Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Arbeit im Allgemeinen.
§. 144.

Wenn gleich die Extreme von sehr wohlfeilem Acker und sehr theurer Arbeit,
und von sehr theurem Acker und wohlfeiler Arbeit in Deutschland selten oder gar nicht
vorkommen, so sind doch mannigfaltige Gradationen dieses Verhältnisses in verschie-
denen Provinzen und Distrikten vorhanden, die man bei der Einrichtung der Wirth-
schaft wohl zu erwägen hat, um sich darnach für ein mehr oder minder intensives
Wirthschaftssystem zu bestimmen.

Dort wird Koppelwirthschaft mit langer Ruhe des Ackers und Weidedünger
Arbeit ersparen; hier wird jähriger Fruchtwechsel mit Futterbau und Stallfutterung
die Arbeit vortheilhafter vermehren, und der höheren Kosten ungeachtet den reinen
Ertrag beträchtlich vergrößern.

§. 145.

Ob der Ar-
beitslohn ge-
stiegen sey?
Es ist seit einiger Zeit unter den Landwirthen eine allgemeine Klage, daß der
Lohn der Arbeiter und des Gesindes übermäßig gestiegen sey, und man hält es für ein
großes Uebel. Manche sehen dieses als einen Grund der gestiegenen Kornpreise an.
In Gegenden, wo die Frohnden zum Theil aufgehoben sind, sucht man in dieser Auf-
hebung wiederum den Grund des gestiegenen Arbeitslohns. Es ist aber vielmehr der
gestiegene Preis der Lebensmittel, zugleich mit dem dadurch bewirkten Anreiz zur hö-
hern Produktion, welcher den Arbeitslohn nach dem Geldpreise hat erhöhen müssen,
und durch Aufhebung der Frohnden ist vielmehr die Thätigkeit der arbeitenden Men-
schen vermehrt, und folglich die Summe der verrichteten Arbeit größer geworden,
weshalb solche eher zur Verminderung des Arbeitspreises wirken muß.

§. 146.

Mehrentheils aber ist jene Klage ganz ungegründet, und die Vertheurung des
Arbeitspreises ist bloß nominal, keinesweges real, indem nämlich der Werth des Gel-
des gegen den Werth aller übrigen Dinge sich vermindert hatte, der Preis der übri-
gen Dinge aber, besonders des Getreides, gegen den Preis der Arbeit vortheilhafter
steht, wie vormals.

Man muß die Ursachen, welche auf die Erhöhung und Erniedrigung des Ar-
beitslohns, nach Gelde berechnet, wirken, wohl unterscheiden. Sie sind folgende:


Die Arbeit im Allgemeinen.
§. 144.

Wenn gleich die Extreme von ſehr wohlfeilem Acker und ſehr theurer Arbeit,
und von ſehr theurem Acker und wohlfeiler Arbeit in Deutſchland ſelten oder gar nicht
vorkommen, ſo ſind doch mannigfaltige Gradationen dieſes Verhaͤltniſſes in verſchie-
denen Provinzen und Diſtrikten vorhanden, die man bei der Einrichtung der Wirth-
ſchaft wohl zu erwaͤgen hat, um ſich darnach fuͤr ein mehr oder minder intenſives
Wirthſchaftsſyſtem zu beſtimmen.

Dort wird Koppelwirthſchaft mit langer Ruhe des Ackers und Weideduͤnger
Arbeit erſparen; hier wird jaͤhriger Fruchtwechſel mit Futterbau und Stallfutterung
die Arbeit vortheilhafter vermehren, und der hoͤheren Koſten ungeachtet den reinen
Ertrag betraͤchtlich vergroͤßern.

§. 145.

