losophie längst verdrängte Vorurtheile mit unter den Ge- gengründen gebraucht worden sind. Sie läugneten mit den Grundsätzen des Skepticismus auch den Grundsatz der Philosophie ab, "daß alle äußere Objekte nur nach "den Vorstellungen von ihnen in uns beurtheilet werden," und verwarfen den Richterstuhl der auflösenden und schlie- ßenden Vernunft, so daß man sagen kann, es müsse die gesunde Vernunft zutreten, und sich in manchen Sätzen der Skeptiker und Jdealisten gegen sie annehmen.
Es fehlet, so viel ich weiß, noch an einer solchen Schrift, in der auf die vorher erwähnte Art die falsche Vernünfteley des scharfsinnigen Hume in alle ihre Laby- rinthe verfolget, und ans Licht gezogen würde. Ein Buch von solchem spekulativischen Jnhalt würde freylich nur wenige Leser finden, aber doch nützlich, und, wenn es wahr ist, was Beattie und Oswald versichern, daß Hume durch seine skeptischen Versuche wirklich bey vie- len nachdenkenden Köpfen praktisch schädliche Jrthümer veranlasset habe, für diese Klasse von Lesern nothwendig seyn. Nur müßte es, um einen gleichen Eingang, wie die gedachten humischen Vernünfteleyen, zu finden, nicht allein mit demselbigen Verstande, sondern auch mit dem- selbigen Geist geschrieben werden, womit Hr. Hume auch alsdenn noch schreibet, wenn er die abstraktesten Ge- genstände behandelt, und dieß ist eine harte Foderung.
Von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit unserer Ur- theile über die Existenz der äußern Dinge ist hier bey der gegenwärtigen Betrachtung eigentlich die Frage nicht, sondern nur von der Art, wie diese Urtheile entstehen, und von der Ordnung, in der sie entstehen. War der Gang des sich entwickelnden Verstandes dieser, daß zu- erst alle Empfindungen für Beschaffenheiten unsers Jchs gehalten, und nur hernach erst durch manche Raisonne- ments die richtigere Erkenntniß erlanget werden konnte? Oder war die letztere eben so natürlich, und in eben dem
Verstan-
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Kenntn. v. d. objektiv. Exiſtenz d. Dinge.
loſophie laͤngſt verdraͤngte Vorurtheile mit unter den Ge- gengruͤnden gebraucht worden ſind. Sie laͤugneten mit den Grundſaͤtzen des Skepticismus auch den Grundſatz der Philoſophie ab, „daß alle aͤußere Objekte nur nach „den Vorſtellungen von ihnen in uns beurtheilet werden,“ und verwarfen den Richterſtuhl der aufloͤſenden und ſchlie- ßenden Vernunft, ſo daß man ſagen kann, es muͤſſe die geſunde Vernunft zutreten, und ſich in manchen Saͤtzen der Skeptiker und Jdealiſten gegen ſie annehmen.
Es fehlet, ſo viel ich weiß, noch an einer ſolchen Schrift, in der auf die vorher erwaͤhnte Art die falſche Vernuͤnfteley des ſcharfſinnigen Hume in alle ihre Laby- rinthe verfolget, und ans Licht gezogen wuͤrde. Ein Buch von ſolchem ſpekulativiſchen Jnhalt wuͤrde freylich nur wenige Leſer finden, aber doch nuͤtzlich, und, wenn es wahr iſt, was Beattie und Oswald verſichern, daß Hume durch ſeine ſkeptiſchen Verſuche wirklich bey vie- len nachdenkenden Koͤpfen praktiſch ſchaͤdliche Jrthuͤmer veranlaſſet habe, fuͤr dieſe Klaſſe von Leſern nothwendig ſeyn. Nur muͤßte es, um einen gleichen Eingang, wie die gedachten humiſchen Vernuͤnfteleyen, zu finden, nicht allein mit demſelbigen Verſtande, ſondern auch mit dem- ſelbigen Geiſt geſchrieben werden, womit Hr. Hume auch alsdenn noch ſchreibet, wenn er die abſtrakteſten Ge- genſtaͤnde behandelt, und dieß iſt eine harte Foderung.
Von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit unſerer Ur- theile uͤber die Exiſtenz der aͤußern Dinge iſt hier bey der gegenwaͤrtigen Betrachtung eigentlich die Frage nicht, ſondern nur von der Art, wie dieſe Urtheile entſtehen, und von der Ordnung, in der ſie entſtehen. War der Gang des ſich entwickelnden Verſtandes dieſer, daß zu- erſt alle Empfindungen fuͤr Beſchaffenheiten unſers Jchs gehalten, und nur hernach erſt durch manche Raiſonne- ments die richtigere Erkenntniß erlanget werden konnte? Oder war die letztere eben ſo natuͤrlich, und in eben dem
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Kenntn. v. d. objektiv. Exiſtenz d. Dinge.
loſophie laͤngſt verdraͤngte Vorurtheile mit unter den Ge-
gengruͤnden gebraucht worden ſind. Sie laͤugneten mit
den Grundſaͤtzen des Skepticismus auch den Grundſatz
der Philoſophie ab, „daß alle aͤußere Objekte nur nach
„den Vorſtellungen von ihnen in uns beurtheilet werden,“
und verwarfen den Richterſtuhl der aufloͤſenden und ſchlie-
ßenden Vernunft, ſo daß man ſagen kann, es muͤſſe die
geſunde Vernunft zutreten, und ſich in manchen Saͤtzen
der Skeptiker und Jdealiſten gegen ſie annehmen.
Es fehlet, ſo viel ich weiß, noch an einer ſolchen
Schrift, in der auf die vorher erwaͤhnte Art die falſche
Vernuͤnfteley des ſcharfſinnigen Hume in alle ihre Laby-
rinthe verfolget, und ans Licht gezogen wuͤrde. Ein
Buch von ſolchem ſpekulativiſchen Jnhalt wuͤrde freylich
nur wenige Leſer finden, aber doch nuͤtzlich, und, wenn es
wahr iſt, was Beattie und Oswald verſichern, daß
Hume durch ſeine ſkeptiſchen Verſuche wirklich bey vie-
len nachdenkenden Koͤpfen praktiſch ſchaͤdliche Jrthuͤmer
veranlaſſet habe, fuͤr dieſe Klaſſe von Leſern nothwendig
ſeyn. Nur muͤßte es, um einen gleichen Eingang, wie
die gedachten humiſchen Vernuͤnfteleyen, zu finden, nicht
allein mit demſelbigen Verſtande, ſondern auch mit dem-
ſelbigen Geiſt geſchrieben werden, womit Hr. Hume
auch alsdenn noch ſchreibet, wenn er die abſtrakteſten Ge-
genſtaͤnde behandelt, und dieß iſt eine harte Foderung.
Von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit unſerer Ur-
theile uͤber die Exiſtenz der aͤußern Dinge iſt hier bey der
gegenwaͤrtigen Betrachtung eigentlich die Frage nicht,
ſondern nur von der Art, wie dieſe Urtheile entſtehen,
und von der Ordnung, in der ſie entſtehen. War der
Gang des ſich entwickelnden Verſtandes dieſer, daß zu-
erſt alle Empfindungen fuͤr Beſchaffenheiten unſers Jchs
gehalten, und nur hernach erſt durch manche Raiſonne-
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/463>, abgerufen am 27.11.2024.
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