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Tewes, Hermann: Menschenrassen und Völkertypen. Bd. 2. 2. Aufl. Leipzig, 1913.

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der Europäer an sich schon stark gemindert und verschwindet
mit Aufteilung des Landes in Farmen und Anlegung von Eisen-
bahnen ganz.

Neben den alten Wohnstätten, die immer seltener werden, tritt
bei den Nama jetzt das rechteckige Lehmhaus auf; meist wird
jedoch daneben die bienenkorbartige Hütte als Schlafraum bei-
behalten.

Diese Hottentotten mit verhältnismäßig festen Wohnsitzen haben
jetzt auch angefangen, den Acker zu bebauen; seit alter Zeit aber
sind sie Hirten und beschäftigen sich auch heut noch vorzugsweise
mit Viehzucht. Rind und Schaf fanden schon die ersten Europäer
im Besitz der Hottentotten; aber diese wenden nicht die Sorgfalt
auf ihre Herden, wie etwa die Herero es tun. Die angeborene
Trägheit verhindert den Hottentotten, die eigene Tränke zu ver-
tiefen, und er treibt lieber sein Vieh an die der Nachbarn; aus Faul-
heit unterläßt er die Aufzucht einer neuen Herde, wenn sein Vieh
gefallen ist, und entschädigt sich durch Raub. Wer selbst kein
Vieh hat, tritt wohl auch bei Wohlhabenderen seines Volkes oder bei
Europäern in Dienst, und man bestellt Hottentotten gern zu Lenkern
der großen Ochsenwagen, weil sie im Umgang mit dem Vieh wohl
erfahren sind. Sie benutzen als Treiber gewaltige Peitschen mit
2 Meter langem Stiel, deren Lederschnur über acht Ochsengespanne
hinreicht.

Die Nahrung der Hottentotten besteht vorzugsweise aus Fleisch,
das sie kochen und braten, aber meist halb roh verzehren, und der
Milch der Haustiere. Wo diese fehlen, begnügen sich die Nama mit
Wurzeln und Zwiebeln, die sie mit großem Scharfsinn aufspüren
und am Feuer rösten. Als Genußmittel waren früher die Blätter
der Dacha sehr beliebt. Es ist das ein dem Hanf ähnliches, nar-
kotisches Kraut, an dessen Stelle jetzt der Tabak getreten ist.
Männer wie Frauen rauchen leidenschaftlich; ebenso sind sie dem
Trunke ergeben, und für Tabak und Branntwein geben sie die
letzten Habseligkeiten hin.

Als Waffen benutzten die Hottentotten früher Bogen und Pfeile,
Wurfspieß und Wurfstock. Die Pfeile bestanden aus einem 1/2 Meter
langen Rohrschafte und einer dünnen in Schlangengift getauchten
Eisenspitze mit Widerhaken. Ihre Hauptwaffe aber war der Wurf-
spieß oder Assagai, dessen zirka 20 Zentimeter lange Klinge auf einen manns-

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der Europäer an sich schon stark gemindert und verschwindet
mit Aufteilung des Landes in Farmen und Anlegung von Eisen-
bahnen ganz.

Neben den alten Wohnstätten, die immer seltener werden, tritt
bei den Nama jetzt das rechteckige Lehmhaus auf; meist wird
jedoch daneben die bienenkorbartige Hütte als Schlafraum bei-
behalten.

Diese Hottentotten mit verhältnismäßig festen Wohnsitzen haben
jetzt auch angefangen, den Acker zu bebauen; seit alter Zeit aber
sind sie Hirten und beschäftigen sich auch heut noch vorzugsweise
mit Viehzucht. Rind und Schaf fanden schon die ersten Europäer
im Besitz der Hottentotten; aber diese wenden nicht die Sorgfalt
auf ihre Herden, wie etwa die Herero es tun. Die angeborene
Trägheit verhindert den Hottentotten, die eigene Tränke zu ver-
tiefen, und er treibt lieber sein Vieh an die der Nachbarn; aus Faul-
heit unterläßt er die Aufzucht einer neuen Herde, wenn sein Vieh
gefallen ist, und entschädigt sich durch Raub. Wer selbst kein
Vieh hat, tritt wohl auch bei Wohlhabenderen seines Volkes oder bei
Europäern in Dienst, und man bestellt Hottentotten gern zu Lenkern
der großen Ochsenwagen, weil sie im Umgang mit dem Vieh wohl
erfahren sind. Sie benutzen als Treiber gewaltige Peitschen mit
2 Meter langem Stiel, deren Lederschnur über acht Ochsengespanne
hinreicht.

