wir mehrere wirkliche Gegenstände zugleich, oder in ei- ner Folge auf einander uns vorstellen. Endlich, wird die ursachliche Verbindung dann nur gedacht, wenn die Jdeen der Objekte selbst in einer gewissen wirkenden Verbindung auf einander in dem Verstande sind. Es ist Folgern und Schließen etwas anders, als blos Jdeen in eine Folge und Verbindung zu bringen; auch etwas mehr, als eine Aehnlichkeit und Uebereinstim- mung gewahrzunehmen. Denn wenn auch der Ver- nunftschluß durch die Herleitung einer Aehnlichkeit oder Verschiedenheit zwoer Jdeen aus ihren Aehnlichkeiten und Verschiedenheiten in Hinsicht einer dritten erkläret wird; so ist doch selbst dieses Herleiten der Aehnlichkeit oder Verschiedenheit aus andern gleichartigen Verhält- nissen eine eigene Thätigkeit des Verstandes; ein thäti- ges Hervorbringen eines Verhältnißgedanken aus ei- nem andern, welches, wie oben erinnert worden, mehr ist, als zwey Verhältnisse nach einander gewahrnehmen.
Zu diesen dreyen Gattungen von einfachen objekti- vischen Verhältnissen, als so vielen unterschiedenen Thä- tigkeitsarten unserer Denkkraft lassen sich die einfachen Verhältnisse in der Grundwissenschaft hinbringen. Jch habe wenigstens bey keiner Art derselben Ursachen gefun- den, die Zahl der allgemeinen und einfachen Gattungen zu vermehren, wenn nemlich, wie hier vorausgesetzet wird, nur von Verhältnissen der Objekte unter sich, die man in den Dingen außer dem Verstande gedenket, und ihnen in Hinsicht auf andere zuschreibet, die Rede ist. Die Gedenkbarkeit der Dinge ist eine Beziehung auf den Verstand eines erkennenden Wesens. Solche Ver- hältnisse können von einer Seite betrachtet, unter jenen Gattungen, als ihre besondern Arten begriffen werden, doch mag man auch, wenn man will, eine eigne Ord- nung aus ihnen machen. Jch bemerke hiebey nur gele-
gentlich,
IV. Verſuch. Ueber die Denkkraft
wir mehrere wirkliche Gegenſtaͤnde zugleich, oder in ei- ner Folge auf einander uns vorſtellen. Endlich, wird die urſachliche Verbindung dann nur gedacht, wenn die Jdeen der Objekte ſelbſt in einer gewiſſen wirkenden Verbindung auf einander in dem Verſtande ſind. Es iſt Folgern und Schließen etwas anders, als blos Jdeen in eine Folge und Verbindung zu bringen; auch etwas mehr, als eine Aehnlichkeit und Uebereinſtim- mung gewahrzunehmen. Denn wenn auch der Ver- nunftſchluß durch die Herleitung einer Aehnlichkeit oder Verſchiedenheit zwoer Jdeen aus ihren Aehnlichkeiten und Verſchiedenheiten in Hinſicht einer dritten erklaͤret wird; ſo iſt doch ſelbſt dieſes Herleiten der Aehnlichkeit oder Verſchiedenheit aus andern gleichartigen Verhaͤlt- niſſen eine eigene Thaͤtigkeit des Verſtandes; ein thaͤti- ges Hervorbringen eines Verhaͤltnißgedanken aus ei- nem andern, welches, wie oben erinnert worden, mehr iſt, als zwey Verhaͤltniſſe nach einander gewahrnehmen.
Zu dieſen dreyen Gattungen von einfachen objekti- viſchen Verhaͤltniſſen, als ſo vielen unterſchiedenen Thaͤ- tigkeitsarten unſerer Denkkraft laſſen ſich die einfachen Verhaͤltniſſe in der Grundwiſſenſchaft hinbringen. Jch habe wenigſtens bey keiner Art derſelben Urſachen gefun- den, die Zahl der allgemeinen und einfachen Gattungen zu vermehren, wenn nemlich, wie hier vorausgeſetzet wird, nur von Verhaͤltniſſen der Objekte unter ſich, die man in den Dingen außer dem Verſtande gedenket, und ihnen in Hinſicht auf andere zuſchreibet, die Rede iſt. Die Gedenkbarkeit der Dinge iſt eine Beziehung auf den Verſtand eines erkennenden Weſens. Solche Ver- haͤltniſſe koͤnnen von einer Seite betrachtet, unter jenen Gattungen, als ihre beſondern Arten begriffen werden, doch mag man auch, wenn man will, eine eigne Ord- nung aus ihnen machen. Jch bemerke hiebey nur gele-
gentlich,
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IV. Verſuch. Ueber die Denkkraft
wir mehrere wirkliche Gegenſtaͤnde zugleich, oder in ei-
ner Folge auf einander uns vorſtellen. Endlich, wird
die urſachliche Verbindung dann nur gedacht, wenn
die Jdeen der Objekte ſelbſt in einer gewiſſen wirkenden
Verbindung auf einander in dem Verſtande ſind. Es
iſt Folgern und Schließen etwas anders, als blos
Jdeen in eine Folge und Verbindung zu bringen; auch
etwas mehr, als eine Aehnlichkeit und Uebereinſtim-
mung gewahrzunehmen. Denn wenn auch der Ver-
nunftſchluß durch die Herleitung einer Aehnlichkeit oder
Verſchiedenheit zwoer Jdeen aus ihren Aehnlichkeiten
und Verſchiedenheiten in Hinſicht einer dritten erklaͤret
wird; ſo iſt doch ſelbſt dieſes Herleiten der Aehnlichkeit
oder Verſchiedenheit aus andern gleichartigen Verhaͤlt-
niſſen eine eigene Thaͤtigkeit des Verſtandes; ein thaͤti-
ges Hervorbringen eines Verhaͤltnißgedanken aus ei-
nem andern, welches, wie oben erinnert worden, mehr
iſt, als zwey Verhaͤltniſſe nach einander gewahrnehmen.
Zu dieſen dreyen Gattungen von einfachen objekti-
viſchen Verhaͤltniſſen, als ſo vielen unterſchiedenen Thaͤ-
tigkeitsarten unſerer Denkkraft laſſen ſich die einfachen
Verhaͤltniſſe in der Grundwiſſenſchaft hinbringen. Jch
habe wenigſtens bey keiner Art derſelben Urſachen gefun-
den, die Zahl der allgemeinen und einfachen Gattungen
zu vermehren, wenn nemlich, wie hier vorausgeſetzet
wird, nur von Verhaͤltniſſen der Objekte unter ſich,
die man in den Dingen außer dem Verſtande gedenket,
und ihnen in Hinſicht auf andere zuſchreibet, die Rede iſt.
Die Gedenkbarkeit der Dinge iſt eine Beziehung auf
den Verſtand eines erkennenden Weſens. Solche Ver-
haͤltniſſe koͤnnen von einer Seite betrachtet, unter jenen
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doch mag man auch, wenn man will, eine eigne Ord-
nung aus ihnen machen. Jch bemerke hiebey nur gele-
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/394>, abgerufen am 22.11.2024.
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