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Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Suchen Sie diesen Starrkopf von Thorheiten abzuhalten, lieber Meister, bat Verkolyn, entlassend; ich werde Ihnen nach der Börse meine Entschließungen mittheilen.

Der Scharfrichter ging, und Verkolyn versank in unruhig qualvolles Nachdenken. Der stolze, mächtige Mann fühlte sich beschämt durch die Nachgiebigkeit und den zweideutigen Schein, welche er vor diesem unausstehlich rechthabenden Jüngling anzunehmen gezwungen war. Mit seinem Reichthum und der Macht seiner Verbindungen konnte der einflußreiche Handelsherr vielleicht erreichen, daß Bertold seinen Plan, Freimeister zu werden, aufgeben möchte; aber unmöglich war es, dabei den Scandal zu verhüten, wodurch sein Verhältniß zu Galinda offenkundig und zum Stadtgespräch werden müsse. -- Dann lag sein mit großer Sorgfalt bewahrtes Familiengeheimniß offen vor den Augen der hohnlachenden Welt. -- Dann haftete an seinem und seines Hauses unbeflecktem Namen ein schmachvoller Makel.

Der unangemeldet eintretende Buchhalter Sachtervanst unterbrach dieses tiefe, rathlose Ueberlegen. Wie immer erschien der alte Geschäftsführer des Hauses höchst sauber in gepuderter kleiner Zopfperrücke, zimmtfarbenem Schoßrock mit großen Stahlknöpfen und blendend weißer Wäsche.

Sie konnten mir nicht gelegener kommen, lieber Baldus; hören Sie, was mir begegnet ist.

Suchen Sie diesen Starrkopf von Thorheiten abzuhalten, lieber Meister, bat Verkolyn, entlassend; ich werde Ihnen nach der Börse meine Entschließungen mittheilen.

Der Scharfrichter ging, und Verkolyn versank in unruhig qualvolles Nachdenken. Der stolze, mächtige Mann fühlte sich beschämt durch die Nachgiebigkeit und den zweideutigen Schein, welche er vor diesem unausstehlich rechthabenden Jüngling anzunehmen gezwungen war. Mit seinem Reichthum und der Macht seiner Verbindungen konnte der einflußreiche Handelsherr vielleicht erreichen, daß Bertold seinen Plan, Freimeister zu werden, aufgeben möchte; aber unmöglich war es, dabei den Scandal zu verhüten, wodurch sein Verhältniß zu Galinda offenkundig und zum Stadtgespräch werden müsse. — Dann lag sein mit großer Sorgfalt bewahrtes Familiengeheimniß offen vor den Augen der hohnlachenden Welt. — Dann haftete an seinem und seines Hauses unbeflecktem Namen ein schmachvoller Makel.

Der unangemeldet eintretende Buchhalter Sachtervanst unterbrach dieses tiefe, rathlose Ueberlegen. Wie immer erschien der alte Geschäftsführer des Hauses höchst sauber in gepuderter kleiner Zopfperrücke, zimmtfarbenem Schoßrock mit großen Stahlknöpfen und blendend weißer Wäsche.

Sie konnten mir nicht gelegener kommen, lieber Baldus; hören Sie, was mir begegnet ist.

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[0091] Suchen Sie diesen Starrkopf von Thorheiten abzuhalten, lieber Meister, bat Verkolyn, entlassend; ich werde Ihnen nach der Börse meine Entschließungen mittheilen. Der Scharfrichter ging, und Verkolyn versank in unruhig qualvolles Nachdenken. Der stolze, mächtige Mann fühlte sich beschämt durch die Nachgiebigkeit und den zweideutigen Schein, welche er vor diesem unausstehlich rechthabenden Jüngling anzunehmen gezwungen war. Mit seinem Reichthum und der Macht seiner Verbindungen konnte der einflußreiche Handelsherr vielleicht erreichen, daß Bertold seinen Plan, Freimeister zu werden, aufgeben möchte; aber unmöglich war es, dabei den Scandal zu verhüten, wodurch sein Verhältniß zu Galinda offenkundig und zum Stadtgespräch werden müsse. — Dann lag sein mit großer Sorgfalt bewahrtes Familiengeheimniß offen vor den Augen der hohnlachenden Welt. — Dann haftete an seinem und seines Hauses unbeflecktem Namen ein schmachvoller Makel. Der unangemeldet eintretende Buchhalter Sachtervanst unterbrach dieses tiefe, rathlose Ueberlegen. Wie immer erschien der alte Geschäftsführer des Hauses höchst sauber in gepuderter kleiner Zopfperrücke, zimmtfarbenem Schoßrock mit großen Stahlknöpfen und blendend weißer Wäsche. Sie konnten mir nicht gelegener kommen, lieber Baldus; hören Sie, was mir begegnet ist.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:22:21Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:22:21Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/91>, abgerufen am 21.05.2024.