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Tewes, Hermann: Menschenrassen und Völkertypen. Bd. 2. 2. Aufl. Leipzig, 1913.

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alle übrigen Wald- und Steppenindianer - auch vor der europäi-
schen Zeit im Verhältnis zur Größe des von ihnen beherrschten
Gebietes dünn verteilt; Siedlungen, die man als Städte hätte be-
zeichnen können, hatten sie nie, allenfalls kleine Dörfer. So leicht
das Zelt aufzurichten war, so leicht konnte es auch wieder abge-
brochen werden, wenn man den Lagerplatz zu wechseln genötigt
war. Das Weiterschaffen besorgten Hunde und Pferde, die je zwei
Zeltstangen an einem über den Rücken gelegten Gurt nachschleiften.
Wurden zwei solche Zeltstangen verbunden, so ergab sich gleich,
wie unser Bild das sehr hübsch und deutlich zeigt, eine Trage fürs
Gepäck und wohl auch noch ein Sitz für Kinder. Mußte man auf
dem Zuge einen Fluß überschreiten, so benutzte man runde Kähne,
die aus einem biegsamen mit Büffelhaut überspannten Gestell be-
standen und einem ausgespannten Regenschirm ähnlich sahen. Mit
solchen Booten setzten die Sioux wohl auch über den Missouri, aber
etwas Besonderes im Schiffbau leisteten sie nicht.

Die innere Einrichtung der Zelte war einfach, ihre Lagerstatt
eine Streu, wohl auch ein Lattengestell mit Fellen bedeckt, der
Hausrat dürftig und bestand aus Töpfen von verschiedener Größe
und Form, rohen Bänken, einigen Tellern und Schüsseln von Holz,
geflochtenen Körben und Matten und Beuteln aus Leder und Fell.
Von Weberei, Flechtkunst und Töpferei verstanden sie wenig, desto
mehr von der Lederbearbeitung. Aus Leder, Büffelhorn und Holz
oder Rinde waren ihre meisten Gefäße, und darin kochten sie so-
gar und zwar durch Hineinlegen heißer Steine. In hölzernen und
ledernen Mörsern zerstampften sie auch gedörrtes Bisonfleisch, das
in dieser Form längere Zeit aufbewahrt werden konnte und ge-
nießbar war. Das Herbeischaffen und Zerlegen der erlegten Jagd-
beute, die Bearbeitung der Häute, das Räuchern der Fische und
Nähen der Kleider war Sache der Frauen, während die Männer
die Wohnungen bauten, auf die Jagd gingen und Waffen, Kähne
und Pfeifen anfertigten. In der Zurichtung der Felle und Be-
arbeitung des Leders leisteten sie Hervorragendes. Sie verstanden
Felle geschmeidig zu machen, ohne sie zu enthaaren, und verfuhren
dabei in folgender Weise. Die Häute wurden zunächst im Schatten
aufgespannt, mit einer Mischung von frischem Büffelharn und Ton
eingerieben und mehrere Tage feucht erhalten. Als Gerbstoff ver-
wendeten sie Tiergehirn, Leber und Moos; sie machten die Felle
wohl auch durch Hin- und Herziehen über ein Stück Holz ge-

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alle übrigen Wald- und Steppenindianer – auch vor der europäi-
schen Zeit im Verhältnis zur Größe des von ihnen beherrschten
Gebietes dünn verteilt; Siedlungen, die man als Städte hätte be-
zeichnen können, hatten sie nie, allenfalls kleine Dörfer. So leicht
das Zelt aufzurichten war, so leicht konnte es auch wieder abge-
brochen werden, wenn man den Lagerplatz zu wechseln genötigt
war. Das Weiterschaffen besorgten Hunde und Pferde, die je zwei
Zeltstangen an einem über den Rücken gelegten Gurt nachschleiften.
Wurden zwei solche Zeltstangen verbunden, so ergab sich gleich,
wie unser Bild das sehr hübsch und deutlich zeigt, eine Trage fürs
Gepäck und wohl auch noch ein Sitz für Kinder. Mußte man auf
dem Zuge einen Fluß überschreiten, so benutzte man runde Kähne,
die aus einem biegsamen mit Büffelhaut überspannten Gestell be-
standen und einem ausgespannten Regenschirm ähnlich sahen. Mit
solchen Booten setzten die Sioux wohl auch über den Missouri, aber
etwas Besonderes im Schiffbau leisteten sie nicht.

