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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

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der Vorstellungen.

Es scheinen mir ferner überhaupt alle Beobach-
tungen mit der gedachten Erklärung unvereinbar zu seyn,
wo die Reproduktion eines ehemaligen Gemüthszustan-
des, oder auch die Wiederversetzung in diesen Zustand,
durch die Vorstellungen ihrer äußern Folgen und Wir-
kungen veranlasset wird. Solche Fälle sind häufig.
Die Einbildungskraft nimmt in der Reihe der Vorstel-
lungen den Weg rückwärts, von den Wirkungen auf
die Ursachen; sie wird es wenigstens leicht gewohnt, ihn
zu nehmen, und sie wird es auch da gewohnt, wo die
Ursache eine Gemüthsbewegung war und die Wir-
kung
von dieser eine Geberde des Gesichts, ein Ton der
Stimme oder eine Bewegung mit der Hand ist. Man
darf nur lustige Töne wiederholen, nicht eben solche, die uns
wirklich ehedem vergnügt gemacht haben, sondern solche
welche wir angaben, weil wir vergnügt waren, und in
die das heitere Herz fast unwillkührlich, zumal in jün-
gern Jahren, sich zu ergießen pfleget, oder man darf
nur lebhaft an sie denken, und die Reproduktion des
Vergnügens, als ihrer Quelle, ist mit ihnen verbunden.

Will man sagen, diese Vorstellungen müßten zu-
vörderst andere hervorbringen, die vor der Gemüthsbe-
wegung vorhergegangen sind; so kann man zweyerley
antworten. Es lehret die Empfindung dieß nicht. Und
dann so sind die vorhergehende wirkende Vorstellun-
gen oft an die nachfolgende Vorstellungen nicht an-
ders angereihet, als allein vermittelst der zwischen
ihnen liegenden
Gemüthsbewegung. Sie haben sonst
keine hier in Betracht kommende Aehnlichkeit unter sich;
sind auch in keiner wirkenden Verknüpfung mit einander,
und auch in keiner Folge auf einander in der Empfin-
dung gewesen, als nur in solchen Reihen, in denen zu-
gleich die innere Seelenveränderung das Verbin-
dungsglied
zwischen ihnen war. Da muß also auch
nach dem bekannten Gesetze der Association die Einbil-

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der Vorſtellungen.

Es ſcheinen mir ferner uͤberhaupt alle Beobach-
tungen mit der gedachten Erklaͤrung unvereinbar zu ſeyn,
wo die Reproduktion eines ehemaligen Gemuͤthszuſtan-
des, oder auch die Wiederverſetzung in dieſen Zuſtand,
durch die Vorſtellungen ihrer aͤußern Folgen und Wir-
kungen veranlaſſet wird. Solche Faͤlle ſind haͤufig.
Die Einbildungskraft nimmt in der Reihe der Vorſtel-
lungen den Weg ruͤckwaͤrts, von den Wirkungen auf
die Urſachen; ſie wird es wenigſtens leicht gewohnt, ihn
zu nehmen, und ſie wird es auch da gewohnt, wo die
Urſache eine Gemuͤthsbewegung war und die Wir-
kung
von dieſer eine Geberde des Geſichts, ein Ton der
Stimme oder eine Bewegung mit der Hand iſt. Man
darf nur luſtige Toͤne wiederholen, nicht eben ſolche, die uns
wirklich ehedem vergnuͤgt gemacht haben, ſondern ſolche
welche wir angaben, weil wir vergnuͤgt waren, und in
die das heitere Herz faſt unwillkuͤhrlich, zumal in juͤn-
gern Jahren, ſich zu ergießen pfleget, oder man darf
nur lebhaft an ſie denken, und die Reproduktion des
Vergnuͤgens, als ihrer Quelle, iſt mit ihnen verbunden.

Will man ſagen, dieſe Vorſtellungen muͤßten zu-
voͤrderſt andere hervorbringen, die vor der Gemuͤthsbe-
wegung vorhergegangen ſind; ſo kann man zweyerley
antworten. Es lehret die Empfindung dieß nicht. Und
dann ſo ſind die vorhergehende wirkende Vorſtellun-
gen oft an die nachfolgende Vorſtellungen nicht an-
ders angereihet, als allein vermittelſt der zwiſchen
ihnen liegenden
Gemuͤthsbewegung. Sie haben ſonſt
keine hier in Betracht kommende Aehnlichkeit unter ſich;
ſind auch in keiner wirkenden Verknuͤpfung mit einander,
und auch in keiner Folge auf einander in der Empfin-
dung geweſen, als nur in ſolchen Reihen, in denen zu-
gleich die innere Seelenveraͤnderung das Verbin-
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[71/0131] der Vorſtellungen. Es ſcheinen mir ferner uͤberhaupt alle Beobach- tungen mit der gedachten Erklaͤrung unvereinbar zu ſeyn, wo die Reproduktion eines ehemaligen Gemuͤthszuſtan- des, oder auch die Wiederverſetzung in dieſen Zuſtand, durch die Vorſtellungen ihrer aͤußern Folgen und Wir- kungen veranlaſſet wird. Solche Faͤlle ſind haͤufig. Die Einbildungskraft nimmt in der Reihe der Vorſtel- lungen den Weg ruͤckwaͤrts, von den Wirkungen auf die Urſachen; ſie wird es wenigſtens leicht gewohnt, ihn zu nehmen, und ſie wird es auch da gewohnt, wo die Urſache eine Gemuͤthsbewegung war und die Wir- kung von dieſer eine Geberde des Geſichts, ein Ton der Stimme oder eine Bewegung mit der Hand iſt. Man darf nur luſtige Toͤne wiederholen, nicht eben ſolche, die uns wirklich ehedem vergnuͤgt gemacht haben, ſondern ſolche welche wir angaben, weil wir vergnuͤgt waren, und in die das heitere Herz faſt unwillkuͤhrlich, zumal in juͤn- gern Jahren, ſich zu ergießen pfleget, oder man darf nur lebhaft an ſie denken, und die Reproduktion des Vergnuͤgens, als ihrer Quelle, iſt mit ihnen verbunden. Will man ſagen, dieſe Vorſtellungen muͤßten zu- voͤrderſt andere hervorbringen, die vor der Gemuͤthsbe- wegung vorhergegangen ſind; ſo kann man zweyerley antworten. Es lehret die Empfindung dieß nicht. Und dann ſo ſind die vorhergehende wirkende Vorſtellun- gen oft an die nachfolgende Vorſtellungen nicht an- ders angereihet, als allein vermittelſt der zwiſchen ihnen liegenden Gemuͤthsbewegung. Sie haben ſonſt keine hier in Betracht kommende Aehnlichkeit unter ſich; ſind auch in keiner wirkenden Verknuͤpfung mit einander, und auch in keiner Folge auf einander in der Empfin- dung geweſen, als nur in ſolchen Reihen, in denen zu- gleich die innere Seelenveraͤnderung das Verbin- dungsglied zwiſchen ihnen war. Da muß alſo auch nach dem bekannten Geſetze der Aſſociation die Einbil- dungs- E 4

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/131>, abgerufen am 21.11.2024.