Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite

und Freyheit.
ein gewisses bestimmtes Objekt vorhanden ist, worauf
sich das Vermögen zu reproduciren anwendet. Das
Gefallen an Einer Vorstellung hat mir das Objekt dar-
gestellet, aber mir keine neue Bestimmung beygebracht,
die meine Wirksamkeit nur allein auf diese Vorstellung
zu wirken geschickt gemacht hätte. Jene werde mir
in dem Augenblick entzogen, oder es falle mir ein, daß
es gut sey, einmal nach Eigensinn zu handeln! Was
wird geschehen? Es wird mir ein anderer Gegenstand
vorgelegt. Die Jndeterministen haben sich ganz rich-
tig auf diese Fälle berufen. Denn so viel lieget doch
darinn, daß selbst die Affektion des Gefallens, und
ihre unmittelbare Wirkung keine Ergänzung des in-
nern zureichenden Grundes
zu der Handlung war,
woraus diese mehr als eine andre hervorgieng. Es
war von nichts mehr der zureichende Grund, als davon,
daß ein bestimmtes Objekt auf eine nähere Art der
Kraft dargestellet ward, und daß diese sich eben auf je-
nes anwandte und auf kein anderes. Ob ich also selbst-
thätig die Eine Jdee, die mir mehr gefällt, weiter fortsetze,
und bis auf einen gewissen Grad hin sie wieder erwecke,
oder ob ich eine andre auf diese Weise bearbeite, das ist
in Hinsicht der reproducirenden Kraft so gleichgültig,
als es in Hinsicht des Drucks des Wassers ist, wo ihm
die Oeffnung gemacht wird. So fühle ichs da, wo
ich mich völlig in meiner Gewalt habe, indem ich will,
mich entschließe, mich bestimme. Hätte ich etwas an-
ders gewollt, als was ich jetzo will, so würde der Un-
terschied des letztern Wollens und des erstern wiederum
nur allein objektivisch gewesen seyn.

Oftmals stellen sich mehrere gefallende Vorstellun-
gen als ideelle Objekte mir dar, die ich aber noch mit
einander vergleiche, ehe ich mich bestimme. Jn die-
sem Falle bin ich zu jeder von ihnen geneigt, bestimme
mich aber zu dem, wozu ich es am meisten bin. Jed-

wede
II Theil. G

und Freyheit.
ein gewiſſes beſtimmtes Objekt vorhanden iſt, worauf
ſich das Vermoͤgen zu reproduciren anwendet. Das
Gefallen an Einer Vorſtellung hat mir das Objekt dar-
geſtellet, aber mir keine neue Beſtimmung beygebracht,
die meine Wirkſamkeit nur allein auf dieſe Vorſtellung
zu wirken geſchickt gemacht haͤtte. Jene werde mir
in dem Augenblick entzogen, oder es falle mir ein, daß
es gut ſey, einmal nach Eigenſinn zu handeln! Was
wird geſchehen? Es wird mir ein anderer Gegenſtand
vorgelegt. Die Jndeterminiſten haben ſich ganz rich-
tig auf dieſe Faͤlle berufen. Denn ſo viel lieget doch
darinn, daß ſelbſt die Affektion des Gefallens, und
ihre unmittelbare Wirkung keine Ergaͤnzung des in-
nern zureichenden Grundes
zu der Handlung war,
woraus dieſe mehr als eine andre hervorgieng. Es
war von nichts mehr der zureichende Grund, als davon,
daß ein beſtimmtes Objekt auf eine naͤhere Art der
Kraft dargeſtellet ward, und daß dieſe ſich eben auf je-
nes anwandte und auf kein anderes. Ob ich alſo ſelbſt-
thaͤtig die Eine Jdee, die mir mehr gefaͤllt, weiter fortſetze,
und bis auf einen gewiſſen Grad hin ſie wieder erwecke,
oder ob ich eine andre auf dieſe Weiſe bearbeite, das iſt
in Hinſicht der reproducirenden Kraft ſo gleichguͤltig,
als es in Hinſicht des Drucks des Waſſers iſt, wo ihm
die Oeffnung gemacht wird. So fuͤhle ichs da, wo
ich mich voͤllig in meiner Gewalt habe, indem ich will,
mich entſchließe, mich beſtimme. Haͤtte ich etwas an-
ders gewollt, als was ich jetzo will, ſo wuͤrde der Un-
terſchied des letztern Wollens und des erſtern wiederum
nur allein objektiviſch geweſen ſeyn.

Oftmals ſtellen ſich mehrere gefallende Vorſtellun-
gen als ideelle Objekte mir dar, die ich aber noch mit
einander vergleiche, ehe ich mich beſtimme. Jn die-
ſem Falle bin ich zu jeder von ihnen geneigt, beſtimme
mich aber zu dem, wozu ich es am meiſten bin. Jed-