Die innere Einrichtung der Zelte war einfach, ihre Lagerstatt
eine Streu, wohl auch ein Lattengestell mit Fellen bedeckt, der
Hausrat dürftig und bestand aus Töpfen von verschiedener Größe
und Form, rohen Bänken, einigen Tellern und Schüsseln von Holz,
geflochtenen Körben und Matten und Beuteln aus Leder und Fell.
Von Weberei, Flechtkunst und Töpferei verstanden sie wenig, desto
mehr von der Lederbearbeitung. Aus Leder, Büffelhorn und Holz
oder Rinde waren ihre meisten Gefäße, und darin kochten sie so-
gar und zwar durch Hineinlegen heißer Steine. In hölzernen und
ledernen Mörsern zerstampften sie auch gedörrtes Bisonfleisch, das
in dieser Form längere Zeit aufbewahrt werden konnte und ge-
nießbar war. Das Herbeischaffen und Zerlegen der erlegten Jagd-
beute, die Bearbeitung der Häute, das Räuchern der Fische und
Nähen der Kleider war Sache der Frauen, während die Männer
die Wohnungen bauten, auf die Jagd gingen und Waffen, Kähne
und Pfeifen anfertigten. In der Zurichtung der Felle und Be-
arbeitung des Leders leisteten sie Hervorragendes. Sie verstanden
Felle geschmeidig zu machen, ohne sie zu enthaaren, und verfuhren
dabei in folgender Weise. Die Häute wurden zunächst im Schatten
aufgespannt, mit einer Mischung von frischem Büffelharn und Ton
eingerieben und mehrere Tage feucht erhalten. Als Gerbstoff ver-
wendeten sie Tiergehirn, Leber und Moos; sie machten die Felle
wohl auch durch Hin- und Herziehen über ein Stück Holz ge-

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[— 51 —/0055] alle übrigen Wald- und Steppenindianer – auch vor der europäi- schen Zeit im Verhältnis zur Größe des von ihnen beherrschten Gebietes dünn verteilt; Siedlungen, die man als Städte hätte be- zeichnen können, hatten sie nie, allenfalls kleine Dörfer. So leicht das Zelt aufzurichten war, so leicht konnte es auch wieder abge- brochen werden, wenn man den Lagerplatz zu wechseln genötigt war. Das Weiterschaffen besorgten Hunde und Pferde, die je zwei Zeltstangen an einem über den Rücken gelegten Gurt nachschleiften. Wurden zwei solche Zeltstangen verbunden, so ergab sich gleich, wie unser Bild das sehr hübsch und deutlich zeigt, eine Trage fürs Gepäck und wohl auch noch ein Sitz für Kinder. Mußte man auf dem Zuge einen Fluß überschreiten, so benutzte man runde Kähne, die aus einem biegsamen mit Büffelhaut überspannten Gestell be- standen und einem ausgespannten Regenschirm ähnlich sahen. Mit solchen Booten setzten die Sioux wohl auch über den Missouri, aber etwas Besonderes im Schiffbau leisteten sie nicht. Die innere Einrichtung der Zelte war einfach, ihre Lagerstatt eine Streu, wohl auch ein Lattengestell mit Fellen bedeckt, der Hausrat dürftig und bestand aus Töpfen von verschiedener Größe und Form, rohen Bänken, einigen Tellern und Schüsseln von Holz, geflochtenen Körben und Matten und Beuteln aus Leder und Fell. Von Weberei, Flechtkunst und Töpferei verstanden sie wenig, desto mehr von der Lederbearbeitung. Aus Leder, Büffelhorn und Holz oder Rinde waren ihre meisten Gefäße, und darin kochten sie so- gar und zwar durch Hineinlegen heißer Steine. In hölzernen und ledernen Mörsern zerstampften sie auch gedörrtes Bisonfleisch, das in dieser Form längere Zeit aufbewahrt werden konnte und ge- nießbar war. Das Herbeischaffen und Zerlegen der erlegten Jagd- beute, die Bearbeitung der Häute, das Räuchern der Fische und Nähen der Kleider war Sache der Frauen, während die Männer die Wohnungen bauten, auf die Jagd gingen und Waffen, Kähne und Pfeifen anfertigten. In der Zurichtung der Felle und Be- arbeitung des Leders leisteten sie Hervorragendes. Sie verstanden Felle geschmeidig zu machen, ohne sie zu enthaaren, und verfuhren dabei in folgender Weise. Die Häute wurden zunächst im Schatten aufgespannt, mit einer Mischung von frischem Büffelharn und Ton eingerieben und mehrere Tage feucht erhalten. Als Gerbstoff ver- wendeten sie Tiergehirn, Leber und Moos; sie machten die Felle wohl auch durch Hin- und Herziehen über ein Stück Holz ge- 4*

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Zitationshilfe: Tewes, Hermann: Menschenrassen und Völkertypen. Bd. 2. 2. Aufl. Leipzig, 1913, S. — 51 —. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tewes_menschenrassen_1913/55>, abgerufen am 30.04.2024.