Absicht, oder von dem Endzweck, der bewirket werden soll, kann selbst die reizenden Empfindnisse veranlassen, und dann wirket sie als eine Modifikation der Seele als Bewegungsgrund. Jn so ferne sie aber bloß eine Vor- stellung von dem ist, was hervorgebracht werden soll, bestehet ihr ganzer Effekt darinn, daß sie, wie das Jdeal bey dem Maler, der thätigen Kraft die gehörigen Rich- tungen giebet, und sie in ihr Gleiß wieder hineinlenket, wenn sie abweichet. Wer der Jugend gute moralische Jdeen und Vorschriften beybringet, giebt ihr eine Richt- schnur ihres Verhaltens, ein Jdeal und einen Kompaß. Aber Empfindnisse sind nöthig, wenn bewegende Kraft in die Seele gebracht werden soll; und Uebung, mehr oder minder, wenn Fertigkeiten erzeuget werden sollen.
Es giebt natürliche Fertigkeiten, und einige der erworbenen können so stark werden, daß man bey ih- nen eben so wenig wie bey jenen, die anschauliche Vor- stellung der Handlung von der Handlung selbst mehr un- terscheiden kann. Jn diesem entwickeln sich die ersten Anfänge der Aktion so schnell zur völligen Aktion, daß man den allmähligen Fortgang nicht gewahrnehmen, noch diese Folge irgendwo unterbrechen kann. Jm übrigen haben sie einerley Natur mit den erworbenen. Sie be- stehen in Dispositionen zu handeln, die schon solche Leich- tigkeiten sind, daß sie selten noch vergrößert werden können.
Jch schließe diese Betrachtung über die Fertigkeiten mit folgender Anmerkung. Jede Fertigkeit ist ein ge- stärktes oder erhöhetes Vermögen. Sie enthält also eine Größe, Quantität, und entstehet auch, wie eine jedwede Größe, aus einer Mehrheit des Aehnlichen, das in Eins vereiniget wird, (quantitas est pluralitas eo- rundem in uno). Jedwede ähnliche Handlung, so ferne sie dieselbige ist, hinterläßt eine ähnliche Spur, die sich zu den vorhergehenden gesellet, und eine Aufhäu-
fung
X. Verſuch. Ueber die Beziehung
Abſicht, oder von dem Endzweck, der bewirket werden ſoll, kann ſelbſt die reizenden Empfindniſſe veranlaſſen, und dann wirket ſie als eine Modifikation der Seele als Bewegungsgrund. Jn ſo ferne ſie aber bloß eine Vor- ſtellung von dem iſt, was hervorgebracht werden ſoll, beſtehet ihr ganzer Effekt darinn, daß ſie, wie das Jdeal bey dem Maler, der thaͤtigen Kraft die gehoͤrigen Rich- tungen giebet, und ſie in ihr Gleiß wieder hineinlenket, wenn ſie abweichet. Wer der Jugend gute moraliſche Jdeen und Vorſchriften beybringet, giebt ihr eine Richt- ſchnur ihres Verhaltens, ein Jdeal und einen Kompaß. Aber Empfindniſſe ſind noͤthig, wenn bewegende Kraft in die Seele gebracht werden ſoll; und Uebung, mehr oder minder, wenn Fertigkeiten erzeuget werden ſollen.
Es giebt natuͤrliche Fertigkeiten, und einige der erworbenen koͤnnen ſo ſtark werden, daß man bey ih- nen eben ſo wenig wie bey jenen, die anſchauliche Vor- ſtellung der Handlung von der Handlung ſelbſt mehr un- terſcheiden kann. Jn dieſem entwickeln ſich die erſten Anfaͤnge der Aktion ſo ſchnell zur voͤlligen Aktion, daß man den allmaͤhligen Fortgang nicht gewahrnehmen, noch dieſe Folge irgendwo unterbrechen kann. Jm uͤbrigen haben ſie einerley Natur mit den erworbenen. Sie be- ſtehen in Diſpoſitionen zu handeln, die ſchon ſolche Leich- tigkeiten ſind, daß ſie ſelten noch vergroͤßert werden koͤnnen.
Jch ſchließe dieſe Betrachtung uͤber die Fertigkeiten mit folgender Anmerkung. Jede Fertigkeit iſt ein ge- ſtaͤrktes oder erhoͤhetes Vermoͤgen. Sie enthaͤlt alſo eine Groͤße, Quantitaͤt, und entſtehet auch, wie eine jedwede Groͤße, aus einer Mehrheit des Aehnlichen, das in Eins vereiniget wird, (quantitas eſt pluralitas eo- rundem in uno). Jedwede aͤhnliche Handlung, ſo ferne ſie dieſelbige iſt, hinterlaͤßt eine aͤhnliche Spur, die ſich zu den vorhergehenden geſellet, und eine Aufhaͤu-
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X. Verſuch. Ueber die Beziehung
Abſicht, oder von dem Endzweck, der bewirket werden
ſoll, kann ſelbſt die reizenden Empfindniſſe veranlaſſen,
und dann wirket ſie als eine Modifikation der Seele als
Bewegungsgrund. Jn ſo ferne ſie aber bloß eine Vor-
ſtellung von dem iſt, was hervorgebracht werden ſoll,
beſtehet ihr ganzer Effekt darinn, daß ſie, wie das Jdeal
bey dem Maler, der thaͤtigen Kraft die gehoͤrigen Rich-
tungen giebet, und ſie in ihr Gleiß wieder hineinlenket,
wenn ſie abweichet. Wer der Jugend gute moraliſche
Jdeen und Vorſchriften beybringet, giebt ihr eine Richt-
ſchnur ihres Verhaltens, ein Jdeal und einen Kompaß.
Aber Empfindniſſe ſind noͤthig, wenn bewegende Kraft
in die Seele gebracht werden ſoll; und Uebung, mehr
oder minder, wenn Fertigkeiten erzeuget werden ſollen.
Es giebt natuͤrliche Fertigkeiten, und einige der
erworbenen koͤnnen ſo ſtark werden, daß man bey ih-
nen eben ſo wenig wie bey jenen, die anſchauliche Vor-
ſtellung der Handlung von der Handlung ſelbſt mehr un-
terſcheiden kann. Jn dieſem entwickeln ſich die erſten
Anfaͤnge der Aktion ſo ſchnell zur voͤlligen Aktion, daß
man den allmaͤhligen Fortgang nicht gewahrnehmen, noch
dieſe Folge irgendwo unterbrechen kann. Jm uͤbrigen
haben ſie einerley Natur mit den erworbenen. Sie be-
ſtehen in Diſpoſitionen zu handeln, die ſchon ſolche Leich-
tigkeiten ſind, daß ſie ſelten noch vergroͤßert werden
koͤnnen.
Jch ſchließe dieſe Betrachtung uͤber die Fertigkeiten
mit folgender Anmerkung. Jede Fertigkeit iſt ein ge-
ſtaͤrktes oder erhoͤhetes Vermoͤgen. Sie enthaͤlt alſo
eine Groͤße, Quantitaͤt, und entſtehet auch, wie eine
jedwede Groͤße, aus einer Mehrheit des Aehnlichen, das
in Eins vereiniget wird, (quantitas eſt pluralitas eo-
rundem in uno). Jedwede aͤhnliche Handlung, ſo
ferne ſie dieſelbige iſt, hinterlaͤßt eine aͤhnliche Spur, die
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 658. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/718>, abgerufen am 22.11.2024.
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