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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

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der Vorstellungskraft etc.
sung ähnlicher Spuren, zu Einer großen Spur aus-
machet.

Dieser Begriff führet uns zugleich auf die verschie-
dene Dimensionen, die wir in den Fertigkeiten gewahr-
nehmen, und auf ihre Entstehungsart.

Es giebt zuerst eine gewisse Promtitüde, das Ver-
mögen bey jeder auch entfernten Veranlassung anzuwen-
den, da man so zu sagen, es überall bey der Hand hat.
Dieß ist nicht die innere Größe des Vermögens selbst.
Es ist noch kein großer Verstand, der über alles gleich
weg raisonnirt; noch ein witziges Genie, das bey allen
Gelegenheiten aufgesammlete Einfälle vorbringer, oder
ein lebendes Vademecum ist, so wenig als ein allzeit
fertiger Reimer ein Poet ist.

Diese Fertigkeit, von seinem Vermögen Gebrauch zu
machen, ist indessen an sich eine wahre Realität, so ferne
sie nur keiner andern wichtigern im Wege stehet. Es ist
leicht zu begreifen, daß solche von der Association der
Fertigkeit mit mehrern verschiedenen Jdeen abhange.
Denn an je mehrere Vorstellungen die Vorstellung von
der Aktion gebunden ist, desto häufiger und leichter wird
die Seele auf sie zurück geführet, und desto häufiger wird
die Wirksamkeit des Vermögens veranlasset und ge-
reizet.

Allein bey der innern Größe in dem erhöheten
Vermögen selbst, finden wir eine Ausdehnung oder
einen Umfang; und diese Dimension ist von der Stärke
oder Jntension desselben unterschieden, bey der noch
wiederum die Größe in dem Ansatz, die Lebhaftig-
keit, und die Größe des Aushaltens oder der Nach-
druck, die Protension, als verschiedene Modifikationen
von dieser innern Stärke vorkommen.

Die Ausdehnung der Kraft zeiget sich in den meh-
rern, zwar gleichartigen aber doch verschiedenen
Handlungen, die zu Einer Gattung gehören, und sich

darum
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der Vorſtellungskraft ⁊c.
ſung aͤhnlicher Spuren, zu Einer großen Spur aus-
machet.

Dieſer Begriff fuͤhret uns zugleich auf die verſchie-
dene Dimenſionen, die wir in den Fertigkeiten gewahr-
nehmen, und auf ihre Entſtehungsart.

Es giebt zuerſt eine gewiſſe Promtituͤde, das Ver-
moͤgen bey jeder auch entfernten Veranlaſſung anzuwen-
den, da man ſo zu ſagen, es uͤberall bey der Hand hat.
Dieß iſt nicht die innere Groͤße des Vermoͤgens ſelbſt.
Es iſt noch kein großer Verſtand, der uͤber alles gleich
weg raiſonnirt; noch ein witziges Genie, das bey allen
Gelegenheiten aufgeſammlete Einfaͤlle vorbringer, oder
ein lebendes Vademecum iſt, ſo wenig als ein allzeit
fertiger Reimer ein Poet iſt.

Dieſe Fertigkeit, von ſeinem Vermoͤgen Gebrauch zu
machen, iſt indeſſen an ſich eine wahre Realitaͤt, ſo ferne
ſie nur keiner andern wichtigern im Wege ſtehet. Es iſt
leicht zu begreifen, daß ſolche von der Aſſociation der
Fertigkeit mit mehrern verſchiedenen Jdeen abhange.
Denn an je mehrere Vorſtellungen die Vorſtellung von
der Aktion gebunden iſt, deſto haͤufiger und leichter wird
die Seele auf ſie zuruͤck gefuͤhret, und deſto haͤufiger wird
die Wirkſamkeit des Vermoͤgens veranlaſſet und ge-
reizet.

Allein bey der innern Groͤße in dem erhoͤheten
Vermoͤgen ſelbſt, finden wir eine Ausdehnung oder
einen Umfang; und dieſe Dimenſion iſt von der Staͤrke
oder Jntenſion deſſelben unterſchieden, bey der noch
wiederum die Groͤße in dem Anſatz, die Lebhaftig-
keit, und die Groͤße des Aushaltens oder der Nach-
druck, die Protenſion, als verſchiedene Modifikationen
von dieſer innern Staͤrke vorkommen.

Die Ausdehnung der Kraft zeiget ſich in den meh-
rern, zwar gleichartigen aber doch verſchiedenen
Handlungen, die zu Einer Gattung gehoͤren, und ſich

darum
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[659/0719] der Vorſtellungskraft ⁊c. ſung aͤhnlicher Spuren, zu Einer großen Spur aus- machet. Dieſer Begriff fuͤhret uns zugleich auf die verſchie- dene Dimenſionen, die wir in den Fertigkeiten gewahr- nehmen, und auf ihre Entſtehungsart. Es giebt zuerſt eine gewiſſe Promtituͤde, das Ver- moͤgen bey jeder auch entfernten Veranlaſſung anzuwen- den, da man ſo zu ſagen, es uͤberall bey der Hand hat. Dieß iſt nicht die innere Groͤße des Vermoͤgens ſelbſt. Es iſt noch kein großer Verſtand, der uͤber alles gleich weg raiſonnirt; noch ein witziges Genie, das bey allen Gelegenheiten aufgeſammlete Einfaͤlle vorbringer, oder ein lebendes Vademecum iſt, ſo wenig als ein allzeit fertiger Reimer ein Poet iſt. Dieſe Fertigkeit, von ſeinem Vermoͤgen Gebrauch zu machen, iſt indeſſen an ſich eine wahre Realitaͤt, ſo ferne ſie nur keiner andern wichtigern im Wege ſtehet. Es iſt leicht zu begreifen, daß ſolche von der Aſſociation der Fertigkeit mit mehrern verſchiedenen Jdeen abhange. Denn an je mehrere Vorſtellungen die Vorſtellung von der Aktion gebunden iſt, deſto haͤufiger und leichter wird die Seele auf ſie zuruͤck gefuͤhret, und deſto haͤufiger wird die Wirkſamkeit des Vermoͤgens veranlaſſet und ge- reizet. Allein bey der innern Groͤße in dem erhoͤheten Vermoͤgen ſelbſt, finden wir eine Ausdehnung oder einen Umfang; und dieſe Dimenſion iſt von der Staͤrke oder Jntenſion deſſelben unterſchieden, bey der noch wiederum die Groͤße in dem Anſatz, die Lebhaftig- keit, und die Groͤße des Aushaltens oder der Nach- druck, die Protenſion, als verſchiedene Modifikationen von dieſer innern Staͤrke vorkommen. Die Ausdehnung der Kraft zeiget ſich in den meh- rern, zwar gleichartigen aber doch verſchiedenen Handlungen, die zu Einer Gattung gehoͤren, und ſich darum T t 2

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 659. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/719>, abgerufen am 22.11.2024.