe der Dinge, faſt allenthalben und zu allen Zeiten dieſelbe
Maſſe von natuͤrlicher (kunſtloſer) Arbeit haben koͤnnen, obwohl der Nominal- oder
Geldpreis ſehr verſchieden iſt.

Um den Zuſtand der Arbeiter alſo gleich zu erhalten, handelt der Landwirth,
der die noͤthige Anzahl von arbeitenden Familien auf ſeiner Beſitzung angeſetzt hat,
ſowohl richtig fuͤr ſich, als billig fuͤr ſie, der ihnen ſtatt eines Theils des Geldlohns
ihre Lebensbeduͤrfniſſe zu einem feſtſtehenden Preiſe giebt, oder aber den Geldlohn
nach dem Verhaͤltniſſe, wozu er ihnen dieſe Beduͤrfniſſe verkauft, erhoͤhet oder ver-
mindert, wenn er ſich anders der Arbeit dieſer Leute zu jeder Zeit verſichert hat.
Wenn auch der Staat den Arbeits- und Geſindelohn durch Polizeianordnungen be-
ſtimmen will, — wovon der Nutzen ſehr zweifelhaft iſt — ſo muͤßte es nicht nach
Gelde, ſondern nach dem Preiſe des gewoͤhnlichſten Lebensmittels, des Rockens,
geſchehen.

Annahme
einer ideali-
ſchen Muͤnze
oder eines an-
dern Maaßſta-
bes des
Werths der
Dinge.
Wenn ein Arbeiter ſich ernaͤhren, und bei zureichenden Kraͤften erhalten und
dabei zwei Kinder aufbringen ſoll, ſo muß er in 9 Arbeitstagen mit unangeſtrengter
kunſtloſer Arbeit einen Berliner Scheffel Rocken verdienen, wobei angenommen
wird, daß ſein Weib ſich ihren Unterhalt ſelbſt erwerbe. Erhalten die Tageloͤhner
gleich hin und wieder weniger, insbeſondere ſeitdem die Preiſe des Getreides ſo be-
traͤchtlich geſtiegen waren, ſo hat man ihnen andere Vortheile gewaͤhrt, die ihre Er-
haltung moͤglich machten, welche aber allerdings mit in Anſchlag zu bringen ſind,
wenn man von den Koſten der Arbeit redet. 1/9 Scheffel Rocken nehme ich daher als
den geringſten Lohn fuͤr eine gewoͤhnliche Tagearbeit eines Mannes an. Und da der
Preis der Arbeit und des Getreides ein weit beſtaͤndigeres, ſich zu allen Zeiten und
an allen Orten mehr gleichbleibendes Verhaͤltniß bei den Berechnungen der Wirth-
ſchaft abgiebt, als der wandelbare Werth des Geldes; ſo nehmen wir dieſen Preis
einer Tagearbeit oder eines Neuntel Berliner Scheffels Rocken als eine idea-
liſche
Muͤnze bei unſern Wirthſchaftsberechnungen an, und bezeichnen ſie mit
einem #.


Wenn
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[104/0134] Die Arbeit im Allgemeinen. Im Allgemeinen alſo richtet ſich in allen nicht entvoͤlkerten Gegenden der Preis der Arbeit nach dem Preiſe der Lebensmittel, und man wird fuͤr 4 Scheffel Korn, beim gewoͤhnlichen Laufe der Dinge, faſt allenthalben und zu allen Zeiten dieſelbe Maſſe von natuͤrlicher (kunſtloſer) Arbeit haben koͤnnen, obwohl der Nominal- oder Geldpreis ſehr verſchieden iſt. Um den Zuſtand der Arbeiter alſo gleich zu erhalten, handelt der Landwirth, der die noͤthige Anzahl von arbeitenden Familien auf ſeiner Beſitzung angeſetzt hat, ſowohl richtig fuͤr ſich, als billig fuͤr ſie, der ihnen ſtatt eines Theils des Geldlohns ihre Lebensbeduͤrfniſſe zu einem feſtſtehenden Preiſe giebt, oder aber den Geldlohn nach dem Verhaͤltniſſe, wozu er ihnen dieſe Beduͤrfniſſe verkauft, erhoͤhet oder ver- mindert, wenn er ſich anders der Arbeit dieſer Leute zu jeder Zeit verſichert hat. Wenn auch der Staat den Arbeits- und Geſindelohn durch Polizeianordnungen be- ſtimmen will, — wovon der Nutzen ſehr zweifelhaft iſt — ſo muͤßte es nicht nach Gelde, ſondern nach dem Preiſe des gewoͤhnlichſten Lebensmittels, des Rockens, geſchehen. Wenn ein Arbeiter ſich ernaͤhren, und bei zureichenden Kraͤften erhalten und dabei zwei Kinder aufbringen ſoll, ſo muß er in 9 Arbeitstagen mit unangeſtrengter kunſtloſer Arbeit einen Berliner Scheffel Rocken verdienen, wobei angenommen wird, daß ſein Weib ſich ihren Unterhalt ſelbſt erwerbe. Erhalten die Tageloͤhner gleich hin und wieder weniger, insbeſondere ſeitdem die Preiſe des Getreides ſo be- traͤchtlich geſtiegen waren, ſo hat man ihnen andere Vortheile gewaͤhrt, die ihre Er- haltung moͤglich machten, welche aber allerdings mit in Anſchlag zu bringen ſind, wenn man von den Koſten der Arbeit redet. 1/9 Scheffel Rocken nehme ich daher als den geringſten Lohn fuͤr eine gewoͤhnliche Tagearbeit eines Mannes an. Und da der Preis der Arbeit und des Getreides ein weit beſtaͤndigeres, ſich zu allen Zeiten und an allen Orten mehr gleichbleibendes Verhaͤltniß bei den Berechnungen der Wirth- ſchaft abgiebt, als der wandelbare Werth des Geldes; ſo nehmen wir dieſen Preis einer Tagearbeit oder eines Neuntel Berliner Scheffels Rocken als eine idea- liſche Muͤnze bei unſern Wirthſchaftsberechnungen an, und bezeichnen ſie mit einem #. Annahme einer ideali- ſchen Muͤnze oder eines an- dern Maaßſta- bes des Werths der Dinge. Wenn

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/134>, abgerufen am 26.04.2024.