Die Nahrung der Hottentotten besteht vorzugsweise aus Fleisch,
das sie kochen und braten, aber meist halb roh verzehren, und der
Milch der Haustiere. Wo diese fehlen, begnügen sich die Nama mit
Wurzeln und Zwiebeln, die sie mit großem Scharfsinn aufspüren
und am Feuer rösten. Als Genußmittel waren früher die Blätter
der Dacha sehr beliebt. Es ist das ein dem Hanf ähnliches, nar-
kotisches Kraut, an dessen Stelle jetzt der Tabak getreten ist.
Männer wie Frauen rauchen leidenschaftlich; ebenso sind sie dem
Trunke ergeben, und für Tabak und Branntwein geben sie die
letzten Habseligkeiten hin.

Als Waffen benutzten die Hottentotten früher Bogen und Pfeile,
Wurfspieß und Wurfstock. Die Pfeile bestanden aus einem 1/2 Meter
langen Rohrschafte und einer dünnen in Schlangengift getauchten
Eisenspitze mit Widerhaken. Ihre Hauptwaffe aber war der Wurf-
spieß oder Assagai, dessen zirka 20 Zentimeter lange Klinge auf einen manns-

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[— 65 —/0069] der Europäer an sich schon stark gemindert und verschwindet mit Aufteilung des Landes in Farmen und Anlegung von Eisen- bahnen ganz. Neben den alten Wohnstätten, die immer seltener werden, tritt bei den Nama jetzt das rechteckige Lehmhaus auf; meist wird jedoch daneben die bienenkorbartige Hütte als Schlafraum bei- behalten. Diese Hottentotten mit verhältnismäßig festen Wohnsitzen haben jetzt auch angefangen, den Acker zu bebauen; seit alter Zeit aber sind sie Hirten und beschäftigen sich auch heut noch vorzugsweise mit Viehzucht. Rind und Schaf fanden schon die ersten Europäer im Besitz der Hottentotten; aber diese wenden nicht die Sorgfalt auf ihre Herden, wie etwa die Herero es tun. Die angeborene Trägheit verhindert den Hottentotten, die eigene Tränke zu ver- tiefen, und er treibt lieber sein Vieh an die der Nachbarn; aus Faul- heit unterläßt er die Aufzucht einer neuen Herde, wenn sein Vieh gefallen ist, und entschädigt sich durch Raub. Wer selbst kein Vieh hat, tritt wohl auch bei Wohlhabenderen seines Volkes oder bei Europäern in Dienst, und man bestellt Hottentotten gern zu Lenkern der großen Ochsenwagen, weil sie im Umgang mit dem Vieh wohl erfahren sind. Sie benutzen als Treiber gewaltige Peitschen mit 2 m langem Stiel, deren Lederschnur über acht Ochsengespanne hinreicht. Die Nahrung der Hottentotten besteht vorzugsweise aus Fleisch, das sie kochen und braten, aber meist halb roh verzehren, und der Milch der Haustiere. Wo diese fehlen, begnügen sich die Nama mit Wurzeln und Zwiebeln, die sie mit großem Scharfsinn aufspüren und am Feuer rösten. Als Genußmittel waren früher die Blätter der Dacha sehr beliebt. Es ist das ein dem Hanf ähnliches, nar- kotisches Kraut, an dessen Stelle jetzt der Tabak getreten ist. Männer wie Frauen rauchen leidenschaftlich; ebenso sind sie dem Trunke ergeben, und für Tabak und Branntwein geben sie die letzten Habseligkeiten hin. Als Waffen benutzten die Hottentotten früher Bogen und Pfeile, Wurfspieß und Wurfstock. Die Pfeile bestanden aus einem 1/2 m langen Rohrschafte und einer dünnen in Schlangengift getauchten Eisenspitze mit Widerhaken. Ihre Hauptwaffe aber war der Wurf- spieß oder Assagai, dessen za. 20 cm lange Klinge auf einen manns- 5

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Zitationshilfe: Tewes, Hermann: Menschenrassen und Völkertypen. Bd. 2. 2. Aufl. Leipzig, 1913, S. — 65 —. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tewes_menschenrassen_1913/69>, abgerufen am 25.11.2024.