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Tewes, Hermann: Menschenrassen und Völkertypen. Bd. 2. 2. Aufl. Leipzig, 1913.

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hohen Schaft gesteckt war. Diese Waffen sind seit langem schon
außer Gebrauch, und wir sind über die genaue Art derselben eigentlich
wenig unterrichtet; denn die Nachrichten darüber sind mangelhaft,
und von den in Museen aufbewahrten wenigen Stücken wissen wir
nicht einmal mit Sicherheit, ob sie von Hottentotten oder Busch-
männern herrühren. Jetzt sind Gewehre, selbst solche neuester
Konstruktion, im Gebrauch, und die Hottentotten wissen mit der
Handhabung derselben außerordentlich gut Bescheid, wie der letzte
Aufstand 1904 gezeigt hat.

Ihre geistigen Fähigkeiten sind nicht gering; darin sind alle
Kenner einig. Das zeigt schon der kunstvolle Bau ihrer Sprache,
die an das Altägyptische und an andere hamitische Sprachen er-
innert, mit denen sie auch die Unterscheidung von drei Geschlechtern
gemein hat. Die Sprache der Hottentotten zeichnet sich auch durch
das Vorkommen der sonderbaren Schnalzlaute aus, was ihnen durch
die Buren den Spottnamen Hottentotten eingetragen hat, der soviel
wie Stotterer bedeutet, während sie sich selbst Koikoin, das heißt Menschen
der Menschen (also wohl Urmenschen), nennen. Die Schnalzlaute,
die die Bedeutung von Konsonanten haben, gehören ursprünglich
der Sprache der Buschmänner an und sollen, wie neue Forscher
festgestellt haben, durch die Hottentotten und auch durch einzelne
Bantustämme, die mit den Buschmännern in Berührung gekommen
sind, von diesen erst übernommen sein. Die Schnalzlaute unter-
scheiden sich von unsern Konsonanten und Vokalen durch die Art
ihrer Bildung. Unsere Laute, Selbst- und Mitlaute, entstehen beim
Ausatmen der Luft, also unter Mitwirkung der Lunge; der Schnalzer
ist davon ganz unabhängig und entsteht, wie etwa das Knallen
beim Entkorken einer Flasche zustande kommt. Der Hottentotte
preßt die Zunge an Zähne, Gaumendach und so weiter und zieht sie kräftig
ab. Nach Form und Ansatz der Zunge entstehen vier verschiedene
Schnalzlaute, die wie schon erwähnt, als Konsonanten anzusehen
sind. Die Hottentotten leisten Außerordentliches im Erkennen
menschlicher und tierischer Spuren, im Durchspähen des Geländes,
im Reiten und Schießen. In der Ausübung der Jagd entwickeln
sie ungewöhnliche Geschicklichkeit, wobei sie durch ihre überaus
scharfen Sinne unterstützt werden. Die Hottentotten sind auch
künstlerisch veranlagt und haben besonders auf dem Gebiet der
Musik ihre Tüchtigkeit bewiesen. Unter ihren Musikinstrumenten
spielen außer Rohrpfeifen namentlich Trommeln eine besondere Rolle,

hohen Schaft gesteckt war. Diese Waffen sind seit langem schon
außer Gebrauch, und wir sind über die genaue Art derselben eigentlich
wenig unterrichtet; denn die Nachrichten darüber sind mangelhaft,
und von den in Museen aufbewahrten wenigen Stücken wissen wir
nicht einmal mit Sicherheit, ob sie von Hottentotten oder Busch-
männern herrühren. Jetzt sind Gewehre, selbst solche neuester
Konstruktion, im Gebrauch, und die Hottentotten wissen mit der
Handhabung derselben außerordentlich gut Bescheid, wie der letzte
Aufstand 1904 gezeigt hat.

Ihre geistigen Fähigkeiten sind nicht gering; darin sind alle
Kenner einig. Das zeigt schon der kunstvolle Bau ihrer Sprache,
die an das Altägyptische und an andere hamitische Sprachen er-
innert, mit denen sie auch die Unterscheidung von drei Geschlechtern
gemein hat. Die Sprache der Hottentotten zeichnet sich auch durch
das Vorkommen der sonderbaren Schnalzlaute aus, was ihnen durch
die Buren den Spottnamen Hottentotten eingetragen hat, der soviel
wie Stotterer bedeutet, während sie sich selbst Koikoin, das heißt Menschen
der Menschen (also wohl Urmenschen), nennen. Die Schnalzlaute,
die die Bedeutung von Konsonanten haben, gehören ursprünglich
der Sprache der Buschmänner an und sollen, wie neue Forscher
festgestellt haben, durch die Hottentotten und auch durch einzelne
Bantustämme, die mit den Buschmännern in Berührung gekommen
sind, von diesen erst übernommen sein. Die Schnalzlaute unter-
scheiden sich von unsern Konsonanten und Vokalen durch die Art
ihrer Bildung. Unsere Laute, Selbst- und Mitlaute, entstehen beim
Ausatmen der Luft, also unter Mitwirkung der Lunge; der Schnalzer
ist davon ganz unabhängig und entsteht, wie etwa das Knallen
beim Entkorken einer Flasche zustande kommt. Der Hottentotte
preßt die Zunge an Zähne, Gaumendach und so weiter und zieht sie kräftig
ab. Nach Form und Ansatz der Zunge entstehen vier verschiedene
Schnalzlaute, die wie schon erwähnt, als Konsonanten anzusehen
sind. Die Hottentotten leisten Außerordentliches im Erkennen
menschlicher und tierischer Spuren, im Durchspähen des Geländes,
im Reiten und Schießen. In der Ausübung der Jagd entwickeln
sie ungewöhnliche Geschicklichkeit, wobei sie durch ihre überaus
scharfen Sinne unterstützt werden. Die Hottentotten sind auch
künstlerisch veranlagt und haben besonders auf dem Gebiet der
Musik ihre Tüchtigkeit bewiesen. Unter ihren Musikinstrumenten
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Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: ignoriert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Tewes, Hermann: Menschenrassen und Völkertypen. Bd. 2. 2. Aufl. Leipzig, 1913, S. — 66 —. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tewes_menschenrassen_1913/70>, abgerufen am 01.05.2024.