wede
II Theil. G
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0127" n="97"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">und Freyheit.</hi></fw><lb/>
ein gewi&#x017F;&#x017F;es be&#x017F;timmtes Objekt vorhanden i&#x017F;t, worauf<lb/>
&#x017F;ich das Vermo&#x0364;gen zu reproduciren anwendet. Das<lb/>
Gefallen an Einer Vor&#x017F;tellung hat mir das Objekt dar-<lb/>
ge&#x017F;tellet, aber mir keine neue Be&#x017F;timmung beygebracht,<lb/>
die meine Wirk&#x017F;amkeit nur allein auf die&#x017F;e Vor&#x017F;tellung<lb/>
zu wirken ge&#x017F;chickt gemacht ha&#x0364;tte. Jene werde mir<lb/>
in dem Augenblick entzogen, oder es falle mir ein, daß<lb/>
es gut &#x017F;ey, einmal nach Eigen&#x017F;inn zu handeln! Was<lb/>
wird ge&#x017F;chehen? Es wird mir ein anderer Gegen&#x017F;tand<lb/>
vorgelegt. Die Jndetermini&#x017F;ten haben &#x017F;ich ganz rich-<lb/>
tig auf die&#x017F;e Fa&#x0364;lle berufen. Denn &#x017F;o viel lieget doch<lb/>
darinn, daß &#x017F;elb&#x017F;t die <hi rendition="#fr">Affektion des Gefallens,</hi> und<lb/>
ihre unmittelbare Wirkung keine <hi rendition="#fr">Erga&#x0364;nzung des in-<lb/>
nern zureichenden Grundes</hi> zu der Handlung war,<lb/>
woraus die&#x017F;e mehr als eine andre hervorgieng. Es<lb/>
war von nichts mehr der zureichende Grund, als davon,<lb/>
daß ein be&#x017F;timmtes Objekt auf eine na&#x0364;here Art der<lb/>
Kraft darge&#x017F;tellet ward, und daß die&#x017F;e &#x017F;ich eben auf je-<lb/>
nes anwandte und auf kein anderes. Ob ich al&#x017F;o &#x017F;elb&#x017F;t-<lb/>
tha&#x0364;tig die Eine Jdee, die mir mehr gefa&#x0364;llt, weiter fort&#x017F;etze,<lb/>
und bis auf einen gewi&#x017F;&#x017F;en Grad hin &#x017F;ie wieder erwecke,<lb/>
oder ob ich eine andre auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e bearbeite, das i&#x017F;t<lb/>
in Hin&#x017F;icht der reproducirenden Kraft &#x017F;o gleichgu&#x0364;ltig,<lb/>
als es in Hin&#x017F;icht des Drucks des Wa&#x017F;&#x017F;ers i&#x017F;t, wo ihm<lb/>
die Oeffnung gemacht wird. So fu&#x0364;hle ichs da, wo<lb/>
ich mich vo&#x0364;llig in meiner Gewalt habe, indem ich will,<lb/>
mich ent&#x017F;chließe, mich be&#x017F;timme. Ha&#x0364;tte ich etwas an-<lb/>
ders gewollt, als was ich jetzo will, &#x017F;o wu&#x0364;rde der Un-<lb/>
ter&#x017F;chied des letztern Wollens und des er&#x017F;tern wiederum<lb/>
nur allein <hi rendition="#fr">objektivi&#x017F;ch</hi> gewe&#x017F;en &#x017F;eyn.</p><lb/>
            <p>Oftmals &#x017F;tellen &#x017F;ich mehrere gefallende Vor&#x017F;tellun-<lb/>
gen als ideelle Objekte mir dar, die ich aber noch mit<lb/>
einander vergleiche, ehe ich mich be&#x017F;timme. Jn die-<lb/>
&#x017F;em Falle bin ich zu jeder von ihnen geneigt, be&#x017F;timme<lb/>
mich aber zu dem, wozu ich es am <hi rendition="#fr">mei&#x017F;ten</hi> bin. Jed-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">II</hi><hi rendition="#fr">Theil.</hi> G</fw><fw place="bottom" type="catch">wede</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[97/0127] und Freyheit. ein gewiſſes beſtimmtes Objekt vorhanden iſt, worauf ſich das Vermoͤgen zu reproduciren anwendet. Das Gefallen an Einer Vorſtellung hat mir das Objekt dar- geſtellet, aber mir keine neue Beſtimmung beygebracht, die meine Wirkſamkeit nur allein auf dieſe Vorſtellung zu wirken geſchickt gemacht haͤtte. Jene werde mir in dem Augenblick entzogen, oder es falle mir ein, daß es gut ſey, einmal nach Eigenſinn zu handeln! Was wird geſchehen? Es wird mir ein anderer Gegenſtand vorgelegt. Die Jndeterminiſten haben ſich ganz rich- tig auf dieſe Faͤlle berufen. Denn ſo viel lieget doch darinn, daß ſelbſt die Affektion des Gefallens, und ihre unmittelbare Wirkung keine Ergaͤnzung des in- nern zureichenden Grundes zu der Handlung war, woraus dieſe mehr als eine andre hervorgieng. Es war von nichts mehr der zureichende Grund, als davon, daß ein beſtimmtes Objekt auf eine naͤhere Art der Kraft dargeſtellet ward, und daß dieſe ſich eben auf je- nes anwandte und auf kein anderes. Ob ich alſo ſelbſt- thaͤtig die Eine Jdee, die mir mehr gefaͤllt, weiter fortſetze, und bis auf einen gewiſſen Grad hin ſie wieder erwecke, oder ob ich eine andre auf dieſe Weiſe bearbeite, das iſt in Hinſicht der reproducirenden Kraft ſo gleichguͤltig, als es in Hinſicht des Drucks des Waſſers iſt, wo ihm die Oeffnung gemacht wird. So fuͤhle ichs da, wo ich mich voͤllig in meiner Gewalt habe, indem ich will, mich entſchließe, mich beſtimme. Haͤtte ich etwas an- ders gewollt, als was ich jetzo will, ſo wuͤrde der Un- terſchied des letztern Wollens und des erſtern wiederum nur allein objektiviſch geweſen ſeyn. Oftmals ſtellen ſich mehrere gefallende Vorſtellun- gen als ideelle Objekte mir dar, die ich aber noch mit einander vergleiche, ehe ich mich beſtimme. Jn die- ſem Falle bin ich zu jeder von ihnen geneigt, beſtimme mich aber zu dem, wozu ich es am meiſten bin. Jed- wede II Theil. G

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/127
Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/127>, abgerufen am 02.05.2024.