Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.ungestört bei dem schönen jungen Ruderer im kleinen Nachen verweilen. Wir bemerken zuerst seine überaus einfache, reine Kleidung; sie besteht aus einer schwarzen Manchesterjacke und weißen Pantalons, ohne Weste; denn das blendend weiße Hemd ist um den Hals nur mit einem bunt seidenen Halstuch geschlungen. Ihn genauer betrachtend, ruht unser Blick mit Wohlgefallen auf dem kräftig blühenden Jünglingsantlitz, das unter einem breit umrandeten schwarzen Hute, von langen blonden Locken bis auf den Nacken umhangen, mit hellblauen Augen uns treu und gradherzig anschaut. Seine dunkelrothen freundlichen Lippen und das markige bräunliche Kinn ziert ein blonder lockiger Bartflaum, den noch kein Rasirmesser berührte. -- Auf der Bank vor dem rastlos Rudernden liegt, über den Rand des kleinen Bootes hinaus ragend, eine lange Entenflinte schußbereit. Die Gewandtheit, womit der Jüngling das Boot regiert, und sein hübsches Matrosencostüm könnten ihn als Seemann bezeichnen; aber sein Auge hatte das Meer noch nicht erblickt und sein Fuß außer den Baken und Schuiten des Goudasee's noch kein Schiff betreten; denn er war ein Sohn des reichen Polder Bauern Hendrik Zorg, dessen Käsefabrik eine der festesten Stützen im Rufe der berühmten Goudaer Käse bildete. Der Nachen erreichte jetzt ein Labyrinth kleiner, mit hohem Schilfrohr bedeckter Inseln, die, in der Mitte des Landsee's liegend, durch viele schmale Wasserpfade von einander sich trennten. Der Jüngling schien mit ungestört bei dem schönen jungen Ruderer im kleinen Nachen verweilen. Wir bemerken zuerst seine überaus einfache, reine Kleidung; sie besteht aus einer schwarzen Manchesterjacke und weißen Pantalons, ohne Weste; denn das blendend weiße Hemd ist um den Hals nur mit einem bunt seidenen Halstuch geschlungen. Ihn genauer betrachtend, ruht unser Blick mit Wohlgefallen auf dem kräftig blühenden Jünglingsantlitz, das unter einem breit umrandeten schwarzen Hute, von langen blonden Locken bis auf den Nacken umhangen, mit hellblauen Augen uns treu und gradherzig anschaut. Seine dunkelrothen freundlichen Lippen und das markige bräunliche Kinn ziert ein blonder lockiger Bartflaum, den noch kein Rasirmesser berührte. — Auf der Bank vor dem rastlos Rudernden liegt, über den Rand des kleinen Bootes hinaus ragend, eine lange Entenflinte schußbereit. Die Gewandtheit, womit der Jüngling das Boot regiert, und sein hübsches Matrosencostüm könnten ihn als Seemann bezeichnen; aber sein Auge hatte das Meer noch nicht erblickt und sein Fuß außer den Baken und Schuiten des Goudasee's noch kein Schiff betreten; denn er war ein Sohn des reichen Polder Bauern Hendrik Zorg, dessen Käsefabrik eine der festesten Stützen im Rufe der berühmten Goudaer Käse bildete. Der Nachen erreichte jetzt ein Labyrinth kleiner, mit hohem Schilfrohr bedeckter Inseln, die, in der Mitte des Landsee's liegend, durch viele schmale Wasserpfade von einander sich trennten. Der Jüngling schien mit <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0007"/> ungestört bei dem schönen jungen Ruderer im kleinen Nachen verweilen. Wir bemerken zuerst seine überaus einfache, reine Kleidung; sie besteht aus einer schwarzen Manchesterjacke und weißen Pantalons, ohne Weste; denn das blendend weiße Hemd ist um den Hals nur mit einem bunt seidenen Halstuch geschlungen. Ihn genauer betrachtend, ruht unser Blick mit Wohlgefallen auf dem kräftig blühenden Jünglingsantlitz, das unter einem breit umrandeten schwarzen Hute, von langen blonden Locken bis auf den Nacken umhangen, mit hellblauen Augen uns treu und gradherzig anschaut. Seine dunkelrothen freundlichen Lippen und das markige bräunliche Kinn ziert ein blonder lockiger Bartflaum, den noch kein Rasirmesser berührte. — Auf der Bank vor dem rastlos Rudernden liegt, über den Rand des kleinen Bootes hinaus ragend, eine lange Entenflinte schußbereit. Die Gewandtheit, womit der Jüngling das Boot regiert, und sein hübsches Matrosencostüm könnten ihn als Seemann bezeichnen; aber sein Auge hatte das Meer noch nicht erblickt und sein Fuß außer den Baken und Schuiten des Goudasee's noch kein Schiff betreten; denn er war ein Sohn des reichen Polder Bauern Hendrik Zorg, dessen Käsefabrik eine der festesten Stützen im Rufe der berühmten Goudaer Käse bildete.</p><lb/> <p>Der Nachen erreichte jetzt ein Labyrinth kleiner, mit hohem Schilfrohr bedeckter Inseln, die, in der Mitte des Landsee's liegend, durch viele schmale Wasserpfade von einander sich trennten. Der Jüngling schien mit<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0007]
ungestört bei dem schönen jungen Ruderer im kleinen Nachen verweilen. Wir bemerken zuerst seine überaus einfache, reine Kleidung; sie besteht aus einer schwarzen Manchesterjacke und weißen Pantalons, ohne Weste; denn das blendend weiße Hemd ist um den Hals nur mit einem bunt seidenen Halstuch geschlungen. Ihn genauer betrachtend, ruht unser Blick mit Wohlgefallen auf dem kräftig blühenden Jünglingsantlitz, das unter einem breit umrandeten schwarzen Hute, von langen blonden Locken bis auf den Nacken umhangen, mit hellblauen Augen uns treu und gradherzig anschaut. Seine dunkelrothen freundlichen Lippen und das markige bräunliche Kinn ziert ein blonder lockiger Bartflaum, den noch kein Rasirmesser berührte. — Auf der Bank vor dem rastlos Rudernden liegt, über den Rand des kleinen Bootes hinaus ragend, eine lange Entenflinte schußbereit. Die Gewandtheit, womit der Jüngling das Boot regiert, und sein hübsches Matrosencostüm könnten ihn als Seemann bezeichnen; aber sein Auge hatte das Meer noch nicht erblickt und sein Fuß außer den Baken und Schuiten des Goudasee's noch kein Schiff betreten; denn er war ein Sohn des reichen Polder Bauern Hendrik Zorg, dessen Käsefabrik eine der festesten Stützen im Rufe der berühmten Goudaer Käse bildete.
Der Nachen erreichte jetzt ein Labyrinth kleiner, mit hohem Schilfrohr bedeckter Inseln, die, in der Mitte des Landsee's liegend, durch viele schmale Wasserpfade von einander sich trennten. Der Jüngling schien mit
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Zitationshilfe: | Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/7>, abgerufen am 16.02.2025. |