Ob der Ar-
beitslohn ge-
ſtiegen ſey?
Es iſt ſeit einiger Zeit unter den Landwirthen eine allgemeine Klage, daß der
Lohn der Arbeiter und des Geſindes uͤbermaͤßig geſtiegen ſey, und man haͤlt es fuͤr ein
großes Uebel. Manche ſehen dieſes als einen Grund der geſtiegenen Kornpreiſe an.
In Gegenden, wo die Frohnden zum Theil aufgehoben ſind, ſucht man in dieſer Auf-
hebung wiederum den Grund des geſtiegenen Arbeitslohns. Es iſt aber vielmehr der
geſtiegene Preis der Lebensmittel, zugleich mit dem dadurch bewirkten Anreiz zur hoͤ-
hern Produktion, welcher den Arbeitslohn nach dem Geldpreiſe hat erhoͤhen muͤſſen,
und durch Aufhebung der Frohnden iſt vielmehr die Thaͤtigkeit der arbeitenden Men-
ſchen vermehrt, und folglich die Summe der verrichteten Arbeit groͤßer geworden,
weshalb ſolche eher zur Verminderung des Arbeitspreiſes wirken muß.

§. 146.

Mehrentheils aber iſt jene Klage ganz ungegruͤndet, und die Vertheurung des
Arbeitspreiſes iſt bloß nominal, keinesweges real, indem naͤmlich der Werth des Gel-
des gegen den Werth aller uͤbrigen Dinge ſich vermindert hatte, der Preis der uͤbri-
gen Dinge aber, beſonders des Getreides, gegen den Preis der Arbeit vortheilhafter
ſteht, wie vormals.

Man muß die Urſachen, welche auf die Erhoͤhung und Erniedrigung des Ar-
beitslohns, nach Gelde berechnet, wirken, wohl unterſcheiden. Sie ſind folgende:


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0132" n="102"/>
          <fw place="top" type="header">Die Arbeit im Allgemeinen.</fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 144.</head><lb/>
            <p>Wenn gleich die Extreme von &#x017F;ehr wohlfeilem Acker und &#x017F;ehr theurer Arbeit,<lb/>
und von &#x017F;ehr theurem Acker und wohlfeiler Arbeit in <placeName>Deut&#x017F;chland</placeName> &#x017F;elten oder gar nicht<lb/>
vorkommen, &#x017F;o &#x017F;ind doch mannigfaltige Gradationen die&#x017F;es Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;es in ver&#x017F;chie-<lb/>
denen Provinzen und Di&#x017F;trikten vorhanden, die man bei der Einrichtung der Wirth-<lb/>
&#x017F;chaft wohl zu erwa&#x0364;gen hat, um &#x017F;ich darnach fu&#x0364;r ein mehr oder minder <hi rendition="#g">inten&#x017F;ives</hi><lb/>
Wirth&#x017F;chafts&#x017F;y&#x017F;tem zu be&#x017F;timmen.</p><lb/>
            <p>Dort wird Koppelwirth&#x017F;chaft mit langer Ruhe des Ackers und Weidedu&#x0364;nger<lb/>
Arbeit er&#x017F;paren; hier wird ja&#x0364;hriger Fruchtwech&#x017F;el mit Futterbau und Stallfutterung<lb/>
die Arbeit vortheilhafter vermehren, und der ho&#x0364;heren Ko&#x017F;ten ungeachtet den reinen<lb/>
Ertrag betra&#x0364;chtlich vergro&#x0364;ßern.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 145.</head><lb/>
            <p><note place="left">Ob der Ar-<lb/>
beitslohn ge-<lb/>
&#x017F;tiegen &#x017F;ey?</note>Es i&#x017F;t &#x017F;eit einiger Zeit unter den Landwirthen eine allgemeine Klage, daß der<lb/>
Lohn der Arbeiter und des Ge&#x017F;indes u&#x0364;berma&#x0364;ßig ge&#x017F;tiegen &#x017F;ey, und man ha&#x0364;lt es fu&#x0364;r ein<lb/>
großes Uebel. Manche &#x017F;ehen die&#x017F;es als einen Grund der ge&#x017F;tiegenen Kornprei&#x017F;e an.<lb/>
In Gegenden, wo die Frohnden zum Theil aufgehoben &#x017F;ind, &#x017F;ucht man in die&#x017F;er Auf-<lb/>
hebung wiederum den Grund des ge&#x017F;tiegenen Arbeitslohns. Es i&#x017F;t aber vielmehr der<lb/>
ge&#x017F;tiegene Preis der Lebensmittel, zugleich mit dem dadurch bewirkten Anreiz zur ho&#x0364;-<lb/>
hern Produktion, welcher den Arbeitslohn nach dem Geldprei&#x017F;e hat erho&#x0364;hen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
und durch Aufhebung der Frohnden i&#x017F;t vielmehr die Tha&#x0364;tigkeit der arbeitenden Men-<lb/>
&#x017F;chen vermehrt, und folglich die Summe der verrichteten Arbeit gro&#x0364;ßer geworden,<lb/>
weshalb &#x017F;olche eher zur Verminderung des Arbeitsprei&#x017F;es wirken muß.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 146.</head><lb/>
            <p>Mehrentheils aber i&#x017F;t jene Klage ganz ungegru&#x0364;ndet, und die Vertheurung des<lb/>
Arbeitsprei&#x017F;es i&#x017F;t bloß nominal, keinesweges real, indem na&#x0364;mlich der Werth des Gel-<lb/>
des gegen den Werth aller u&#x0364;brigen Dinge &#x017F;ich vermindert hatte, der Preis der u&#x0364;bri-<lb/>
gen Dinge aber, be&#x017F;onders des Getreides, gegen den Preis der Arbeit vortheilhafter<lb/>
&#x017F;teht, wie vormals.</p><lb/>
            <p>Man muß die Ur&#x017F;achen, welche auf die Erho&#x0364;hung und Erniedrigung des Ar-<lb/>
beitslohns, nach Gelde berechnet, wirken, wohl unter&#x017F;cheiden. Sie &#x017F;ind folgende:</p>
          </div><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102/0132] Die Arbeit im Allgemeinen. §. 144. Wenn gleich die Extreme von ſehr wohlfeilem Acker und ſehr theurer Arbeit, und von ſehr theurem Acker und wohlfeiler Arbeit in Deutſchland ſelten oder gar nicht vorkommen, ſo ſind doch mannigfaltige Gradationen dieſes Verhaͤltniſſes in verſchie- denen Provinzen und Diſtrikten vorhanden, die man bei der Einrichtung der Wirth- ſchaft wohl zu erwaͤgen hat, um ſich darnach fuͤr ein mehr oder minder intenſives Wirthſchaftsſyſtem zu beſtimmen. Dort wird Koppelwirthſchaft mit langer Ruhe des Ackers und Weideduͤnger Arbeit erſparen; hier wird jaͤhriger Fruchtwechſel mit Futterbau und Stallfutterung die Arbeit vortheilhafter vermehren, und der hoͤheren Koſten ungeachtet den reinen Ertrag betraͤchtlich vergroͤßern. §. 145. Es iſt ſeit einiger Zeit unter den Landwirthen eine allgemeine Klage, daß der Lohn der Arbeiter und des Geſindes uͤbermaͤßig geſtiegen ſey, und man haͤlt es fuͤr ein großes Uebel. Manche ſehen dieſes als einen Grund der geſtiegenen Kornpreiſe an. In Gegenden, wo die Frohnden zum Theil aufgehoben ſind, ſucht man in dieſer Auf- hebung wiederum den Grund des geſtiegenen Arbeitslohns. Es iſt aber vielmehr der geſtiegene Preis der Lebensmittel, zugleich mit dem dadurch bewirkten Anreiz zur hoͤ- hern Produktion, welcher den Arbeitslohn nach dem Geldpreiſe hat erhoͤhen muͤſſen, und durch Aufhebung der Frohnden iſt vielmehr die Thaͤtigkeit der arbeitenden Men- ſchen vermehrt, und folglich die Summe der verrichteten Arbeit groͤßer geworden, weshalb ſolche eher zur Verminderung des Arbeitspreiſes wirken muß. Ob der Ar- beitslohn ge- ſtiegen ſey? §. 146. Mehrentheils aber iſt jene Klage ganz ungegruͤndet, und die Vertheurung des Arbeitspreiſes iſt bloß nominal, keinesweges real, indem naͤmlich der Werth des Gel- des gegen den Werth aller uͤbrigen Dinge ſich vermindert hatte, der Preis der uͤbri- gen Dinge aber, beſonders des Getreides, gegen den Preis der Arbeit vortheilhafter ſteht, wie vormals. Man muß die Urſachen, welche auf die Erhoͤhung und Erniedrigung des Ar- beitslohns, nach Gelde berechnet, wirken, wohl unterſcheiden. Sie ſind folgende:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/132
Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/132>, abgerufen am 23.11.2024.