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Tewes, Hermann: Menschenrassen und Völkertypen. Bd. 2. 2. Aufl. Leipzig, 1913.

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noch nicht berührten Teilen Südwestafrikas; vielleicht gehört er
einem europäischen Händler, der Führer aber ist offenbar ein
Hottentotte. Jenseits des Eingangs sehen wir im Hintergrunde
die zum Kral ziehende Herde und das in der Ferne aufsteigende
Gebirge, das von den Strahlen der untergehenden Sonne be-
leuchtet ist. Links steht im Vordergründe ein Hottentotte in euro-
päischer Tracht, die Füße mit Ledersandalen bekleidet. Untätig
sieht er dem Treiben der Frauen und Kinder zu und gibt sich
dem Genuß der unvermeidlichen Tabakspfeife hin. Die Frau, die
ein kleines Kind in einem Fell oder Tuch auf dem Rücken trägt,
ist vielleicht eben vom Felde zurückgekehrt, wo sie nach Wurzeln
und Zwiebeln gesucht hat. Wie alle Hottentottenfrauen hat sie
den Kopf mit einem buntfarbigen Tuche verhüllt. Das Weib aus
der benachbarten Hütte näht an einer Binsenmatte, die zur Be-
deckung des Hauses verwendet werden soll. Es sind nicht aus-
schließlich Matten, die zu diesem Zwecke dienen; denn auch Stücke
von Segeltuch, Felle und andere verwendbaren Stoffe werden, wie
unser Bild zeigt, dazu benutzt. Der Knabe rechts im Vordergrunde
vertreibt sich die Zeit damit, aus Lehm irgend ein Spielzeug zu
formen. Neben dem Eingang zum ersten Pontok links bemerken
wir ein Gefäß, das, wie wir aus seiner Form schließen dürfen, aus
Lehm hergestellt und dann gebrannt ist. Dagegen sind die im
Innern der Hütte an einer Stange hängenden flachen Schüsseln
aus Holz geschnitzt. Die Hütten werden von einigen Steppen-
bäumen beschattet; unter ihnen bemerken wir eine Akazie und eine
Palmenart.

Die Hütte kann leicht wieder abgebrochen und der Kral beim
Wechsel der Weidegründe rasch an einen andern Ort übertragen
werden. Ein Packochse trägt auf der Wanderung die Teile der
Hütte, ein anderer den Hausrat, und wieder andere dienen als
Reittiere für Weiber und Schwache. Halbwüchsige Kinder treiben
das Vieh, und während die Männer mit ihren Hunden abseits auf
die Jagd gehen, suchen Frauen nach eßbaren Knollen oder Zwiebeln,
denn die Sammeltätigkeit tritt bei dem einst wohlhabenden, jetzt
aber verarmten Hirtenvolke immer mehr in den Vordergrund ihrer
wirtschaftlichen Tätigkeit. Auch die Jagd liefert gegen früher nur
noch geringen Ertrag und wird ihre Bedeutung mit der Zeit ganz
einbüßen. Der Wildbestand ist durch unvernünftige Ausübung der
Jagd seitens der Buren und durch sportmäßigen Betrieb von Seiten

noch nicht berührten Teilen Südwestafrikas; vielleicht gehört er
einem europäischen Händler, der Führer aber ist offenbar ein
Hottentotte. Jenseits des Eingangs sehen wir im Hintergrunde
die zum Kral ziehende Herde und das in der Ferne aufsteigende
Gebirge, das von den Strahlen der untergehenden Sonne be-
leuchtet ist. Links steht im Vordergründe ein Hottentotte in euro-
päischer Tracht, die Füße mit Ledersandalen bekleidet. Untätig
sieht er dem Treiben der Frauen und Kinder zu und gibt sich
dem Genuß der unvermeidlichen Tabakspfeife hin. Die Frau, die
ein kleines Kind in einem Fell oder Tuch auf dem Rücken trägt,
ist vielleicht eben vom Felde zurückgekehrt, wo sie nach Wurzeln
und Zwiebeln gesucht hat. Wie alle Hottentottenfrauen hat sie
den Kopf mit einem buntfarbigen Tuche verhüllt. Das Weib aus
der benachbarten Hütte näht an einer Binsenmatte, die zur Be-
deckung des Hauses verwendet werden soll. Es sind nicht aus-
schließlich Matten, die zu diesem Zwecke dienen; denn auch Stücke
von Segeltuch, Felle und andere verwendbaren Stoffe werden, wie
unser Bild zeigt, dazu benutzt. Der Knabe rechts im Vordergrunde
vertreibt sich die Zeit damit, aus Lehm irgend ein Spielzeug zu
formen. Neben dem Eingang zum ersten Pontok links bemerken
wir ein Gefäß, das, wie wir aus seiner Form schließen dürfen, aus
Lehm hergestellt und dann gebrannt ist. Dagegen sind die im
Innern der Hütte an einer Stange hängenden flachen Schüsseln
aus Holz geschnitzt. Die Hütten werden von einigen Steppen-
bäumen beschattet; unter ihnen bemerken wir eine Akazie und eine
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Die Hütte kann leicht wieder abgebrochen und der Kral beim
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werden. Ein Packochse trägt auf der Wanderung die Teile der
Hütte, ein anderer den Hausrat, und wieder andere dienen als
Reittiere für Weiber und Schwache. Halbwüchsige Kinder treiben
das Vieh, und während die Männer mit ihren Hunden abseits auf
die Jagd gehen, suchen Frauen nach eßbaren Knollen oder Zwiebeln,
denn die Sammeltätigkeit tritt bei dem einst wohlhabenden, jetzt
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wirtschaftlichen Tätigkeit. Auch die Jagd liefert gegen früher nur
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einbüßen. Der Wildbestand ist durch unvernünftige Ausübung der
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Zitationshilfe: Tewes, Hermann: Menschenrassen und Völkertypen. Bd. 2. 2. Aufl. Leipzig, 1913, S. — 64 —. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tewes_menschenrassen_1913/68>, abgerufen am 01.05.2024.